Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

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Bully
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben:Die Behauptung war nicht "gute Autoren machen sich Gedanken".
Meine Aussage war, das er weiß, wie die Dinge funktionieren, bevor er anfängt, etwas anders zu machen. Wie das gehen soll, ohne sich Gedanken zu machen, weiß ich zwar nicht, aber bitte.

Ich nehm dich mal beim Wort, so wie du andere beim Wort nimmst: du hast von spezifischer Kompetenz geredet. Und die hatte Weinbaum, was Biologie etc. angeht, eher nicht so. Er hat sich diese Dinge einfach ausgedacht.
Ich habe _nicht_ von "spezifischer Kompetenz" geredet, diese Formulierung kommt hier zum ersten Mal in diesem Thread vor, iirc. Und natürlich hat sich Weinbaum diese Dinge ausgedacht. Wäre ja etwas komisch, wenn ein Phantastik-Autor keine Phantasie hätte. Trotzdem scheint er sich mehr Gedanken über seine Aliens gemacht zu haben als die meisten anderen SF-Autoren. (Nachdem, was ich von ihm gelesen habe, ich kann mich natürlich irren.)

Ja, ein guter Autor weiß, wovon er redet. Das betrifft aber nicht zwingend jedes einzelne Detail: man muss kein Echsenspezialist sein, um sich gute Drachen auszudenken. Es gibt da durchaus Varianzen.

Doch, ich denke, an deinem Argument ist in seiner Absolutheit einiges zu bekritteln, sorry.
Welche Absolutheit? Mal abgesehen davon, das Du jetzt irgendwie mein Argument nimmst und so tust, als wäre es ein Gegenargument.
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a3kHH
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von a3kHH »

Ein Paradebeispiel für den zickigen SF-Fan, der gar nicht versteht, daß seine (pseudo-) wissenschaftliche Argumentation absurd ist. Und das eigentliche Thema nicht einmal am Rand streift.
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Bungle
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Bungle »

Wiewohl ich ein toleranter SF-, Horror- und Fantasy-Leser (man beachte die Reihenfolge) bin oder mich dafür halte, würde ich Fan-Forschung gerne an die Wissenschaft weitergeben, bevor sich hier die Diskutierenden im Spiegellabyrinth des gegenseitigen Missverstehens, des Eigen- und Fremdbilder verirren.
Ich selbst habe schon genügend sehr unterschiedliche SF- oder Fantasy- oder Horror-Fans kennengelernt. Aber wie es eben so geht, mit manchen wünscht man sich so viel Kontakt wie möglich, andere hätte man am liebsten nicht kennengelernt.

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L.N. Muhr
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Bully hat geschrieben:
L.N. Muhr hat geschrieben:Die Behauptung war nicht "gute Autoren machen sich Gedanken".
Meine Aussage war, das er weiß, wie die Dinge funktionieren, bevor er anfängt, etwas anders zu machen. Wie das gehen soll, ohne sich Gedanken zu machen, weiß ich zwar nicht, aber bitte.

Ich nehm dich mal beim Wort, so wie du andere beim Wort nimmst: du hast von spezifischer Kompetenz geredet. Und die hatte Weinbaum, was Biologie etc. angeht, eher nicht so. Er hat sich diese Dinge einfach ausgedacht.
Ich habe _nicht_ von "spezifischer Kompetenz" geredet, diese Formulierung kommt hier zum ersten Mal in diesem Thread vor, iirc.
Entschuldige mal, aber "wissen, wie was geht" ist spezifische Kompetenz. "Sich Gedanken machen" kann dagegen bedeuten, einfach nur eine Menge (und sei es kreativen) Unsinn zu denken.

Verzeih, aber entweder versuchst du dich grad mit semantischem Unsinn rauszureden oder du redest Blödsinn.

Siehe:
Es gibt den Spruch, dass man die Regeln kennen muss, bevor man sie brechen darf.
Ein _guter_ SF- oder Fantasy-Autor zeichnet sich demnach dadurch aus, dass er weiß, wie bestimmte Dinge im richtigen Leben funktionieren würden (oder erbärmlich scheitern),
Deine Aussage war letztlich: wer über überlichtschnelle Raumfahrt schreiben will, muss erstmal wissen, warum sie nicht funktioniert (i.e. Ahnung haben). Und dem widerspreche ich dann doch energisch. Wer über überlichtschnelle Raumfahrt schreiben will, für den genügt es manchmal einfach, zu behaupten, dass das Schiff überlichtschnell flog.

