Frank Schätzing - sein Werk und Wirken
Natürlich erinnert man sich. Genauso wie an Sakrileg oder andere Renner.
Schließlich ist Jurassic Park auch schon ein paar Jahre her, oder Der Andromeda Nebel - auch der war von Crichton, und Crichton wird immer noch gelesen. Und spätestens, wenn jemand das neuest Buch geil findet, will er die anderen auch lesen. Bei Schätzing übrigens mit LAUTLOS so.
Schließlich ist Jurassic Park auch schon ein paar Jahre her, oder Der Andromeda Nebel - auch der war von Crichton, und Crichton wird immer noch gelesen. Und spätestens, wenn jemand das neuest Buch geil findet, will er die anderen auch lesen. Bei Schätzing übrigens mit LAUTLOS so.
@Fastjack: Trotz meiner 39 Lenze zähle ich mich noch nicht zum alten Eisen(obwohl man ja nach Ansicht eines Politikers aus dem Schwabenland -seltsamerweise viel älter!- mit 40 verbraucht, alt, klapprig und demzufolge reif für eine Gehaltskürzung bzw die Kiste ist. Naja, ich werde es ja nächstes Jahr erleben, wenn ich ins Halbleben eintrete; vielleicht fängt ja dann meine Lebensuhr rot zu blinken an und die Sandmänner rücken mir auf die PelleFastjack hat geschrieben: Wie ich schon geschrieben habe : Es mag ja durchaus sein, das schon Autoren gleiche geschrieben haben, aber wie so viele gerät sowas sehr sehr schnell in Vergessenheit.
Mir fällt halt nur auf das viele Leute der "älteren" Generation (fühl dich nicht persönlich angesprochen) gerne rumnörgeln, das es das ja alles schon gab und das eh nur geklaut ist.
Ich seh es lieber so, das es jemand geschafft hat, ein Thema das vor einiger Zeit kaum jemand interessiert hat, so neu zu interpretieren das es eine große Masse anspricht und sie für dieses Thema sensibilisiert.

Aber zurück zum Thema:
Du schreibst, das Crichton ein Thema neu interpretiert hat und dieses(Klonen von Sauriern) seitdem zumindest theoretisch möglich wäre.
Das ist aber nicht zutreffend:
" Wir behaupten nicht, daß es im echten Mesozoikum jemals eine solche Mischung der Fauna gegeben hat, wie ich sie heute gesehen habe: Stegosaurier und Korythosaurier Seite an Seite, ein Triceratops, der wütend einen Brachiosaurus anfunkelt, und Struthiomimus als Zeitgenosse des Iguanodon, kurz, ein wildes, unwissenschaftliches Durcheinander von Trias, Jura und Kreide, hundert Millionen Jahre des Dinosaurierreiches zusammengekratzt. Aber wir nehmen, was wir bekommen können. Bei der Rekonstruktion im Olsen-Verfahren benötigt man genügend fossile DNS, um die Computersynthese durchführen zu können, und die haben wir bis jetzt nur in etwa zwanzig Arten finden können. Es ist ein Wunder, daß wir überhaupt soviel zustande gebracht haben: Wir haben das komplette DNS-Molekül aus bruchstückhaften und vagen genetischen Informationen, die Millionen Jahre alt sind, nachgebaut; wir haben die komplizierten Implantationen in reptilische Wirtseier durchgeführt; wir haben die Embryos durchgebracht, bis sie sich selber erhalten konnten. Das einzige Wort, das hier paßt, ist wunderbar. Wenn unsere Dinos aus Perioden kommen, die Millionen Jahre auseinanderliegen - in Ordnung. Wir tun unser Bestes. Wenn wir keinen Pterosaurus haben und keinen Allosaurus, keinen Archäopteryx-in Ordnung. Vielleicht kriegen wir sie noch. Das, was wir schon haben, ist reichlich genug, um damit zu arbeiten. "
Klingt doch bekannt, oder? Dann werden noch die Schwierigkeiten geschildert, die passende Dinovegetation zu kreieren; die neugeschaffenen Dinos werden aus Sicherheitsgründen zu einer ausbruchsicheren Insel gebracht; es kommt zum Streit zwischen den Forschern, ob man Touristenbesuche zulassen sollte; und am Ende rücken die Biester doch aus...
Stammt aber nicht aus Crichtons Feder, sondern aus der preisgekrönten Story "Unsere Liebe Frau von den Sauriern"(Our Lady of the Sauropods), erstmals in OMNI 1980 erschienen(deutsch 1981 in Kopernikus 4 von H.J. Alpers). Der Unterschied zum Buch besteht darin, das die "Insel" eine Raumstation in einem Lagrange 5 - Orbit um die Erde ist, die man für absolut ausbruchsicher und ungefährlich für die Menschheit hält; allerdings weiß man über die Dinos nur über Fossilfunde Bescheid und unterschätzt sie demzufolge vollkommen...
Diese Idee des Klonen von Dinos geistert seit den 70ern durch die SF, z.b. in Kurzgeschichten von George R.R. Martin und dem schon erwähnten Harrison. Ein paar Jahre später nach Silverberg (1984) erscheint dann auch ein Roman zum Thema, nämlich "Carnosaur" von Harry Adam Knight(John Brosnan). Ironischerweise hatte der auf Schnellschüsse spezialisierte Filmproduzent Roger Corman dieses Buch als literarische Vorlage gekauft, um im Getöse vor "Jurassic Park" dann darauf basierend noch schnell ein Filmchen herunterzukurbeln und dieses vor Spielberg in die Kinos zu bringen.
Zeitgleich(wahrscheinlich schon früher) taucht das Thema auch in der spekulativen Wissenschaft auf und wird immer wieder aufgewärmt, von "in Vergessenheit geraten" kann man nicht sprechen.
Los ging es mit der Idee, "Quaggas"(eine im 19. Jahrhundert ausgerottete Zebraart) aus DNA-Resten -gefunden in konservierten Tierkörpern- wiedererstehen zu lassen; das gleiche plante man dann mit Beutelwölfen, Moas etc., um dann auf ausgestorbene Tiere zu verfallen. Angefangen bei Mammuts, Wollnashörnern, Säbelzahnkatzen hin schließlich zu den Dinosauriern:
" Ich begann mich erstmals 1977 mit Bernstein zu befassen. Damals wurde ich von dem Päläontologen Gerard R. Case nach Sayreville im US-Bundesstaat New Jersey eingeladen. Er hatte dort die Überreste eines 95 Millionen Jahre alten Sees sowie eines Waldes entdeckt. Bei den Grabungen stieß Case zunächst auf einen Bernsteinklumpen, in dem eine Fliege von der Familie der Ceratopogonidae eingeschlossen war. Ein Jahr später entdeckten wir eine unbekannte Fliegenart. Die Untersuchung des Insekts ergab, daß es sich vom Fleisch anderer Tiere ernährt hatte.
