Lesezirkel: Kurzgeschichten!

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Badabumm
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Na, toll! Wie hätte man aus "Mars in Heaven" auf "The third Expedition" kommen sollen??? Klar, der gesuchte Titel stand natürlich nicht in den Mars-Chroniken... :wand:
Recherche-Preis auch von mir! :respekt:
„Wenn Außerirdische so sind wie wir, möchte ich nicht von uns entdeckt werden.“

Harald Lesch
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Teddy
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Ender hat geschrieben: ***WERBUNG*** Aber es ist so ein schönes Buch... das kann man sich ja ruhig mal gönnen. *** WERBUNG***
Ach Mist. Ich wollte doch nicht mehr auf plumpe Werbung hereinfallen. Jetzt hab ich es mir auch bestellt...

Dann sollten wir aber auch weitermachen: Wie wär's mit »Abenddämmerung« von John W. Campbell bis Sonntag, den 22.5.?
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Catalpa
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Catalpa »

Teddy hat geschrieben:Dass die SFWA die Geschichte so hoch bewertet, kann ich durchaus nachvollziehen, wobei es natürlich eine Rolle spielt, dass Weinbaum der erste war, der solch moderne Geschichten geschrieben hat und auch deutlich besser schreiben konnte als der durchschnittliche Pulpautor. Was mich überrascht ist eher, dass nicht seine Geschichte "Die Lotosesser" gewählt wurde, die ich für noch besser halte als die "Mars-Odyssee".
"Die Lotosesser" habe ich jetzt auch noch gelesen. Auch sehr schön. Insgesamt vielleicht etwas runder, nachdem die "Mars-Odyssee" ein wenig episodenhaft ist. Vor allem die Idee einer pflanzlichen Intelligenz, deren Mentalität sich grundsätzlich von der unseren unterscheidet finde ich interessant.
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Ender
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Ender »

Erster!!!

»Abenddämmerung« von John W. Campbell (1934)

Eine Zeitreisegeschichte, in der es jedoch ausnahmsweise mal nicht um die Verwicklungen und Paradoxa geht, die sich daraus ergeben können, sondern um die Beschreibung einer fernen Zukunft. Einer SEHR SEHR SEHR fernen Zukunft. Dementsprechend besteht die Story auch überwiegend aus Beschreibungen, weniger aus Handlung. Man bekommt sozusagen die zukünftige Menschheitsgeschichte im Schnelldurchlauf serviert und landet schließlich in einer - sagte ich es bereits? - wirklich SEHR SEHR SEHR fernen Zukunft. An dieser Stelle kann es dann auch ein bisschen schwierig werden, denn ich muss zugeben, dass sieben Millionen Jahre mein Vorstellungsvermögen schon leicht überfordern.

Die eigentliche Erzählform dieser Geschichte kam mir etwas umständlich vor: Der Erzähler erzählt, wie ihm jemand etwas erzählt, was ihm von einem Dritten erzählt wurde... Das hätte man vielleicht auch einfacher haben können. Nun gut, das sind stilistische Kleinigkeiten.
Schon eher stolpert man dann über eine Passage wie diese hier:
[...]Wilde machen Musik, die zu einfach ist, um schön zu sein, aber sie ist irgendwie ergreifend. Halbwilde schaffen Musik, die einfach und schön ist. Eure Negermusik ist das beste Beispiel. [...]
Aber bei einem Text von 1934 muss man wohl damit leben. Ach, in welch fortschrittlichen Zeiten wir doch heute leben. Trotz allem.

Ansonsten hat mir die Idee mit der menschenleeren Stadt, in der die Maschinen seit zehn- oder hunderttausenden von Jahren einfach immer weitermachen, sehr gut gefallen! Ich fand sie auch sehr gut beschrieben und fühlte mich dort richtig hineinversetzt. Faszinierend und unheimlich.
Die Szenerie hat mich an Bradburys "Sanfte Regen werden kommen" aus den "Mars-Chroniken" erinnert, nur hier eben in einem sehr viel größeren Maßstab. Parallelen finden sich auch - ganz aktuell - zu Brandhorsts "Das Schiff": Die Welt wird von Maschinen regiert und in Gang gehalten und die Menschen, ihre ursprünglichen Schöpfer, sind auch noch irgenwie da... viel mehr aber auch nicht.

