L.N. Muhr hat geschrieben:Bully hat geschrieben:
Oder ein Beispiel außerhalb der Phantastik: man braucht nicht in Paris gewesen zu sein, um einen guten Krimi zu schreiben, der in Paris spielt. Wenn man dabei aber lauter Klischees, Vorurteile und dummes Zeug über Paris schreibt, die jedem Menschen mit halbwegs vorhandener Pariskenntnis auffallen, ist das schlecht für das Lesevergnügen
...womit wir wieder bei der Kompetenz wären. Und eben nicht beim "sich Gedanken machen".
Manchmal glaube ich, du verstehst deine eigenen Worte nicht. Zumindest widersprechen sich deine Aussagen drastisch.
Ok, dann nennen wir das eben "Kompetenz" (wobei das bei Dir so klingt, als würden sich kompetente Leute keine Gedanken machen, sondern nur die inkompetenten. Nach meiner Erfahrung ist es im RL eher umgekehrt...).
Für Dich ist "Kompetenz" also etwas, was z.B. Weinbaum nicht hat, weil er sein Chemiestudium abgebrochen hat und kein Biologe ist. Okeeee.
Für mich wäre in dem Zusammenhang "Kompetenz" aber zunächst die Kenntnis über "unsere" Welt, Dinge, die man mit einer guten Allgemeinbildung wissen kann, bzw., die man nachschlagen oder in z.B. einem pariser Stadtplan herausfinden kann, ohne sich hauptberuflich mit dem Thema zu beschäftigen. Nichts, wofür man studieren müsste/sollte. (Habe ich auch nirgends geschrieben.)
Und weil phantastische Literatur etwas andere Erwartungshaltungen erfüllen soll als Krimis, die in Paris spielen, kommt dann der nächste Schritt: Der "gute"* Phantastikautor trifft Entscheidungen, was jetzt in seinem Buch grundlegend _anders_ sein soll als in der Welt, in der wir leben (Oberflächenbeschleunigung, Himmelsfarbe, Funktionieren von Magie, Vorhandensein von Drachen, Aliens, Robotern oder karierter Maiglöckchen, Länge und Regelmäßigkeit der Jahreszeiten, ÜLF...). Welche Konsequenzen das jeweils für die phantastische Welt hat, die er seinen Lesern präsentiert, welche anderen Möglichkeiten oder Probleme die Leute dort haben, ihre Konflikte zu haben und zu lösen, als "wir", und was dort trotzdem nicht anders ist als hier, ist Teil der phantastischen Geschichte. So, wie die Liebe des Opfers und die forensischen Untersuchungen im Krimi Teil des Krimis ist. So wie die Liebe der Prinzessin im interplanetaren Fantasy-Reich Teil der Phantastik-Geschichte ist. Das muss der Autor einfach wissen, bzw., sich was dazu ausdenken, sobald es für die Geschichte wichtig wird, und das Ausgedachte muss in diese Welt "passen", so wie die Figuren in dem pariser Krimi nach Paris "passen" müssen**. Und das, was er sich als Lösung ausdenkt, muss in seiner Welt sagen wir nicht "logisch", aber immerhin so plausibel sein, wie es die Krimilösung in einem Krimi wäre. Er muss also die "Kompetenz" haben - oder sich "die Gedanken machen" - "in _unserer_ Welt wäre das nicht plausibel, weil dasunddas soundso ist, aber in _meiner_ Welt eben doch, weil dasunddas nicht soundso ist." <= bitte jetzt nicht als logische Gleichung verstehen, sondern allgemein.
Ob er seine Leser mit seiner Lösung verblüffen kann, ohne unlogisch zu sein, hängt muMn also sehr davon ab, wie gut er unsere Welt kennt.
"Die Regeln erlerne, dann vergiss sie."
Lewis Carroll und Douglas Adams hatten sicher ein ziemlich gutes Verständnis der Welt, in der sie lebten, sowie von logischem Denken. Und dann setzten sie sich hin und schrieben Bücher über Dinge, die einem sehr merkwürdig vorkommen. Je mehr Ahnung man hat, desto mehr kann man anders machen, ohne das alles umkippt.
Aber ok, wenn Du Beispiele hast von Leuten, denen die "Kompetenz", wie ich sie oben beschrieben habe, fehlte, die aber trotzdem super SF- oder Fantasy-Romane geschrieben haben (oder Comics, oder Filme gedreht, oder wasauchimmer), erzähl mal.
*Geschmackswertung meinerseits.
**Bitte beachte die "..."; ein afrikanischer Flüchtling, der in Paris mehr schlecht als recht sein Leben führt, fühlt sich dort vllt. nicht besonders wohl, aber solange der Krimiautor weiß, wieso und warum er da lebt, "passt" er in die Geschichte. Wenn er nett ist/es wichtig wird, erzählt er es auch den Lesern. Der nicht-so-gute Krimiautor lässt einfach einen zufälligen Afrikaner vorkommen. Gelegentlich bemerkt der Leser den Unterschied.