Wenig später arbeitete ich an Bernsteinfunden aus der Dominikanischen Republik. Sie stammten aus jüngerer Zeit als jene, die wir in New Jersey gefunden hatten. Die Muskeln dieser Fliegen sowie ihr Verdauungstrakt waren bis ins kleinste Detail erhalten geblieben.
Meine Kollegen George O. Poinar und Roberta Hess -Anmerkung: Auf diese beiden geht Crichton in seinem Nachwort zu "Jurassic Park" kurz ein- von der Berkeley University stießen kurz danach auf ein in Bernstein eingeschlossenes Insekt, dessen Zellen ebenfalls völlig intakt waren. Die beiden Forscher kamen zu dem Schluß, daß sich damit auch die DNS noch vervielfältigen könnte. Entsprechende Versuche scheiterten jedoch bislang.
Noch ist die Wissenschaft nicht soweit, solche fossile DNS so aus den Zellen herauszubekommen, daß sie funktionsfähig bleibt. In ungefähr drei Jahrzehnten werden wir soweit sein, die DNS aus den Fliegenmägen "lesen" zu können. Mit etwas Glück werden wir dann auch Blut-und andere Körperzellen von Dinosauriern finden. Eines Tages werden wir dann vielleicht den genetischen Code von Kreaturen kennen, die wir bisher nur anhand von Knochenresten und versteinerten Fußspuren identifizieren können. Falls Passagen aus dem Gen-Code verlorengegangen sein sollten, ließen sie sich vielleicht anhand der Gen-Sequenzen heute lebender Tiere rekonstruieren. Die fertige DNS würde dann in Form von Chromosomen in einen Zellkern gebracht, mit Dotter und einer Eischale versehen, und schließlich könnte der neu entstandene Dinosaurier ausgebrütet werden.
Selbst wenn der erhaltene Anteil der DNS zu klein wäre, um einen ganzen Dinosaurier zu rekonstruieren, würde er die Wissenschaft über Jahre hinaus beschäftigen. Wir würden endlich erfahren, wie ihr Herz, ihre Lunge und ihr Immunsystem funktionierten und womöglich auch, warum sie ausgestorben sind. "
So Charles R. Pellegrino in seinem Artikel "Gen-Bank im Bernstein(S.91-92, OMNI Nr.2, 1985), eine reichlich optimistische Sichtweise, die in der Ausgabe Nr.4 ebenfalls aus dem Jahr 1985 auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde("Keine Haus-Dinosaurier", S.14, Zitat:"Beim gegenwärtigen Erkenntnisstand der Forschung erscheint es dem Entwicklungsbiologen als nicht möglich, eine ausgestorbene Art wieder zu schaffen; auch dann nicht, wenn er ihre gesamte Erbsubstanz im Reagenzglas hätte.").
Lange Rede, kurzer Sinn: Crichton hat ein gutes Buch geschrieben, aber keinesfalls etwas neues entwickelt, schon gar nicht eine neue theoretische Möglichkeit aufgezeigt, wie es in Wirklichkeit einmal sein könnte; diese Idee hatten vor ihm bereits etliche andere.
Genau das ist es ja ! Natürlich werden sich nicht viele dran erinnern. Bis irgendwann ein neuer Autor die Idee wieder aufgreift und bis auf ein paar Freaks in Internetforen, werden ne Menge Leute wieder an die Problematik erinnert und befassen sich mit der Thematik (falls bis dahin nicht tatsächlich was ähnliches passiert ist oder etwas getan wurde).Decius hat geschrieben: Glaubst du wirklich, dass sich in 10-15 Jahren noch jemand an "Der Schwarm" erinnern wird?
@Decius
Das ist alles schön und gut und auch ziemlich interessant. Doch ich verweise wieder auf meine Aussage oben. Das ganze mag dem ein oder anderen Freak schon seit Jahren bekannt gewesen sein, aber am Großteil der Menscheit ist es nunmal einfach vorbeigegangen oder er hat es vergessen. Crichton hat es neu aufgesetzt auch wenn die Theorie dahinter alt ist. Dennoch ist im halt etwas gelungen was all die anderen nicht geschafft haben : Er hat es so gut und spannend verpackt, das es eine ganze Menge Menschen begeistert und fasziniert hat. Und das macht für mich eben auch einen guten Autor aus und nicht denjenigen der vieleicht eine tolle super neue Idee hat aber diese nicht wirklich rüberbringen kann.
Ich für meinen Teil wusste eben nicht das, was du mir hier schön erzählt (oder copy und pasted

- Fastjack
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Ups, vergessen einzuloggen...das obere ist von mir und der zweite Absatz ging natürlich an Jorge und nicht an Decius...
Sorry für Verplantheit 8)
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Man muss das Experiment nur oft genug wiederholen!
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Der letzte Punkt ist das, worauf es eigentlich ankommt, und damit sind wir wieder bei Schätzing(und dem eigentlichen Thema) angekommen:Anonymous hat geschrieben:
Natürlich werden sich nicht viele dran erinnern.
Das ganze mag dem ein oder anderen schon seit Jahren bekannt gewesen sein, aber am Großteil der Menschheit ist es nunmal einfach vorbeigegangen oder er hat es vergessen.
Das ist aber leider das Blöde: Ich für meinen Teil finde es ziemlich ermüdend, wenn alle Jahre wieder mal ein kollektiver Orgasmus durch die Rüdesheimerfraktion der Menschheit geht, nur weil mal wieder etwas Altes als noch nie dagewesenes und neues angepriesen wird...dann vergehen ein paar Jährchen...und dann wiederholt es sich aufs neue![]()
Dennoch ist im halt etwas gelungen was all die anderen nicht geschafft haben : Er hat es so gut und spannend verpackt, das es eine ganze Menge Menschen begeistert und fasziniert hat.
Naja, anno dazumal ist es obigen aufgeführten schon gelungen, für Aufsehen zu sorgen. Nach der ersten Sensation ist das Interesse allerdings dann wieder verflogen...wie bei "Jurassic Park"
Es ist mir auch nicht so wichtig, den im Endeffekt hat Crichton mich darauf aufmerksam gemacht und mir ein schönes Buch geschenkt sowie eine interessante Materie mit der ich mich beschäftigen konnte.