Tatsächlich kann ich nullkommanullnull Ahnung haben, wie überlichtschnelle Raumfahrt (nicht) geht, und auch nullkommanullnull Ahnung, was für ein physikalischer Rattenschwanz da dran hängt - und dennoch gute SF mit überlichtschneller Raumfahrt schreiben. Insbesondere, wenn es eigentlich nur darum geht, von A nach B zu kommen und sonst keine Rolle spielt (siehe Dune*).

Insofern hast du Recht: Kompetenz hilft, und je mehr Kompetenz, desto besser. Aber sie ist nicht zwingend vonnöten.

*sowieso ein schönes Beispiel für SF ohne S
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Bully
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Bully »

Überlichtschnelles Reisen ist ein schlechtes Beispiel. Im Richtigen Leben funktioniert überlichtschnelle Raumfahrt _nicht_. Das weiß vermutlich jeder, der SF schreibt, insofern ist es kein Zeichen von besonders durchdachtem Weltenbau, wenn man über einen fiktiven Ülf-Antrieb schreibt. Ich schrieb nicht, dass man wissen müsste, _warum_ etwas funktioniert oder nicht, nur _wie_ etwas funktioniert oder nicht. Für jemanden, der vollmundigerweise angekündigt hat, mich wörtlich zu nehmen, findest Du immer noch eine Menge Subtext. Und wenn Du meinst, "wie" und "warum" wären dieselben Wörter, und ich würde mich mit semantischen Unsinn rausreden, bitteschön. Du verdienst mit Sprache Deinen Lebensunterhalt. Und ich bin doov.
Der Punkt aber, selbst wenn ich von "spezifischer Kompetenz" geschrieben hätte, so müsste das kein Studium oder dergleichen bedeuten. Man muss kein studierter Physiker sein, um zu wissen, dass es überlichtschnelles Reisen nicht gibt. Man muss auch kein Diplom in Biologie haben, um zu wissen, dass Lebewesen (zu Weinbaums Zeiten) in Pflanzen und Tiere aufgeteilt werden. Weinbaum dachte (im Unterschied zu den meisten anderen) darüber nach, ob das auf anderen Planeten auch so sein muss, und kam zum Ergebnis: Nein, muss es nicht. Stattdessen kommt er mit Wesen um die Ecke, bei denen man vom Anblick her nicht weiß, ob sie Pflanzen oder Tiere sind (eigentlich nichts von beiden). Kommt mir zumindest besser durchdacht vor als wandelnde Bäume (und ich bin Tolkienfan). Und ja, es gibt Argumente, warum auch auf fernen Planeten mit völlig anderer Evolution Geschöpfe wie Tiere und Pflanzen aussehen sollten. Ich bezweifele aber, dass dies Argumente immer und überall der Grund sind, warum das in diversen SF-Welten so ist.
Warum Schwerkraft funktioniert, weiß kein Mensch. Die _Wirkung_ von Schwerkraft ist aber ziemlich gut erforscht. Wenn man einen Roman über einen Planeten mit einer anderen Oberflächenbeschleunigung als der Erde schreiben will, sagen wir, den Mars, kann man einfach in die nächste Bibliothek gehen und das nachschlagen. Geht auch als abgebrochener Chemiestudent. Und man kann sich auch fiktive Methoden ausdenken, wie man der Schwerkraft ein Schnippchen schlägt. Wenn die für die Handlung im Grunde unwichtig sind, wie Baron Harkonnens Suspensoren, muss man sich vllt. weniger Gedanken machen, als wenn die Antischwerkraftgeräte enorm wichtig sind, wie das Cavorit in "Die ersten Menschen auf dem Mond", oder der Autor gerne darüber etwas sagen will, wie die Hydrophobie bei Pratchett. Ist alles nicht wissenschaftlich, ich weiß. Aber davon sprach ich ja nicht. Idealerweise weiß der Autor aber insofern, _wie_ seine Antischwerkraft funktioniert, als dass er weiß, welche "Leistungsdaten" und Einschränkungen so ein Gerät hat, und er hält sich dran. Im Unterschied etwa zu dem 9-Personen-Aufzug in Transformers 4, der bei fünf Personen und einer Bombe nicht mehr weiterfährt, aber eine Person kann diese Bombe transportieren.
Pratchett schreibt über eine Scheibenwelt, die auf vier Elefanten steht, die auf einer Schildkröte stehen. Er nimmt das so bierernst, dass er erklärt, wie _da_ die Jahreszeiten funktionieren, im Unterschied zu unserer Welt. Manchmal muss ein Elefant ein Bein heben, um die Sonne durchzulassen. Man merkt, dass er sich Gedanken macht. Ja, der Elefant auch. (Und diese Gedanken machen eine Menge vom Lesespaß aus, bei mir zumindest.)
Man muss nicht mal Mitglied eine Kavallerieeinheit gewesen zu sein, um zu wissen, wie Pferde funktionieren, man könnte auch so wissen, dass die nicht Tag und Nacht mit anderthalb Reitern durch die Gegend laufen. Wenn man will, dass das an einer Stelle vorkommt, weil bestimmte Leute an Punkt A ankommen sollen, bevor die Schlacht beginnt, die Kavallerie aber erst hinterher anrücken soll, für extra Spannung, muss man halt ein Superpferd erfinden, dass das eben doch kann. Oder einen fliegenden Teppich oder Teleporterstiefel. Wenn man sich keine Gedanken macht, bzw. keine Ahnung hat, sind die Pferde immer so schnell und ausdauernd, wie die Handlung es erfordert. Was wäre wohl das bessere Buch?