Insgesamt ist "Abenddämmerung" eine schöne Ideengeschichte, die mich durchaus beeindruckt hat.
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Teddy
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Das kommt davon, wenn man nur zweiter ist: Ender hat schon alles gesagt, zudem ich auch was schreiben wollte. Ich hatte mir exakt dasselbe Zitat rausgeschrieben:
Wilde machen Musik, die zu einfach ist, um schön zu sein, aber sie ist irgendwie ergreifend. Halbwilde schaffen Musik, die einfach und schön ist. Eure Negermusik ist das beste Beispiel.
Ich dachte immer, Schwarze als Halbwilde zu bezeichnen, wäre das Monopol von Vox Day, aber selbst dieser krude Gedanke ist nur geklaut. Ich habe mir daraufhin mal den (englischen) Wikipediaeintrag über Campbell angesehen. Gerade in seinen späten Jahren hat er schon so einigen Mist vertreten: Neben seinem Rassismus hat er sich für manch esoterische Idee begeistert oder versucht L. Ron Hubbards Dianetic unters Volk zu bringen.
Aber kommen wir zur "Abenddämmerung". Wie Ender schon sagte: Papa, Charlie hat gesagt, sein Vater hat gesagt, sein Freund hat gesagt, ein Mann aus der Zukunft hat gesagt...
Nach der "Mars-Odyssee" gleich noch eine Geschichte, in der nur berichtet wird. Aber Weinbaum hat das meiner Meinung nach deutlich fesselnder gemacht. Für "Abenddämmerung" habe ich drei Anläufe gebraucht. (Beim ersten bin ich nach drei Seiten eingeschlafen.) Das ist doch alles sehr dröge erzählt, mit ständigen Wiederholungen (ja, die Maschinen machen auch ohne Menschen immer weiter) und ohne echte Spannung. Da wird im Nebensatz zum Neptun geflogen, aber die Quecksilber-Dampflampe bekommt einen eigenen Abschnitt. Da stimmen die Verhältnisse nicht.
Inhaltlich ist die Geschichte gar nicht mal uninteressant, insbesondere wenn man ihr Alter berücksichtigt, aber insgesamt ist das heute nicht mehr lesenswert.
Ich könnte mir vorstellen, dass Campbell mehr aufgrund seiner Verdienste als Verleger in die Anthologie gewählt wurde, als aufgrund der Qualität dieser Geschichte.
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Catalpa
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Catalpa »

Ich habe die Geschichte gerade beendet und schildere einfach mal ein paar Eindrücke direkt nach dem Lesen. (Aufgeschrieben bevor ich gelesen habe, was ihr gepostet habt, wobei ich mir natürlich vor dem posten doch durchgelesen habe, was ihr geschrieben habt, und nun feststelle, dass wir über dieselben Dinge stolpern.)

Zum Aufbau:
Es gibt einen namenlosen Ich-Erzähler, der den Leser direkt anspricht und von seinem Gespräch mit einem Bekannten berichtet, der ihm von seiner Begegnung mit einem Zeitreisenden erzählt, welcher ihm seine Erlebnisse in der fernen Zukunft schildert.
Das ist schon ein wenig von hinten durch die Brust ins Auge, funktioniert aber doch ganz gut und ist natürlich die alte Masche, wonach uns der Autor eine phantastische Begebenheit nicht direkt präsentiert, sondern lieber einen Bericht aus zweiter oder dritter Hand liefert und somit die Frage nach der Glaubwürdigkeit geschickt an eine oder mehrere seiner Figuren weitergibt.

Zur Handlung:
Es gibt eigentlich keine Handlung. Ein Zeitreisender schildert seine Eindrücke von der Zukunft. Er reist herum, sieht sich alles an und reist anschließend wieder zurück. Es gibt keine dramatischen Ereignisse, keine Gefahrenmomente. Die Begegnung mit den letzten noch lebenden Menschen verläuft völlig undramatisch. Wie die Kommunikation überhaupt zustande kommt, nachdem sie eigentlich keine gemeinsame Sprache mehr haben, ist mir irgendwie entgangen.

Zur Stimmung:
Geschildert wird eine Menschheit die sich überlebt hat. Sie hat ihren Antrieb (ihre „Neugierde“) verloren und geht trotz überragender Intelligenz zugrunde. Insgesamt ist die Geschichte sehr melancholisch, fast schon deprimierend. Als einziger Ausweg steht am Ende die Idee, dass vielleicht eine Maschine geschaffen werden kann, die den Menschen ersetzt (eine „neugierige“ Maschine).

Fazit:
Im Vergleich mit der „Mars-Odyssee“ ist „Abenddämmerung“ sicherlich die intellektuellere, erwachsenere Erzählung. Sie bleibt jedoch etwas steril. An der Geschichte von Weinbaum hatte ich jedenfalls wesentlich mehr Spaß.
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Ender
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Ender »

Weiter geht's dann mit: Lester del Rey - "Helena"

Vorschlag: Bis Sonntag, 12.06., wird gelesen.
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Teddy
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Geht klar. Bis zum 12.6. sollte kein Problem sein, da die Geschichte recht kurz ist.