Auch er hat ein gutes Buch geschrieben mit einer Thematik, mit der man sich gut beschäftigen kann(und von der vielleicht ja auch mal eine Verfilmung in die Kinos kommt -ich bitte mir allerdings aus, die Amerikaner so zu lassen, wie sie im Buch geschildert werden

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Da stimme ich zu. Wir SF-Fans beurteilen SF-Werke nach der Originalität, und kennen uns besser aus als die Nicht-Gerneleser. Letztendlich kommt es aber darauf an, was man aus einem Stoff, einer Idee macht. Schätzing hat die Idee einer ganz anderen Intelligenz in der Tiefsee sehr "massenkompatibel" umgesetzt. Und für die die große Masse war das neu.Fastjack hat geschrieben:
Und darum geht es. Es wird immer kopiert, geklaut und neu interpretiert werden. Sei es in Romanen, Liedern oder Theaterstücken....wichtig is halt für mich, das wenn es um wirklich wichtige Themen geht, die Probleme aufzeigen und die Leute an Dinge erinnern an die sie so nicht denken, das dann durchaus auch kopiert und neu interpretiert werden darf. Besser als das es ganz in Vergessenheit gerät. Mir fällt halt nur auf das viele Leute der "älteren" Generation (fühl dich nicht persönlich angesprochen) gerne rumnörgeln, das es das ja alles schon gab und das eh nur geklaut ist.
Ich seh es lieber so, das es jemand geschafft hat, ein Thema das vor einiger Zeit kaum jemand interessiert hat, so neu zu interpretieren das es eine große Masse anspricht und sie für dieses Thema sensibilisiert. Und ich denke das ist doch ne gute Sache
Durch die geplante Verfilmung wird der Roman oder zumindest die Idee noch lange in Erinnerung sein, es sei dem der Film ist schlecht oder ein großer Flop.
Und die Idee ist damit schon "verbraucht".
Aber ich bin zuversichtlich, irgendein cleverer Autor wird wieder eine SF-Idee aufgreifen und sie zur Grundlage eines Bestsellers machen.
MB
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Frank Schätzing der wahre SF-Autor? Ja natürlich, wer denn sonst?
Mal ehrlich, ich verstehe die ganze Aufregung in diesem Thread nicht. Ich habe den Schwarm so eben beendet (übrigens auf die Empfehlung eines Freundes, der Biologe ist und fasziniert war, wie Schätzing den Stoff der Meereesbiologie umgesetzt hat). Der ein oder andere, der sich hier geäußert hat, hätte das Buch vielleicht auch lesen sollen, das hätte dem Thread besser getan.
Also: Meiner Ansicht nach ist der Schwarm wesentlich besser als über 90 Prozent der SF-Literatur, die in den letzten drei Jahren in Deutschland erschienen ist. Hervorragend recherchierte Hard-SF im klassischen Sinne, auch die Figuren sind für einen Wissenschaftsroman gut beleuchtet. Da kommen amerikanische Hard-SF-Schreiber wie Bova, Benford oder Bear nicht mit (eine noch tiefere Figurenzeichnung ist bei einem so mit Wissenschaft vollgepakten Roman auch nicht wünschenswert).
Warum freuen wir uns nach dem ganzen Gejammer über den Niedergang der SF-Auflagenzahlen nicht einfach dadrüber, dass ein SF Roman solch einen Erfolg hat. Nun aber zur Kritik der Kritik:
Und: Ob das Thema vom "Schwarm" neu ist oder nicht ist doch eher von bibliographischem Interesse. Alle Bücher sind doch schon geschrieben, auch wirklich neue Musik gibt's nicht wirklich. Man muss nur lange genug suchen, dann findet sich auch ein Vorgänger in der Vergangenheit. Innovationen sind heute eher, um mit Schumpeter zu sprechen, "Neukombinationen von Produktionsfaktoren", d. h. altbekanntes wird im Lichte der Gegenwart neu zusammengemischt. Und genau das hat Schätzing unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert hinbekommen.
Mal ehrlich, ich verstehe die ganze Aufregung in diesem Thread nicht. Ich habe den Schwarm so eben beendet (übrigens auf die Empfehlung eines Freundes, der Biologe ist und fasziniert war, wie Schätzing den Stoff der Meereesbiologie umgesetzt hat). Der ein oder andere, der sich hier geäußert hat, hätte das Buch vielleicht auch lesen sollen, das hätte dem Thread besser getan.
Also: Meiner Ansicht nach ist der Schwarm wesentlich besser als über 90 Prozent der SF-Literatur, die in den letzten drei Jahren in Deutschland erschienen ist. Hervorragend recherchierte Hard-SF im klassischen Sinne, auch die Figuren sind für einen Wissenschaftsroman gut beleuchtet. Da kommen amerikanische Hard-SF-Schreiber wie Bova, Benford oder Bear nicht mit (eine noch tiefere Figurenzeichnung ist bei einem so mit Wissenschaft vollgepakten Roman auch nicht wünschenswert).
Warum freuen wir uns nach dem ganzen Gejammer über den Niedergang der SF-Auflagenzahlen nicht einfach dadrüber, dass ein SF Roman solch einen Erfolg hat. Nun aber zur Kritik der Kritik:
Deine Meinung sei Dir gelassen. Wir haben uns vielleicht noch nicht von der political correctness der achziger und neunziger erholt. Aber als Oberlehrerbuch mit erhobenem Zeigefinger kommt der Schwarm nun wirklich nicht daher. Ich jedenfalls freue mich, wenn es noch SF gibt, die bedenkliche Entwicklungen in die Zukunft fortschreibt. Der Schwarm war jedenfalls um ein vielfaches besser als das ganze Techno-Gababbel und der 95te Space Opera (-Serien) Aufguss, mit dem bspw. der Heyne-Verlag mich in den letzten Jahren belästigt.gernot1610 hat geschrieben:Außerdem sind Öko-Fiction mit Botschaft das allerletzte.
Ganz genau! Ich lese Romane wegen des Inhalts, nicht weil ich den Autoren oder die Autorin heiraten will!andy hat geschrieben:solange er bücher schreibt, die mir gefallen (und der schwarm hat mir sehr gefallen) ist es mir egal, ob ich ihn als mensch mag oder nicht.
Das stößt mir auch bitter auf, aber nur, weil es leider dem Zustand der SF (in Deutschland) verdammt nahe kommt. SF ist heute ein Ghetto, in den ein non-SF-Leser kaum noch eindringt. Das liegt hauptsächlich an den Themen (High-Tech und Space Opera) und an der Aufmachung, die außer SF-Fans kaum jemanden ansprechen. Schätzing legt doch den Finger auf genau die Wunde, die auch Kritiker immer wieder aufreißen: SF als kritisches Genre, das gesellschaftliche und naturwissenschafliche Entwicklungen fortschreibt und in einer Tradition wie "1984", "Brave new world" oder "Wir" von Samjatin auftritt, findet in Deutschland nicht mehr statt (sehr wohl im angloamerikanischen Sprachraum). Da ist es doch einfach nur positiv, wenn sich Romane wie "Eine Billion Dollar" oder "der Schwarm" gut verkaufen und das Gegenteil beweisen! Natürlich ist SF nicht NUR auf gesellschaftlich relevante Themen beschränkt, darum geht es IMHO auch gar nicht.Kringel hat geschrieben:Nun, aber wenn jemand behauptet, nur die von ihm geschriebene SF sei "wahre" SF (das entnehme ich jedenfalls dem ersten Posting), dann stößt einem das einfach bitter auf.