Oder ein Beispiel außerhalb der Phantastik: man braucht nicht in Paris gewesen zu sein, um einen guten Krimi zu schreiben, der in Paris spielt. Wenn man dabei aber lauter Klischees, Vorurteile und dummes Zeug über Paris schreibt, die jedem Menschen mit halbwegs vorhandener Pariskenntnis auffallen, ist das schlecht für das Lesevergnügen (außer, man schreibt nur für Leute, die Paris nicht kennen), selbst, wenn die eigentliche Handlung spannend ist, deshalb sollte man sich Gedanken machen, warum der Roman überhaupt in Paris spielen muss, und bei allen Dingen, die die Örtlichkeit betreffen, sich einfach schlau machen. Im Unterschied zur Scheibenwelt, Mittelerde und Arrakis ist Paris nämlich keine Erfindung.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von GreatSciFi »

L.N. Muhr hat geschrieben:
GreatSciFi hat geschrieben:Ich bin eigentlich sowieso der Meinung, dass Scifi Fans insgesamt einen Hang zum Phantastischen haben, egal welcher Coleur.
Schön wärs. Ist aber wohl eher nicht so. Kaum ein Phantastikleser reagiert so verbiestert wie der SF(!)-Leser, dem man etwas auch nur andeutungsweise Fantasyartiges unterzujubeln versucht. Was sich nicht in Risszeichnungen fassen lässt, ist keine SF, auch wenn's genauso irreal ist.

PS: Couleur. :wink:
Vielleicht kann ich das nicht beurteilen, aber in den Fankreisen, in den ich unterwegs bin, scheint das jedenfalls nicht so eng gesehen zu werden. Die Genres werden und wurden von jeher vermischt. Was sollte mich also bei dem ein oder anderen abschrecken?
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L.N. Muhr
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Bully hat geschrieben:
Oder ein Beispiel außerhalb der Phantastik: man braucht nicht in Paris gewesen zu sein, um einen guten Krimi zu schreiben, der in Paris spielt. Wenn man dabei aber lauter Klischees, Vorurteile und dummes Zeug über Paris schreibt, die jedem Menschen mit halbwegs vorhandener Pariskenntnis auffallen, ist das schlecht für das Lesevergnügen
...womit wir wieder bei der Kompetenz wären. Und eben nicht beim "sich Gedanken machen".

