Zweite Kategorie: Ein Roman aus dem neu aufgelegten Phantastik-Programm des Panini Verlags
Ada Palmer - Dem Blitz zu nah
Oben im Thread kam die Frage auf, ob dieser Roman ein Jugendbuch wäre. Das Gegenteil ist der Fall.
Dem Blitz zu nah ist definitiv nichts für jugendliche Leser: Anspruchsvolle Sprache, komplexe Handlung, viel Philosophie, viele literarische Anspielung und nicht zuletzt gelegentlich auch Sex & Crime, wobei mit Crime recht widerliche Folter gemeint ist, die aber zum Glück nicht explizit dargestellt wird.
Der Roman schildert einige bedeutende Tage des 25. Jahrhunderts, die zu einer fundamentalen Neuorientierung der Welt führen werden. (Ist noch nicht richtig klar, da dies erst der erste von vier Bänden ist.) Verfasst wird der Bericht für die Leser der Zukunft von einem der Beteiligten, einem verurteilten Verbrecher, der einen lebenslangen Sozialdienst ableisten muss und ob seiner Fähigkeiten von den mächtigsten Menschen seiner Zeit häufig für verschiedene Aufgaben eingesetzt wird. Bei diesem Erzähler, gleichzeitig hochintelligent und Schwerverbrecher, weiß man nie genau, was eigentlich seine eigenen Ziele sind, sodass er in Sachen unzuverlässiger Erzähler Oskar Matzerath und Severian locker das Wasser reichen kann.
Ein dickes Plus des Romans ist sein Weltenbau: Es gibt keine Nationalstaaten mehr, sondern
Hives, denen man sich als Erwachsener je nach politischen Ansichten und Interessen anschließen kann. Auch die Familie wurde von
Bashes, eines größeren Verbundes befreundeter und verwandter Menschen, abgelöst. Religion ist absolute Privatsache, schon mehr als zwei Menschen, die über Religion reden gelten als Kirche und die sind verboten. (Trotzdem spielt Religion, wie häufig bei amerikanischen Autoren, eine große Rolle.)
Die Handlung kommt nur langsam in Fahrt: Ein geheimes Dokument wurde gestohlen und in dem Bash, der den weltweiten Verkehr steuert, deponiert. Trotz der scheinbaren Bagatelle mischen sich sofort verschiedene Regierungsmitglieder der Hives in diesen Fall ein und langsam wird eine recht große Verschwörung sichtbar.
Und dann ist das Buch plötzlich zu Ende. Ich hatte fälschlicherweise angenommen, dass die vier Bände der Serie so halbwegs in sich abgeschlossen wären. Offenbar bilden aber aber die Teile 1 und 2, sowie die Teile 3 und 4 jeweils eine Einheit.
Fazit: Das Buch ist vom Weltenbau, aber auch sprachlich etwas Besonderes. Ein Pageturner ist es deshalb trotzdem nicht. Die politischen Verwicklungen, die Vielzahl an Figuren und die philosophischen Hintergründe verlangen schon einiges an Konzentration. Mir war der Erzählstil auch immer mal wieder zu oberschlau. Trotzdem werde ich auch jeden Fall den zweiten Teil lesen. Insgesamt ein empfehlenswertes Buch, aber sicher nicht für jedermensch.
Damit bin ich fertig mit der Lesechallenge 2022.
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