Die Geschichte ist auch für alle interessant, die an den aktuellen Entwicklungen der SF interessiert sind: Ist diese Geschichte sexistisch? Oder genau das, was der "wahre" SF-Leser haben will? Eine Kurzgeschichte gelesen und schon kann man mitreden... :wink:
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Teddy
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Teddy »

"Helena" von Lester del Rey

Kleine Geschichte um einen weiblichen Roboter, der Gefühle entwickelt, die schließlich erwiedert werden, was zu einem Happy End führt.
Auch dieser Geschichte merkt man ihr Alter deutlich an: Sei es, dass man bevorzugt in "Sterofilme" geht oder zu Hause im "Stereoapparat" ansieht (Stereo war wohl 1938 der letzte Schrei), auch die rein mechanische Vorstellung der Roboter oder der Wissenschaftler als Einzelkämpfer (geht schon Richtung Mad Scientist) deuten deutlich auf das Alter der Geschichte hin. Vom Frauenbild ("...ihre Begabung, gut zu kochen und ein Heim gemütlich zu machen...") sollte man besser ganz schweigen.
Aus historischer Sicht macht es durchaus Spaß die Geschichte zu lesen, also mit der Überlegung, wie die Leute sich damals die Zukunft vorgestellt haben. Gesellschaftlich alles beim Alten plus neue Technik. Ansonsten kann man die Geschichte eigentlich nicht mehr ernst nehmen.
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Ender »

...wobei ich hinsichtlich des vermittelten Frauenbildes vielleicht nicht ganz so streng wäre.
Ja, es wird besonders darauf hingewiesen und lobend erwähnt, dass der (weibliche) Haushaltsroboter sehr gut kochen und den Haushalt führen kann. Aber schließlich war das ja auch der ursprüngliche Zweck, zu dem er/sie konstruiert wurde. Eine mechanische Haushaltshilfe, die intelligent ist und daher eigene Entscheidungen treffen kann.
Dass man ihr eine weibliche Gestalt gegeben hat... gut, das mag mit einem entspechenden Frauenbild zusammenhängen.
(Obwohl: Ich würd's vielleicht auch so machen :wink:. Und sei es, weil ich einfach lieber mit einer Frau zusammenwohne als mit einem Mann. Ist mein Frauenbild deswegen antiquiert? Hmmm.)
Und dass sie sich dann verliebt - und ihr Erbauer umgekehrt auch in sie - wirkt dann etwas naiv aber irgendwie ja auch liebenswert. Ich stelle mal die These auf: In den meisten heutigen Storys wäre sie in dieser Situation vermutlich eher zu einem Sexspielzeug degradiert worden (was dann noch viel sexistischer wäre). Da ist mir diese altmodische Lösung ehrlich gesagt wesentlich lieber.

Aber insgesamt gebe ich dir natürlich Recht: die Geschichte ist ganz amüsant, aber weder innovatives Meisterwerk noch aktuell gebliebene Gesellschaftsstudie.
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Catalpa
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Catalpa »

Beim Lesen fand ich die Story eigentlich ganz nett und angenehm kurz gehalten. Wenn ich jetzt aber darüber nachdenke, fängt sie an mich ziemlich zu nerven. Ich finde, die Geschichte vermittelt nicht nur ein antiquiertes Frauenbild, sondern zeichnet auch ein seltsames Bild von der Liebe.
  • Zunächst sind die beiden Hauptfiguren Dave und Phil mit Zwillingen liiert über die es heißt: „Ich glaube, wenn es nicht zum Streit gekommen wäre, hätten wir die Zwillinge irgendwann geheiratet.“ Man zerstreitet sich aber über das Fernsehprogramm.
  • Später wird Phil als Arzt zu einer reichen Frau gerufen, um deren Sohn mit einer Hormonbehandlung von seiner Verliebtheit in ein Dienstmädchen zu heilen.
  • Am Ende seines Lebens bedauert Phil nie geheiratet und eine Familie gegründet zu haben. Was daran liegt, dass es „nur eine Helena K2W88 gegeben“ hat. Er hat sich also ebenfalls in den Roboter verliebt und konnte sich danach offenbar für keine Frau aus Fleisch und Blut mehr begeistern.
Wir sehen also: Die Liebe zu einem echten Menschen führt nur zu Streit und Problemen. Ein Roboter jedoch, noch dazu einer, der hinreißend aussieht, großartig kocht und den Haushalt führt und weitestgehend tut, was man ihm sagt, solange man nur seine anhängliche Liebe erwidert, verspricht eine lange und glückliche Beziehung. Und wenn der Mensch stirbt begeht der Roboter Suizid und lässt sich mit einäschern.
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Ender
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Ender »