Manchmal glaube ich, du verstehst deine eigenen Worte nicht. Zumindest widersprechen sich deine Aussagen drastisch.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von GreatSciFi »

Ich kann mich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass hier eine ganze Menge Intoleranz im Spiel ist. Diskussionen über Wissenschaftlichkeit in phantastischen Werken ist m.E. eigentlich müßig, weil wir uns in der Welt des Vorstellbaren und nicht des Machbaren bewegen. Ja, ein gewisses Hintergrundwissen, eine gewisse Recherche sollte schon betrieben werden, denn diese Form der Sorgfalt macht für mich erst eine Geschichte wirklich vorstellbar. Darüberhinaus bewegen wir uns auf einem literarischem Gebiet, dem eigentlich keine Grenzen gesetzt sind und das ist gerade das schöne daran, oder nicht? Was plausibel und unplausibel ist, bleibt dabei m.E. der Fantasie des Lesers überlassen.

Hier wurde zum Beispiel angeführt, hyperintelligente Pflanzen, die keinen Selbsterhaltungstrieb besitzen und keine Werkzeuge benutzen, seien unplausibel. Nun, ich denke, das hängt vom Auge des Betrachters ab. Wir können Dinge nur so sehen, wie sie uns als Menschen gelehrt werden. Nun ist das natürlich die einzige Sichtweise, die WIR haben, muss aber nicht zwangsläufig DIE einzig richtige sein. Was ist also falsch daran, sich Gedanken darüber zu machen, wie völlig anders funktionierende Lebewesen Dinge wie den Lebenswillen sehen? Wäre er in einer Gesellschaft, in der man sich zum Beispiel beliebig oft reproduzieren könnte, überhaupt noch wichtig? Was ist also generell an so einem Gedanken unplausibel. Die Frage nach dem Warum macht hier doch den Unterschied. Der Hintergrund der Geschichte allein entscheidet doch subjektiv darüber, ob ich die Gedankengänge des Autors annehmen kann, oder nicht. Insofern, zumindest wenn ich ihn richtig verstanden habe, gebe ich Bully absolut recht.

Was ich allerdings nicht verstehe ist, was das alles mit der (theoretischen) fehlenden Aufgeschlossenheit von Scifi Lesern gegenüber anderen Phantastiklesern zu tun hat, einmal abgesehen von der Argumentationsweise einiger hier... :kopfkratz:

Ich kann das nur rein subjektiv sehen. Ich mag jedwede Form von Phantastik, wenn sie denn gut (im Sinne von Plot, Figurenzeichnung, Hintergrund, sowie Schreibstil) ist. Ich liebe die Stories von Howard genauso so, wie die Asimov, die von King sind mir genauso lieb, wie die Tolkien oder Crichton und ich habe auch nichts gegen einen seichten "Groschenroman", wenn dort vor meinem geistigen Auge eine Welt entsteht, dessen Existenz ich mir vorstellen können.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

GreatSciFi hat geschrieben:Ich kann mich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass hier eine ganze Menge Intoleranz im Spiel ist. Diskussionen über Wissenschaftlichkeit in phantastischen Werken ist m.E. eigentlich müßig, weil wir uns in der Welt des Vorstellbaren und nicht des Machbaren bewegen. Ja, ein gewisses Hintergrundwissen, eine gewisse Recherche sollte schon betrieben werden, denn diese Form der Sorgfalt macht für mich erst eine Geschichte wirklich vorstellbar.
Du magst also z.B. Ray Bradbury nicht?

Außerdem: die Debatte um Wissenschaftlichkeit führt hier eigentlich keiner. Es ging um die Frage der Kompetenz der Autoren. Und das kann, muss sich aber nicht auf Hard-Science beziehen. (Soziologie ist auch eine Wissenschaft, btw..) Also nicht darum, wie wissenschaftlich der Text ist, sondern darum, wie kompetent der Autor ist. Das ist absolut zweierlei!

Klar, die linguistische SF einer Suzette Elgin wäre ohne sprachwissenschaftliche Kenntnis nicht denkbar. Die Raketensommer eines Ray Bradbury sind es mühelos.