Sorry, aber diesen Vergleich halte ich für absolut polemisch. Jeder hat das Recht, ein bestimmtes Genre oder Subgenre der SF über andere zu stellen, auch als Autor. Das machen wir doch alle hier, in dem wir manches in den Himmel loben und anderes als grottenschlecht bezeichnen. Das führt weder zu Scientology, noch ins Dritte Reich. so was nennt man Meinungsfreiheit.StevesBaby hat geschrieben: Wie die "wahre" Lehre ausgenutzt werden kann, sieht man z. B. an Scientology. Ein SF-Author der durchgeknallt ist und massiv hirnamputierte Schäfchen die nachlaufen.
Das schöne an Schätzing sind doch seine Ecken und Kanten. An ihm kann man sich reiben. Ob diese Reibungsflächen Teil seiner Persönlichkeit sind oder zu Marketingzwecken nur aufgesetzt ist doch wurscht.StevesBaby hat geschrieben: Mein Gott, ich glaube, wir müssen mal eine Diskussion mit ihm anzetteln. Nicht zu fassen!
Und: Ob das Thema vom "Schwarm" neu ist oder nicht ist doch eher von bibliographischem Interesse. Alle Bücher sind doch schon geschrieben, auch wirklich neue Musik gibt's nicht wirklich. Man muss nur lange genug suchen, dann findet sich auch ein Vorgänger in der Vergangenheit. Innovationen sind heute eher, um mit Schumpeter zu sprechen, "Neukombinationen von Produktionsfaktoren", d. h. altbekanntes wird im Lichte der Gegenwart neu zusammengemischt. Und genau das hat Schätzing unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert hinbekommen.
Auch auf die Gefahr hin, daß einem purer Neid nachgesagt wird, kann ich's mir nicht
verkneifen, an dieser Stelle einige deutliche Einwände zu erheben. Keiner, der selber
schreibt, kann von sich weisen, daß er nicht auf die Kohle neidisch ist, die Schätzing mit
einem einzigen Buch gemacht hat; aber man mag mir glauben (oder auch nicht), daß es
hier um andere Dinge geht.
> Also: Meiner Ansicht nach ist der Schwarm wesentlich besser als über 90 Prozent der
> SF-Literatur, die in den letzten drei Jahren in Deutschland erschienen ist.
Und wesentlich schlechter als die top 10% deutscher SF, die im selben Zeitraum
erschienen sind. Schätzing mit Hammerschmitt oder Marrak zu vergleichen, die einen
großen kommerziellen Erfolg viel eher verdient hätten, ist schlechterdings ein Witz.
> Da kommen amerikanische Hard-SF-Schreiber wie Bova, Benford oder Bear nicht mit
> (eine noch tiefere Figurenzeichnung ist bei einem so mit Wissenschaft vollgepakten
> Roman auch nicht wünschenswert).
Ich frage mich, wo jemand seine Maßstäbe hernimmt, der Benford pauschal in einem
Atemzug mit Bova und Bear nennt, als gäbe es dazu nichts weiter zu sagen. Benfords
Abgleiten ins Kommerzielle hat mich enttäuscht, aber zumindest in der Anfangszeit hat er
gezeigt, daß ein Hard-SF-Autor keine Niete in Sachen Literatur sein muß. Wenn man den
Roman "Timescape" oder Kurzgeschichten wie "Exposures" liest, macht man die
erstaunliche Festellung, daß sich kultivierter Stil, ausgefeilte Charakterisierungen und
SF-Ideen durchaus unter einen Hut bringen lassen. Davon ist Schätzing nun wirklich
Welten entfernt.
> Das stößt mir auch bitter auf, aber nur, weil es leider dem Zustand der SF (in
> Deutschland) verdammt nahe kommt. SF ist heute ein Ghetto, in den ein non-SF-Leser
> kaum noch eindringt.
Ich muß offen gestehen, daß ich bei Massenerfolgen wie "Der Schwarm" immer
mißtrauisch werde, und nachdem ich im Buchhandel den einen oder anderen Blick in das
Buch geworfen habe, hat sich mein Mißtrauen voll und ganz bestätigt. Man kann "Der
Schwarm" an beliebiger Stelle aufschlagen und merkt sofort, daß Schätzing, außer den
kleinsten gemeinsamen Nenner des Massengeschmacks zu bedienen, überhaupt nichts
kann. Als Schriftsteller eine komplette Null, keine Individualität, kein Stil, kein Ausdruck,
keine Intensität, nichts als Hollywood-kompatible Massenware, wie sie von tausenden
anderen uninspirierten Kommerzschreibern auch fabriziert wird. Schätzing ist einfach
einer von denen, die sich an die Erfolgsrezepte amerikanischer Bestsellerautoren
angehängt haben und den schlechten Originalen noch schlechtere Nachäffungen
hinterherschießen. Ich kann's, offen gestanden, kaum ertragen, auch nur eine Seite von
solchem Zeug zu lesen - und angesichts der unzähligen lesenswerten Bücher, die's auf
der Welt gibt, halte ich's für glatte Zeitverschwendung.
Daß um einen solchen Autor derartiger Wirbel gemacht wird, ist überhaupt nur durch eine
völlige Desensibilisierung gegenüber Literatur und Sprache zu erklären, die immer weiter
um sich greift. Anzeichen dafür gibt es viele. Man muß nur ein wenig in den gängigen
SF-Foren lesen und kann nur staunen über Leute, die keine drei geraden Sätze auf die
Reihe bringen, aber mit Schaum vor dem Mund über Autoren wie M. John Harrison oder
Gene Wolfe herziehen. Das kommt mir oft so vor, wie wenn ein kleiner Junge auf einem
Dreirad einem Formel 1-Weltmeister erklären will, wie man auf dem Nürburgring
gewinnt.
