ich bin vor kurzem über einen Bücher-Podcast auf das SF-Magazin "Kapsel" aufmerksam geworden. Das Magazin ist auch in diesem Forum bereits kurz zur Sprache gekommen, allerdings in einem Thread zum Thema "Unterbewertete Autoren", wo es inhaltlich nicht weiter diskutiert wurde.
Ich habe mir die letzte Ausgabe mit dem Titel "Träume" für 20 Euro (!) gegönnt, weil ich SF-Stories aus anderen Kulturkreisen (im Fall von "Kapsel" ist es China) höchst spannend finde. Außerdem konzentriert sich diese Ausgabe auf utopisch angelegte Zukunftsvisionen, was ich als Dystopie-Liebhaberin eine schöne Abwechslung finde

Ich bin noch nicht mit allen vier Geschichten durch, war aber beim Durchblättern bereits etwas enttäuscht, dass von den vier Geschichten nur zwei von chinesischen Autoren sind. Die Texte der beiden deutschen Autoren lese ich als "weltumspannend", mir erschließt sich kein besonderer Bezug zu China im speziellen oder Asien im allgemeinen. Linguisten könnte die Übersetzung reizen, ich selbst beherrsche die chinesische Sprache nicht.
Die Kurzgeschichte "Utopie der wahren Liebe" von Baoshu/Li Jun spielt mit Raum- und Zeitsprüngen des Protagonisten, der zwischen Virtual Reality und Reallife die Partnerin fürs Leben sucht. Der Text hat mich sprachlich nicht mitgerissen, aber das Ende kitzelte die Erinnerung an "Inception" wach.
Der Text "Wir häufen Erde auf - aus den Archiven der Sozial-Ökologischen Revolution" von Tim Holland ist ein Auszug aus einem längeren Science-Fiction-Versepos. "wir planschen strategisch bei wachsenden ewigkeitskosten, kosen motten, akazien, quasi mimosen, eichhörnchen, farn, der langsam seine faust öffnet. erinnerung entknittert auch bei uns schwimmhäute..." Ich persönlich würde den Schreibstil "eklektisch" nennen, eine Aneinanderreihung von Gedanken (ob utopisch oder doch eher mit dystopischem Unterton sei mal dahingestellt). Dazu fand ich leider wenig Zugang. Da ist mir die düstere Naturlyrik von Marion Poschmann (z.B. "Nimbus") lieber, auch wenn sie in der Buchhandlung nicht bei Science Fiction einsortiert würde.

Fazit bis hierhin: Die Idee hinter "Kapsel" finde ich sehr ansprechend, weil Impulse aus anderen Kulturkreisen sowohl hinsichtlich "Science" als auch "Fiction" die eigene Phantasie anregen. Die Umsetzung ist allerdings nur mäßig gelungen. Ich werde mich zukünftig auf den Podcast beschränken und die 10 bis 20 Euro, die jede Print-Ausgabe kostet, lieber in eine Buchneuerscheinung investieren.