Und dazwischen sind viele Abstufungen. Doch, man kann auch als SF-Autor sich einfach Dinge aus dem ärmel schütteln und es klappt. Sollte man einfach mal so hinnehmen.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:
Oder ein Beispiel außerhalb der Phantastik: man braucht nicht in Paris gewesen zu sein, um einen guten Krimi zu schreiben, der in Paris spielt. Wenn man dabei aber lauter Klischees, Vorurteile und dummes Zeug über Paris schreibt, die jedem Menschen mit halbwegs vorhandener Pariskenntnis auffallen, ist das schlecht für das Lesevergnügen
...womit wir wieder bei der Kompetenz wären. Und eben nicht beim "sich Gedanken machen".

Manchmal glaube ich, du verstehst deine eigenen Worte nicht. Zumindest widersprechen sich deine Aussagen drastisch.
Ok, dann nennen wir das eben "Kompetenz" (wobei das bei Dir so klingt, als würden sich kompetente Leute keine Gedanken machen, sondern nur die inkompetenten. Nach meiner Erfahrung ist es im RL eher umgekehrt...).
Für Dich ist "Kompetenz" also etwas, was z.B. Weinbaum nicht hat, weil er sein Chemiestudium abgebrochen hat und kein Biologe ist. Okeeee.
Für mich wäre in dem Zusammenhang "Kompetenz" aber zunächst die Kenntnis über "unsere" Welt, Dinge, die man mit einer guten Allgemeinbildung wissen kann, bzw., die man nachschlagen oder in z.B. einem pariser Stadtplan herausfinden kann, ohne sich hauptberuflich mit dem Thema zu beschäftigen. Nichts, wofür man studieren müsste/sollte. (Habe ich auch nirgends geschrieben.)
Und weil phantastische Literatur etwas andere Erwartungshaltungen erfüllen soll als Krimis, die in Paris spielen, kommt dann der nächste Schritt: Der "gute"* Phantastikautor trifft Entscheidungen, was jetzt in seinem Buch grundlegend _anders_ sein soll als in der Welt, in der wir leben (Oberflächenbeschleunigung, Himmelsfarbe, Funktionieren von Magie, Vorhandensein von Drachen, Aliens, Robotern oder karierter Maiglöckchen, Länge und Regelmäßigkeit der Jahreszeiten, ÜLF...). Welche Konsequenzen das jeweils für die phantastische Welt hat, die er seinen Lesern präsentiert, welche anderen Möglichkeiten oder Probleme die Leute dort haben, ihre Konflikte zu haben und zu lösen, als "wir", und was dort trotzdem nicht anders ist als hier, ist Teil der phantastischen Geschichte. So, wie die Liebe des Opfers und die forensischen Untersuchungen im Krimi Teil des Krimis ist. So wie die Liebe der Prinzessin im interplanetaren Fantasy-Reich Teil der Phantastik-Geschichte ist. Das muss der Autor einfach wissen, bzw., sich was dazu ausdenken, sobald es für die Geschichte wichtig wird, und das Ausgedachte muss in diese Welt "passen", so wie die Figuren in dem pariser Krimi nach Paris "passen" müssen**. Und das, was er sich als Lösung ausdenkt, muss in seiner Welt sagen wir nicht "logisch", aber immerhin so plausibel sein, wie es die Krimilösung in einem Krimi wäre. Er muss also die "Kompetenz" haben - oder sich "die Gedanken machen" - "in _unserer_ Welt wäre das nicht plausibel, weil dasunddas soundso ist, aber in _meiner_ Welt eben doch, weil dasunddas nicht soundso ist." <= bitte jetzt nicht als logische Gleichung verstehen, sondern allgemein.
Ob er seine Leser mit seiner Lösung verblüffen kann, ohne unlogisch zu sein, hängt muMn also sehr davon ab, wie gut er unsere Welt kennt.
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Lewis Carroll und Douglas Adams hatten sicher ein ziemlich gutes Verständnis der Welt, in der sie lebten, sowie von logischem Denken. Und dann setzten sie sich hin und schrieben Bücher über Dinge, die einem sehr merkwürdig vorkommen. Je mehr Ahnung man hat, desto mehr kann man anders machen, ohne das alles umkippt.

Aber ok, wenn Du Beispiele hast von Leuten, denen die "Kompetenz", wie ich sie oben beschrieben habe, fehlte, die aber trotzdem super SF- oder Fantasy-Romane geschrieben haben (oder Comics, oder Filme gedreht, oder wasauchimmer), erzähl mal.