Schätzing ist mit Sicherheit kein Autor, der die SF aus dem "Ghetto" führen könnte,
sondern im Gegenteil einer, der das Ghetto nur kurzfristig etwas über seine üblichen
Ausmaße hinaus aufbläst. Ich kann nichts Erfreuliches daran finden, wenn die Art billiger
Kommerzschreiberei, gegen die bessere SF-Autoren seit Jahrzehnten mühsam
anschreiben, durch einen aufgeblasenen Schinken wie "Der Schwarm" zu Bestseller-
ehren gelangt. Das "Ghetto", von dem hier die Rede ist, scheint mir auch eher ein
Problem der SF-Leser als der SF selbst zu sein. Wenn sich nur ein biißchen in der
zeitgenössischen Literatur umschaut , hätte mitbekommen müssen, daß die Science
Fiction längst aus Weg hinaus in die allgemeine Literatur ist. Es ist ja schon erfreulich,
wenn SF-Medien darauf aufmerksam werden, daß ein angesehener Literat wie Michel
Houellebecq regelmäßig SF schreibt, aber das ist nur die Spitze der Eisbergs.
Einige Beispiele: Einer der meistdiskutierten und einflußreichsten amerikanischen
Romane der letzten fünfzehn Jahre, "Infinite Jest" von David Foster Wallace, ist SF,
ohne daß es draufsteht (so wie vor ihm schon "Gravity's Rainbow" von Thomas
Pynchon). Einige der angesehensten jüngeren Autoren der USA - Jonathan Lethem,
Carter Scholz, John Crowley - haben in der SF angefangen und wäre ohne diese
Erfahrung nicht dort, wo sie sind. Zahlreiche international bekannte Autoren - Harry
Mulisch, Amitav Ghosh ("Das Calcutta Chromosom"), Haruki Murakami ("Hardboiled
Wonderland") u.a. - haben SF oder zumindest Bücher mit starker SF-Schlagseite
geschrieben. Auch sollte man nicht vergessen, daß einige Ikonen der modernen SF -
vor allem Philip K. Dick und William Gibson - enormen Einfluß weit über die Grenzen
der SF hinaus ausgeübt haben.
Wo ist es denn nun, das vielbeschworene Ghetto? Ich kann es euch sagen: In den
Köpfen der SF-Leser, die selten die Nase in etwas anderes als SF stecken, die nicht
den blassesten Schimmer haben, was es in der Welt der Literatur überhaupt alles gibt.
Auch das Lesen ist eine Kunst, die man lernen muß, und wer sich die Mühe macht,
diese Kunst durch die Lektüre guter Schriftsteller zu kultivieren, wird vielleicht
erkennen, was für eine fade Suppe es ist, die einem Autoren wie Frank Schätzing
aufkochen.
Gruß
Michael Iwoleit
verkneifen, an dieser Stelle einige deutliche Einwände zu erheben. Keiner, der selber
schreibt, kann von sich weisen, daß er nicht auf die Kohle neidisch ist, die Schätzing mit
einem einzigen Buch gemacht hat; aber man mag mir glauben (oder auch nicht), daß es
hier um andere Dinge geht.
> Also: Meiner Ansicht nach ist der Schwarm wesentlich besser als über 90 Prozent der
> SF-Literatur, die in den letzten drei Jahren in Deutschland erschienen ist.
Und wesentlich schlechter als die top 10% deutscher SF, die im selben Zeitraum
erschienen sind. Schätzing mit Hammerschmitt oder Marrak zu vergleichen, die einen
großen kommerziellen Erfolg viel eher verdient hätten, ist schlechterdings ein Witz.
> Da kommen amerikanische Hard-SF-Schreiber wie Bova, Benford oder Bear nicht mit
> (eine noch tiefere Figurenzeichnung ist bei einem so mit Wissenschaft vollgepakten
> Roman auch nicht wünschenswert).
Ich frage mich, wo jemand seine Maßstäbe hernimmt, der Benford pauschal in einem
Atemzug mit Bova und Bear nennt, als gäbe es dazu nichts weiter zu sagen. Benfords
Abgleiten ins Kommerzielle hat mich enttäuscht, aber zumindest in der Anfangszeit hat er
gezeigt, daß ein Hard-SF-Autor keine Niete in Sachen Literatur sein muß. Wenn man den
Roman "Timescape" oder Kurzgeschichten wie "Exposures" liest, macht man die
erstaunliche Festellung, daß sich kultivierter Stil, ausgefeilte Charakterisierungen und
SF-Ideen durchaus unter einen Hut bringen lassen. Davon ist Schätzing nun wirklich
Welten entfernt.
> Das stößt mir auch bitter auf, aber nur, weil es leider dem Zustand der SF (in
> Deutschland) verdammt nahe kommt. SF ist heute ein Ghetto, in den ein non-SF-Leser
> kaum noch eindringt.
Ich muß offen gestehen, daß ich bei Massenerfolgen wie "Der Schwarm" immer
mißtrauisch werde, und nachdem ich im Buchhandel den einen oder anderen Blick in das
Buch geworfen habe, hat sich mein Mißtrauen voll und ganz bestätigt. Man kann "Der
Schwarm" an beliebiger Stelle aufschlagen und merkt sofort, daß Schätzing, außer den
kleinsten gemeinsamen Nenner des Massengeschmacks zu bedienen, überhaupt nichts
kann. Als Schriftsteller eine komplette Null, keine Individualität, kein Stil, kein Ausdruck,
keine Intensität, nichts als Hollywood-kompatible Massenware, wie sie von tausenden
anderen uninspirierten Kommerzschreibern auch fabriziert wird. Schätzing ist einfach
einer von denen, die sich an die Erfolgsrezepte amerikanischer Bestsellerautoren
angehängt haben und den schlechten Originalen noch schlechtere Nachäffungen
hinterherschießen. Ich kann's, offen gestanden, kaum ertragen, auch nur eine Seite von
solchem Zeug zu lesen - und angesichts der unzähligen lesenswerten Bücher, die's auf
der Welt gibt, halte ich's für glatte Zeitverschwendung.
Daß um einen solchen Autor derartiger Wirbel gemacht wird, ist überhaupt nur durch eine
völlige Desensibilisierung gegenüber Literatur und Sprache zu erklären, die immer weiter
um sich greift. Anzeichen dafür gibt es viele. Man muß nur ein wenig in den gängigen
SF-Foren lesen und kann nur staunen über Leute, die keine drei geraden Sätze auf die
Reihe bringen, aber mit Schaum vor dem Mund über Autoren wie M. John Harrison oder
Gene Wolfe herziehen. Das kommt mir oft so vor, wie wenn ein kleiner Junge auf einem
Dreirad einem Formel 1-Weltmeister erklären will, wie man auf dem Nürburgring
gewinnt.
