In zwei Tagen ausgelesen:
Dave Eggers - "Der Circle"
Ich denke, der Roman sollte den meisten Forumsmitgliedern hinreichend bekannt sein. Ging ja schließlich ziemlich breit durch die Presse.
Der "Circle" ist die dystopische Weiterprojezierung eines Zusammenschlusses von Facebook, Twitter, Google, Amazon und diverser weiterer Social-Media-Plattformen zu einem gewaltigen allgegenwärtigen Konzern namens "Circle".
Vorne auf dem Buch steht Roman. In vielen Besprechungen stand häufig das Wort "Thriller". Ist "Der Circle" ein guter Thriller? Nein, ist er nicht. Jenseits der Protagonistin sind alle Personen schablonenhaft. Der Spannungsbogen ist bestenfalls mittelmäßig und der Handlungsverlauf wenig originell. Als Thriller würde dieser Roman bei mir durchfallen. Aber das Buch soll auch gar kein Thriller sein. Dave Eggers verpackt hier die Heilsversprechen der Social-Media-Anhänger und die Befürchtungen der Internet- und Social-Media-Kritiker mit einer Reihe wissenschaftlicher Beobachtungen in einen Roman, der in weiten Teilen auch als kontroverses Sachbuch hätte formuliert werden können. Und das macht er nicht ungeschickt, wobei sehr schnell klar wird, dass seine eigenen Sympathien bei den Kritikern der Allgegenwart von Social-Media und Internet liegen.
Nichts von dem, was er schreibt, dürfte für den erfahrenen SF-Leser wirklich neu sein. Aspekte hat man bei Cory Doctorow, Thore D. Hansen, Marc Elsberg und Daniel Suarez u. a. schon gelesen. Allerdings schafft Eggers es, die Vielfalt der positiven und negativen Aspekte der Weiterentwicklung und Konzentration von Social-Media-Unternehmen beängstigend gut einzufangen.
Die Entwicklung der Protagonistin Mae Holland wird durchaus differenziert dargestellt, nur hier und da etwas dick aufgetragen. Die Schablonenhaftigkeit der anderen Personen ist imho gewollt. Insbesondere am Anfang des Roman hat mich deren Verhalten und Sprachduktus stark an Berichte von Sektenmitgliedern erinnert; das typische Arbeiten mit unterschwelligen Botschaften, das Adressieren des schlechten Gewissens und die scheinbare Gemeinschaft aller Sektenmitglieder (hier: Circler). Das hat Eggers gut antizipiert.
Der zweite Punkt, den er durch den ganzen Roman hinweg klar herausgearbeitet hat, ist folgender: Alles geschieht nur zu unserem besten. Und wir wollen doch alle eine Welt ohne Verbrechen und Gewalt, in der alle Menschen friedlich miteinander leben können, nicht wahr?!! Dieser Impetus, der, wie jeder nachlesen kann, von Marc Zuckerberg, Eric Schmidt, Jeff Bezos und vielen anderen Aushängeschildern der großen Internetunternehmen gerne vertreten wird, wird von Eggers gründlich aufgearbeitet. Insofern ist der Handlungsverlauf konsistent und letztlich auch der Schluß ziemlich konsequent.
Wenn man "Der Circle" nicht als Thriller liest, sondern als gut durchdachte Warnung vor den Verheißungen mancher Internet-Unternehmen, ist es definitiv ein lesenswertes Buch.
8 von 10 Kronleuchtern aus Geweih
meint
Lensman