*Geschmackswertung meinerseits.
**Bitte beachte die "..."; ein afrikanischer Flüchtling, der in Paris mehr schlecht als recht sein Leben führt, fühlt sich dort vllt. nicht besonders wohl, aber solange der Krimiautor weiß, wieso und warum er da lebt, "passt" er in die Geschichte. Wenn er nett ist/es wichtig wird, erzählt er es auch den Lesern. Der nicht-so-gute Krimiautor lässt einfach einen zufälligen Afrikaner vorkommen. Gelegentlich bemerkt der Leser den Unterschied.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Naut »

Bully, pass auf, Du versteigst Dich etwas zu sehr. Es gibt sicher eine Untergattung der SF, in der weitgehende Konsistenz mit unserer Welt wichtig ist. Clarke, Asimov sind Beispiele dafür.
Aber LN hat schon recht, wenn er hier Bradbury als Antithese anführt: Der konstruiert eine literarische Wirklichkeit, die mehr mit dem "magischen Realismus" zu tun hat als mit Hard-SF. Das ist schon fast ein anderes Genre.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Bully »

Naut hat geschrieben:Bully, pass auf, Du versteigst Dich etwas zu sehr. Es gibt sicher eine Untergattung der SF, in der weitgehende Konsistenz mit unserer Welt wichtig ist. Clarke, Asimov sind Beispiele dafür.
Aber LN hat schon recht, wenn er hier Bradbury als Antithese anführt: Der konstruiert eine literarische Wirklichkeit, die mehr mit dem "magischen Realismus" zu tun hat als mit Hard-SF. Das ist schon fast ein anderes Genre.
Ich schrieb nichts von Hard-SF. Ich hatte als Beispiele Weinbaum, Pratchett, Tolkien, Adams und Carroll, Weinbaum könnte man zu seiner Zeit als Hard-SF einstufen, aber damals war das noch kein Genre, und heute ist er wissenschaftlich überholt. Der Rest ist sowas von Nicht-Hard-SF, wie Bradburys Lavendelweinkanäle. Aber Du kommst jetzt mit Asimov und Clarke?

Frage: hat Bradbury "magischen Realismus" geschrieben, weil er einfach nicht wusste, wie nicht-magische Realismus geht? Oder wusste er ziemlich genau, wie "realer Realismus" aussieht, aber hat einfach für seine Welt mehr Bausteine ausgetauscht als Asimov? Meine Behauptung wäre: letzteres.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Naut »

Bully hat geschrieben:
Naut hat geschrieben:Bully, pass auf, Du versteigst Dich etwas zu sehr. Es gibt sicher eine Untergattung der SF, in der weitgehende Konsistenz mit unserer Welt wichtig ist. Clarke, Asimov sind Beispiele dafür.
Aber LN hat schon recht, wenn er hier Bradbury als Antithese anführt: Der konstruiert eine literarische Wirklichkeit, die mehr mit dem "magischen Realismus" zu tun hat als mit Hard-SF. Das ist schon fast ein anderes Genre.
Ich schrieb nichts von Hard-SF. Ich hatte als Beispiele Weinbaum, Pratchett, Tolkien, Adams und Carroll, Weinbaum könnte man zu seiner Zeit als Hard-SF einstufen, aber damals war das noch kein Genre, und heute ist er wissenschaftlich überholt. Der Rest ist sowas von Nicht-Hard-SF, wie Bradburys Lavendelweinkanäle. Aber Du kommst jetzt mit Asimov und Clarke?
Du merkst nicht mal, wenn jemand "auf Deiner Seite" ist. :) Clarke und Asimov sind meine Beispiele für Autoren, denen Konsistenz mit unserer (physikalischen) Welt wichtig waren. Weinbaum, Pratchett und Adams scheren sich einen Dreck um diese physikalische Übereinstimmung, denen geht es um andere Wissenschaften: Psychologie, Soziologie, Philosophie.
Frage: hat Bradbury "magischen Realismus" geschrieben, weil er einfach nicht wusste, wie nicht-magische Realismus geht? Oder wusste er ziemlich genau, wie "realer Realismus" aussieht, aber hat einfach für seine Welt mehr Bausteine ausgetauscht als Asimov? Meine Behauptung wäre: letzteres.
Nö, keins von beidem. Es geht hier nicht um bloße Bausteine, die man austauschen müsste, denn Bradburys Welten haben oft viel mehr mit unserer Wirklichkeit (oder eher der US-Wirklichkeit der 50er) gemein als alles, was Asimov je schrieb. Bloß sind dies Übereinstimmungen in psychologischen oder soziologischen Aspekten, nicht in Naturgesetzen. Bradbury hat Welten konstruiert, die in anderen Aspekten eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorchten, das ist es, was magischer Realismus bedeutet. Das Ergebnis kann man auch "Science Fiction" nennen, wenn man unbedingt will, aber zwangsläufig ist so eine Einordnung nicht.
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