Schätzing ist mit Sicherheit kein Autor, der die SF aus dem "Ghetto" führen könnte,
sondern im Gegenteil einer, der das Ghetto nur kurzfristig etwas über seine üblichen
Ausmaße hinaus aufbläst. Ich kann nichts Erfreuliches daran finden, wenn die Art billiger
Kommerzschreiberei, gegen die bessere SF-Autoren seit Jahrzehnten mühsam
anschreiben, durch einen aufgeblasenen Schinken wie "Der Schwarm" zu Bestseller-
ehren gelangt. Das "Ghetto", von dem hier die Rede ist, scheint mir auch eher ein
Problem der SF-Leser als der SF selbst zu sein. Wenn sich nur ein biißchen in der
zeitgenössischen Literatur umschaut , hätte mitbekommen müssen, daß die Science
Fiction längst aus Weg hinaus in die allgemeine Literatur ist. Es ist ja schon erfreulich,
wenn SF-Medien darauf aufmerksam werden, daß ein angesehener Literat wie Michel
Houellebecq regelmäßig SF schreibt, aber das ist nur die Spitze der Eisbergs.
Einige Beispiele: Einer der meistdiskutierten und einflußreichsten amerikanischen
Romane der letzten fünfzehn Jahre, "Infinite Jest" von David Foster Wallace, ist SF,
ohne daß es draufsteht (so wie vor ihm schon "Gravity's Rainbow" von Thomas
Pynchon). Einige der angesehensten jüngeren Autoren der USA - Jonathan Lethem,
Carter Scholz, John Crowley - haben in der SF angefangen und wäre ohne diese
Erfahrung nicht dort, wo sie sind. Zahlreiche international bekannte Autoren - Harry
Mulisch, Amitav Ghosh ("Das Calcutta Chromosom"), Haruki Murakami ("Hardboiled
Wonderland") u.a. - haben SF oder zumindest Bücher mit starker SF-Schlagseite
geschrieben. Auch sollte man nicht vergessen, daß einige Ikonen der modernen SF -
vor allem Philip K. Dick und William Gibson - enormen Einfluß weit über die Grenzen
der SF hinaus ausgeübt haben.
Wo ist es denn nun, das vielbeschworene Ghetto? Ich kann es euch sagen: In den
Köpfen der SF-Leser, die selten die Nase in etwas anderes als SF stecken, die nicht
den blassesten Schimmer haben, was es in der Welt der Literatur überhaupt alles gibt.
Auch das Lesen ist eine Kunst, die man lernen muß, und wer sich die Mühe macht,
diese Kunst durch die Lektüre guter Schriftsteller zu kultivieren, wird vielleicht
erkennen, was für eine fade Suppe es ist, die einem Autoren wie Frank Schätzing
aufkochen.
Gruß
Michael Iwoleit
Hast du den Schwarm überhaupt gelesen?Michael Iwoleit hat geschrieben: Ich muß offen gestehen, daß ich bei Massenerfolgen wie "Der Schwarm" immer mißtrauisch werde, und nachdem ich im Buchhandel den einen oder anderen Blick in das Buch geworfen habe, hat sich mein Mißtrauen voll und ganz bestätigt.
Verwunderte Grüße,
Thomas
- Oliver
- SMOF
- Beiträge: 1782
- Registriert: 18. Januar 2003 18:29
- Bundesland: Niedersachsen
- Land: Deutschland
Nein, hat er nicht, wie er selbst zugibt.TT hat geschrieben:Michael Iwoleit hat geschrieben: Hast du den Schwarm überhaupt gelesen?
Ehrlich gesagt sinkt meine Meinung über einen Autor, der eine lange Tirade über ein Buch schreibt, das er nicht einmal gelesen hat, in gefährliche Untiefen. Das obige Posting von Herrn Iwoleit kommt einer schmerzlichen Desavouierung und Selbstdisqualifizierung gleich.
Wenn jemandem der "Schwarm" nicht gefallen hat, das können wir ja gerne diskutieren, aber über ein Posting wie das obige kann man nur den Kopf schütteln. Traurig, sowas.
- Stefan Hoffmann
- SMOF
- Beiträge: 1544
- Registriert: 23. Oktober 2003 12:03
- Land: Deutschland
- Wohnort: Berlin
Ich habe "Der Schwarm" vor kurzem endlich auch mal gelesen, also nicht nur an "beliebiger Stelle" aufgeschlagen. Die Liste der Dinge, die mich nicht beeindruckt hat, ist durchaus lang: Die lasche Schreibe, die flachen Charaktere, die dämlichen Anti-Amerikanismen. Aber der Background, der Plot, die Beschreibung der Meere - das fand ich regelrecht großartig! Das mag alles "Kommerzschreiberei" sein, aber "billig"?Man kann "Der Schwarm" an beliebiger Stelle aufschlagen und merkt sofort, daß Schätzing, außer den kleinsten gemeinsamen Nenner des Massengeschmacks zu bedienen, überhaupt nichts kann.
Also, wenn man schon vom Hörensagen urteilt, sollte man vielleicht auch zuhören, was die Leute so von sich geben.
Stefan
Liest: "Cyberabad" von Ian McDonald
>> Hast du den Schwarm überhaupt gelesen?
> Nein, hat er nicht, wie er selbst zugibt.
Doch, habe ich, zumindest in Auszügen, und das reicht völlig, um zu sehen, wo
bei Schätzing der Hase langläuft. Der Mann hat keinen Stil und kein Niveau, und
es ist nicht meine Schuld, nur weil ich es feststelle. Lest mal zum Vergleich einige
Wissenschaftsthriller, die in Deutschland auch recht erfolgreich waren - etwa "Das
Klingsor-Paradox" von Jorge Volpi oder "Das Calcultta Chromosom" von Amitav
Ghosh - und der Unterschied müßte auch dem Dümmsten ins Auge springen.
> Ehrlich gesagt sinkt meine Meinung über einen Autor, der eine lange Tirade über ein Buch
> schreibt, das er nicht einmal gelesen hat, in gefährliche Untiefen. Das obige Posting von
> Herrn Iwoleit kommt einer schmerzlichen Desavouierung und Selbstdisqualifizierung gleich.
Ach ja? Nur mal zum Vergleich: Es haben in diesem Forum alle möglichen Leute über
M. John Harrisons "Licht" hergezogen, in wesentlich krasseren Worten als ich über
Schätzing, und dabei zugegeben, daß sie den Roman nicht zuende gelesen haben.
Und da darf ich keinen persönlichen Eindruck eines Buch wiedergeben, das ich aus
guten Gründen auch nicht zuende gelesen habe? Im übrigen ist mein Posting keine
lange Tirade über "Der Schwarm", sondern es stehen noch andere Dinge drin, auf
die Du nicht mal reagierst.
Soll ich Dir sagen, was wirklich traurig ist? Daß aufgrund aufgeblasener Bestseller wie
"Der Schwarm" oder "Sakrileg" oder weiß der Teufel in großen Verlagen immer mehr
dumme Jungs, die auf amerikanischen Managerschulen gelernt und selbst nie was
Vernünftiges gelesen haben, mit dem Rotstift durch die Verlagsprogramme gehen und
alle guten Autoren rausstreichen, die nicht gleich 50.000 Exemplare verkaufen. Darunter
hat in Deutschland besonders die SF zu leiden, und wenn dann ausgerechnet ein
Kommerzschreiber wie Schätzing als der Messias präsentiert wird, der die SF aus
dem Ghetto führen soll, kann einem die Galle überkochen.
