Melde Vollzug für
Kategorie 1: ein im Original deutschsprachiger Roman, der im Eigenverlag (aka Selfpublishing) veröffentlicht wurde
Mein Take:
Caroline Hofstätter - "Findungstag"
Im Wien des Jahres 2095 herrschen die KIs der Firma Concordia Vindobona. Sie kümmern sich darum, dass es den Menschen gut geht. Deshalb sind nicht nur sämtliche Drogen wie Alkohol und Nikotin, sondern auch Süßigkeiten verboten. Über MyComs, Datenübertragungsgeräte, die am Handgelenk getragen werden und mit der Haut des Trägers verschmelzen, werden die Bewohner Wiens wohlwollend, aber auch permanent überwacht.
Evergreen hat es irgendwie geschafft, sich aus der Überwachung zu befreien. Doch seitdem arbeitet sich als Bonbondealer für den Drogendealer Lexxe, der ihr eine Fake-Identität als 86jährige Anna Berger besorgt hat. Einer ihrer Kunden ist Vinzent, ein 96jähriger Informatiker, der wesentliche Beiträge zur Programmierung der Concordia-KIs geleistet hat. Aber ebenso wie Eve hat er seine Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Produkte.
Nach etwa zwei Dritteln des Buches erfahren wir den Grund dafür.
Ein großartiges, interessantes Setting, auf das ich mich im großen und ganzen gern eingelassen habe. Ich habe die 300+ Seiten in knapp drei Werktagen verschlungen und war total gebannt. Vor allem, weil Caroline einfach über einen sehr ansprechenden und lesbaren Schreibstil verfügt. Zudem hält sie über das gesamte Buch einen straffen Spannungsbogen; das Lesy will stets wissen, wie es weitergeht. Anna/Eve ist eine sympathische junge Frau, der übel mitgespielt wurde und die sich für ihre Freiheit sogar mit einer herrschenden KI anlegt. Man kann sich gut mit ihr identifizieren und mit ihr mitfühlen.
Auch die Nebenfiguren empfand ich interessant charakterisiert: Vinzent, der Informatiker, der seiner eigenen KI nicht mehr traut und selbst auch subversiv unterwegs ist - und sei es nur, weil er sich von Anna mit Süßigkeiten beliefern lässt, Forest, ein Gamer, der mit Eves Hilfe eine hohe Platzierung in "THE GAME" erzielen will, ein Spiel, das auf dem zu terraformenden Mars spielt, und Florent, Vinzen' genoptimierter Enkel, der menschlicher und weniger arrogant zu sein scheint, als Eves Vorurteile nahelegen. Der Verbrecherboss Lexxe schrammt ziemlich nahe am Klischee. Allerdings hat mich die Tatsache, dass er seinen Zuckerrüben- und Drogenanbau als in Renovierung begriffenes Landwirtschaftsmuseum betreibt und sich dort altmodischer Anbaumethoden bedient, doch etwas überrascht.
Etwas verwundert haben mich allerdings die eingeschränkten Fähigkeiten der Gesichtserkennung insbesondere von Polizeidrohnen (ich weiß, die entsprachen dem Rang von Streifenpolizisten, aber auch die hätten erkannt, dass die 18- oder 19jährige Eve keinesfalls die 86 Jahre alte Anna Berger sein konnte). Während Forest ein wichtiger Akteur ist, weil er Eve bei ihren illegalen Aktionen unterstützt, hat sich mir Florents Rolle nicht vollständig erschlossen. Will er wirklich nur seinen Großvater nach bestem Wissen betreuen oder hat er eine eigene Agenda? Ist er Annas love interest? Bislang hatte er vor allem die Funktion, Anna möglichst viel Zeit zu stehlen, weil Vinzent wollte, dass sie sich um ihn kümmert.
Aber die Kritikpunkte sind wirklich nur marginal. Insgesamt ist "Findungstag" ein spannender, kurzweiliger Roman, der uns in ein von einer KI beherrschtes Wien der Zukunft führt. Und das Lesy nicht wieder rauslässt. Am Ende wird klar, dass "Findungstag" nicht abgeschlossen ist, auch wenn es an einer wichtigen Zäsur endet. Ich vermute, dass viele offene Fragen, vor allem die um Florent, im zweiten Band "Der allerletzte Tag" beantwortet werden. Wie gut, dass ich mir den bereits von Caroline besorgt habe.
Gruß
Ralf,
freut sich über den gelungenen Einstand in die Challenge
[X] Eigenverlag, original deutschsprachig,| Caroline Hofstätter - Findungstag
[ ] Erster Teil einer Reihe|
[ ] KLP-Sieger "Bestes ausländisches Werk" |
[ ] Nachname mit "C"|
[ ] runder Geburtstag |
[ ] Buchtitel ZWEI Worte|
[ ] 3. Runde "Phantastik Buchweltmeisterschaft 2023"|