Ungelesener Beitrag von Bully »

Das würde ich jetzt so verstehen, dass Asimov andere Bausteine ausgetauscht hat als Bradbury.
Stelle Dir unser "Richtiges Leben" als eine Mauer aus grauen, quaderförmigen Bauklötzen vor, die alle dasselbe Format haben, aber jeder eine andere Aufschrift, z.B.: "kein ÜLF-Antrieb", "keine Elfen", "keine Positroniken", "keine Marskanäle" etc., oder positiv formuliert, z.B.: "blauer Himmel", "Schwerkraft zieht nach 'unten'", "die Erde ist eine Kugel", "Wasser ist nass"; und dann kommen Asimov oder Bradbury und ziehen einzelne Bauklötze weg. Oder ersetzen welche mit neuen, die bunt sind, oder aus Metall, Glas oder Gummi bestehen, oder statt Quadern Pentagonprismen, Pyramiden, halbe Zylinder oder Kegel sind. Oder bunte Halbkugeln aus Gummi. Wenn die neue Mauer nicht einstürzen soll, muss man Ahnung haben, welche Bauklötze man womit ersetzen kann, und welche (für die Geschichte) ganz wegfallen dürfen. Bei Bradbury habe ich den Eindruck, dass das mehr sind.
Aber diese Entscheidung erfordert erstmal "Kompetenz" bzgl. der grauen Mauer, wie sie als RL ist.

"Magischer Realismus" habe ich auch ganz anders definiert bekommen, aber das muss nichts heißen.
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L.N. Muhr
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Re: Sind Horror Leser aufgeschlossener als SF oder Fantasyleser?

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Bully hat geschrieben:
L.N. Muhr hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:
Oder ein Beispiel außerhalb der Phantastik: man braucht nicht in Paris gewesen zu sein, um einen guten Krimi zu schreiben, der in Paris spielt. Wenn man dabei aber lauter Klischees, Vorurteile und dummes Zeug über Paris schreibt, die jedem Menschen mit halbwegs vorhandener Pariskenntnis auffallen, ist das schlecht für das Lesevergnügen
...womit wir wieder bei der Kompetenz wären. Und eben nicht beim "sich Gedanken machen".

Manchmal glaube ich, du verstehst deine eigenen Worte nicht. Zumindest widersprechen sich deine Aussagen drastisch.
Ok, dann nennen wir das eben "Kompetenz" (wobei das bei Dir so klingt, als würden sich kompetente Leute keine Gedanken machen, sondern nur die inkompetenten. Nach meiner Erfahrung ist es im RL eher umgekehrt...).
Ich gebe ehrlich zu: ich weiss nicht, wie du dadrauf kommst. Nicht mal ansatzweise.

Ehrlich.

Mur weil ich sage, dass nicht jeder selbstgemachte Gedanke ein richtiger Gedanke ist, sage ich doch nicht, dass jeder selbstgemachte Gedanke falsch ist.

Echt mal. Nur weil A wahr ist, muss das Gegenteil von A nicht falsch sein. Ich hatte gehofft, das nicht extra erklären zu müssen. :wand:

Aber für dich mal zum mitmeißeln: da sich alle Menschen Gedanken machen, tun es sowohl die kompetenten wie die inkompetenten. Deshalb ist "sich Gedanken machen" eben kein Qualitätsmerkmal, weil da ebensowohl vernünftiges wie unvernünftiges Zeug rauskommen kann.

Was exakt das ist, was ich weiter vorn geschrieben habe.
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