Aber was soll's. Ich kann mittlerweile verstehen, warum Kollege Frank Haubold in
Diskussionen in SF-Foren immer wieder entnervt die Brocken hinwirft. Das hat schon
vor fünfzig Jahren Damon Knight in seinen SF-Kritiken festgestellt: Komm SF-Lesern
bloß nicht mit Literatur, die meisten wissen gar nicht, worüber Du redest. Sparen wir
uns das, es ist hoffnungslos.
Gruß
MI
> Nein, hat er nicht, wie er selbst zugibt.
Doch, habe ich, zumindest in Auszügen, und das reicht völlig, um zu sehen, wo
bei Schätzing der Hase langläuft. Der Mann hat keinen Stil und kein Niveau, und
es ist nicht meine Schuld, nur weil ich es feststelle. Lest mal zum Vergleich einige
Wissenschaftsthriller, die in Deutschland auch recht erfolgreich waren - etwa "Das
Klingsor-Paradox" von Jorge Volpi oder "Das Calcultta Chromosom" von Amitav
Ghosh - und der Unterschied müßte auch dem Dümmsten ins Auge springen.
> Ehrlich gesagt sinkt meine Meinung über einen Autor, der eine lange Tirade über ein Buch
> schreibt, das er nicht einmal gelesen hat, in gefährliche Untiefen. Das obige Posting von
> Herrn Iwoleit kommt einer schmerzlichen Desavouierung und Selbstdisqualifizierung gleich.
Ach ja? Nur mal zum Vergleich: Es haben in diesem Forum alle möglichen Leute über
M. John Harrisons "Licht" hergezogen, in wesentlich krasseren Worten als ich über
Schätzing, und dabei zugegeben, daß sie den Roman nicht zuende gelesen haben.
Und da darf ich keinen persönlichen Eindruck eines Buch wiedergeben, das ich aus
guten Gründen auch nicht zuende gelesen habe? Im übrigen ist mein Posting keine
lange Tirade über "Der Schwarm", sondern es stehen noch andere Dinge drin, auf
die Du nicht mal reagierst.
Soll ich Dir sagen, was wirklich traurig ist? Daß aufgrund aufgeblasener Bestseller wie
"Der Schwarm" oder "Sakrileg" oder weiß der Teufel in großen Verlagen immer mehr
dumme Jungs, die auf amerikanischen Managerschulen gelernt und selbst nie was
Vernünftiges gelesen haben, mit dem Rotstift durch die Verlagsprogramme gehen und
alle guten Autoren rausstreichen, die nicht gleich 50.000 Exemplare verkaufen. Darunter
hat in Deutschland besonders die SF zu leiden, und wenn dann ausgerechnet ein
Kommerzschreiber wie Schätzing als der Messias präsentiert wird, der die SF aus
dem Ghetto führen soll, kann einem die Galle überkochen.
Aber was soll's. Ich kann mittlerweile verstehen, warum Kollege Frank Haubold in
Diskussionen in SF-Foren immer wieder entnervt die Brocken hinwirft. Das hat schon
vor fünfzig Jahren Damon Knight in seinen SF-Kritiken festgestellt: Komm SF-Lesern
bloß nicht mit Literatur, die meisten wissen gar nicht, worüber Du redest. Sparen wir
uns das, es ist hoffnungslos.
Gruß
MI
- Horselover Fat
- True-Fan
- Beiträge: 275
- Registriert: 11. Januar 2005 18:29
- Land: Deutschland
- Wohnort: Marburg
Hallo Michael,
da Du mein Posting ausgiebig zitiert hast, möchte ich gern auf einige Dinge eingehen. Kurz gesagt: Deine Aussagen treffen nicht - zumindest nicht vollständig - die Zielgruppe der SF-Fans, die Du kritisierst. Auch meine Aussagen bestätigst Du mehr als dass Du sie widerlegst. Und einige Deiner Argumente treffen ja durchaus ins Schwarze. Von daher sehe ich keinen Grund zur Aufregung. Im einzelnen:
Auch vermisse ich die Übersetzungen gehobener SF-Unterhaltung wie "The Years of Rice and Salt" (Kim Stanley Robinson), "Passage" (Connie Willis), "The River of Gods" (Ian Macdonald) oder "The Speed of Dark" (Elizabeth Monn), die wesentlich hochwertiger sind als all der Techno-Babble-Space-Opera Ramsch ist, der uns um die Ohren geschlagen wird. Ich stimme Dir zu, dass der Grund in den ausbleibenden Übersetzungen neben den horrendenden Übersetzungs- und Lizenzkosten auch in der fehlender Unterstützung der genannten Autoren durch die SF-Stammleserschaft hat.
Viele Grüße
Fat
da Du mein Posting ausgiebig zitiert hast, möchte ich gern auf einige Dinge eingehen. Kurz gesagt: Deine Aussagen treffen nicht - zumindest nicht vollständig - die Zielgruppe der SF-Fans, die Du kritisierst. Auch meine Aussagen bestätigst Du mehr als dass Du sie widerlegst. Und einige Deiner Argumente treffen ja durchaus ins Schwarze. Von daher sehe ich keinen Grund zur Aufregung. Im einzelnen:
Kein Mensch hat Schätzing mit Hammerschmitt oder Marrak verglichen. Pack die beiden Autoren in die 10% (von mir aus auch 15 oder 20, darüber streite ich nicht) guter SF, die erschienen sind und wir sind uns einig.Michael Iwoleit hat geschrieben:
> Also: Meiner Ansicht nach ist der Schwarm wesentlich besser als über 90 Prozent der SF-Literatur, die in den letzten drei Jahren in Deutschland erschienen ist. <
Und wesentlich schlechter als die top 10% deutscher SF, die im selben Zeitraum erschienen sind. Schätzing mit Hammerschmitt oder Marrak zu vergleichen, die einen großen kommerziellen Erfolg viel eher verdient hätten, ist schlechterdings ein Witz.