Und wieder fällt mein Urteil nicht ganz so streng aus.
Zu 1.) Wer weiß, wie oft sowas in der Realität vorkommt. Trennungen aus völlig banalen Gründen sind wahrscheinlich nicht so unrealistisch
Zu 2.) Die Ansicht, Verliebtheit, sexuelle Neigungen, Orientierungen o.ä. "heilen" zu können, war in der damaligen Zeit ja durchaus verbreitet. Heute würden wir es eher als, nun ja, Science Fiction bezeichnen
Zu 3.) Ich glaube nicht, dass er sie liebt, WEIL sie ein Roboter ist. Es spielt nur keine Rolle (mehr) für ihn. Völlig vorurteilsfrei, sozusagen. Das ist doch sehr sympathisch :-P
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Catalpa
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Catalpa »

Mir ging es vor allem darum, dass del Rey in seiner Story Schwierigkeiten herkömmlicher Liebesbeziehungen zwischen Menschen (Streit über banale Dinge, die Liebe zu einer nicht standesgemäßen Person) einer idealisierten Beziehung zu einem Roboter gegenüberstellt. Und ich glaube nicht, dass Phil vorurteilsfrei ist, sondern eher, dass in seinen Augen keine echte Frau mehr an die ideale Hausfrau Helena heranreicht.
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Ender »

Kann man so sehen, das stimmt schon. Demnach käme die Liebe (ganz allgemein) hier nicht besonders gut weg.
Die Frage ist dabei aber auch, wie todernst del Rey seine Geschichte selbst gemeint hat. Altmodische Ansichten hin oder her - ich habe trotzdem den Eindruck, dass sie durchaus mit einem leichten Augenzwinkern verfasst wurde.

Ein weiteres Element dieser Geschichte haben wir bisher noch gar nicht erwähnt: Medienkritik! Womit in diesem Fall die Unterhaltungsmedien gemeint sind.
Denn es wird ja beschrieben, dass sich Helena ihre Ansichten und Verhaltensmuster nach ausgiebigem Konsum von schwülstigen Liebesfilmen und romantischen Kitschromanen angeeignet hat. Darin wurden ihr, die - als "leeres Blatt" sozusagen -völlig unbedarft und unwissend mit der menschlichen Gesellschaft konfrontiert wird, eben genau diese Art der Rollenverteilung und Klischees vermittelt.
(Nebenbei bemerkt: Wenn del Rey das flache Niveau und das Vermitteln schlichter Rollenbilder in Fernsehprogramm und Unterhaltungsliteratur schon in den 1930er Jahren kritisch beurteilt hat, was würde er erst heute dazu sagen?)

Ist die Geschichte vielleicht am Ende gar nicht so altmodisch, sondern - im Gegenteil - prangert sie genau diese Sichtweise an? :kopfkratz:
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Re: Lesezirkel: Kurzgeschichten-Klassiker

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Catalpa hat geschrieben: Wir sehen also: Die Liebe zu einem echten Menschen führt nur zu Streit und Problemen. Ein Roboter jedoch, noch dazu einer, der hinreißend aussieht, großartig kocht und den Haushalt führt und weitestgehend tut, was man ihm sagt, solange man nur seine anhängliche Liebe erwidert, verspricht eine lange und glückliche Beziehung.
Wobei das wahrscheinlich eine Geschichte ergeben würde: Wie viele Menschen leben denn in unglücklichen Beziehungen? Was wäre denn wirklich, wenn es Ehepartner-Roboter (für Frauen und Männer) gäbe, die jeden Wunsch erfüllen? Wäre das eine Lösung für einen Teil der Menschen? Welche neuen Probleme ergäben sich? Ich denke, daraus kann man die ein oder andere Geschichte machen. Hat del Rey aber nicht.
Ender hat geschrieben: In den meisten heutigen Storys wäre sie in dieser Situation vermutlich eher zu einem Sexspielzeug degradiert worden (was dann noch viel sexistischer wäre).
Wenn ich mal Helena zitieren darf: "Ich bin so konstruiert, daß ich einer richtigen Frau in jeder Weise gleiche… Ich könnte ihm zwar keine Kinder schenken, aber ich wäre sonst in jeder Hinsicht…"
Mehr Sexspielzeug ging 1938 nicht. :wink:
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