Du gibst die Antwort selbst: Benford hat in seiner literarischen Qualität stark nachgelassen. Ich muss zugeben, dass Timescape neu erschienen ist (das hatte ich übersehen). Aber ansonsten erscheinen heute eben nicht seine Kutzgeschichten (oder irre ich mich?), sondern seine neueren Werke, die ich literarisch eher niedrig bewerte.Michael Iwoleit hat geschrieben: > Da kommen amerikanische Hard-SF-Schreiber wie Bova, Benford oder Bear nicht mit (eine noch tiefere Figurenzeichnung ist bei einem so mit Wissenschaft vollgepakten Roman auch nicht wünschenswert). <
Ich frage mich, wo jemand seine Maßstäbe hernimmt, der Benford pauschal in einem Atemzug mit Bova und Bear nennt, als gäbe es dazu nichts weiter zu sagen. Benfords Abgleiten ins Kommerzielle hat mich enttäuscht, aber zumindest in der Anfangszeit hat er gezeigt, daß ein Hard-SF-Autor keine Niete in Sachen Literatur sein muß. Wenn man den
Roman "Timescape" oder Kurzgeschichten wie "Exposures" liest, macht man die erstaunliche Festellung, daß sich kultivierter Stil, ausgefeilte Charakterisierungen und SF-Ideen durchaus unter einen Hut bringen lassen. Davon ist Schätzing nun wirklich Welten entfernt.
M. John Harrison ist in der Tat umstritten. In meinem Posting dazu habe ich "Licht" als literarisches Meisterwerk bezeichnet. Licht ich ein Roman, den es zu erarbeiten gilt, keine Massenware, sondern ein sprachlich und inhaltlich herausragendes Stück Literatur. Es gibt hier im Forum durchaus Mitglieder, die dies ähnlich sehen. Zudem besteht im Forum zur Zeit ein Gene Wolfe Lesezirkel. Hier tummeln sich nicht nur Jungs auf Dreirädern. Der Adressat Deiner Kritik ist falsch.Michael Iwoleit hat geschrieben: > Das stößt mir auch bitter auf, aber nur, weil es leider dem Zustand der SF (in Deutschland) verdammt nahe kommt. SF ist heute ein Ghetto, in den ein non-SF-Leser kaum noch eindringt. <
Daß um einen solchen Autor derartiger Wirbel gemacht wird, ist überhaupt nur durch eine völlige Desensibilisierung gegenüber Literatur und Sprache zu erklären, die immer weiter um sich greift. Anzeichen dafür gibt es viele. Man muß nur ein wenig in den gängigen SF-Foren lesen und kann nur staunen über Leute, die keine drei geraden Sätze auf die Reihe bringen, aber mit Schaum vor dem Mund über Autoren wie M. John Harrison oder Gene Wolfe herziehen. Das kommt mir oft so vor, wie wenn ein kleiner Junge auf einem Dreirad einem Formel 1-Weltmeister erklären will, wie man auf dem Nürburgring gewinnt.
Widerspruch. Der Schwarm funktioniert als Wissenschaftsroman und ist als solcher unglaublich lehrreich, ja faszinierend. Billige Kommerzschreiberei ist etwas anderes. Der Schwarm hat auch ambitionierte Leser erreicht wie einen Freund von mir, der als promovierter Germanist sonst nur sprachlich und intellektuell höchst anspruchsvolle Literatur liest. Der Schwarm unterhält, er hat nicht den Anspruch, literarische Weihen zu ernten. Das halte ich auch für vollkommen in Ordnung.Michael Iwoleit hat geschrieben: Schätzing ist mit Sicherheit kein Autor, der die SF aus dem "Ghetto" führen könnte, sondern im Gegenteil einer, der das Ghetto nur kurzfristig etwas über seine üblichen Ausmaße hinaus aufbläst. Ich kann nichts Erfreuliches daran finden, wenn die Art billiger Kommerzschreiberei, gegen die bessere SF-Autoren seit Jahrzehnten mühsam anschreiben, durch einen aufgeblasenen Schinken wie "Der Schwarm" zu Bestseller-
ehren gelangt. Das "Ghetto", von dem hier die Rede ist, scheint mir auch eher ein Problem der SF-Leser als der SF selbst zu sein.
Falscher Adressat. Ich - und viele andere hier auch - haben durchaus mitbekommen, dass SF außerhalb von Genre-Reihen als Gegenwartsliteratur versteckt existiert. Auch Atwood oder Niffenegger werden hier gelesen. Diese Beispiele werden jedoch als allgemeine Literatur vermarktet. Leser von Houllebecq fassen Marrak bei Bastei nur mit Spitzen Fingern an (meistens gehen sie an den entsprechenden Büchertischen direkt vorbei). Das Problem ist hier das Marketing, die Aufmachung des Verlages, die Vermuten lässt, bei solch einem Cover könne es sich nur um Trivialliteratur handeln. Die Genrereihen halten SF im Ghetto gefangen.Michael Iwoleit hat geschrieben: Wenn sich nur ein biißchen in der zeitgenössischen Literatur umschaut , hätte mitbekommen müssen, daß die Science Fiction längst aus Weg hinaus in die allgemeine Literatur ist. Es ist ja schon erfreulich, wenn SF-Medien darauf aufmerksam werden, daß ein angesehener Literat wie Michel Houellebecq regelmäßig SF schreibt, aber das ist nur die Spitze der Eisbergs... Wo ist es denn nun, das vielbeschworene Ghetto? Ich kann es euch sagen: In den Köpfen der SF-Leser, die selten die Nase in etwas anderes als SF stecken, die nicht den blassesten Schimmer haben, was es in der Welt der Literatur überhaupt alles gibt. Auch das Lesen ist eine Kunst, die man lernen muß, und wer sich die Mühe macht, diese Kunst durch die Lektüre guter Schriftsteller zu kultivieren, wird vielleicht erkennen, was für eine fade Suppe es ist, die einem Autoren wie Frank Schätzing
aufkochen.
Auch vermisse ich die Übersetzungen gehobener SF-Unterhaltung wie "The Years of Rice and Salt" (Kim Stanley Robinson), "Passage" (Connie Willis), "The River of Gods" (Ian Macdonald) oder "The Speed of Dark" (Elizabeth Monn), die wesentlich hochwertiger sind als all der Techno-Babble-Space-Opera Ramsch ist, der uns um die Ohren geschlagen wird. Ich stimme Dir zu, dass der Grund in den ausbleibenden Übersetzungen neben den horrendenden Übersetzungs- und Lizenzkosten auch in der fehlender Unterstützung der genannten Autoren durch die SF-Stammleserschaft hat.
Nein, dass ist nicht hoffnungslos. Ich lese SF und Literatur im Verhältnis von ungefähr 60:40. Auch wünschte ich mit desöfteren, Sprache und Charakterisierungen in der SF würden heranreichen an von mir favorisierte Autoren wie etwa Brian Moore, Madison Smartt Bell, Doris Lessing, Ian McEwan oder Naipaul. Viele hier haben sich das Lesen über SF erschlossen und ihren Blick später auf die Literatur erweitert. Also: hier ist nichts hoffnungslos und Dein Abschied aus diesem Forum würde ich als Verlust empfinden.Michael Iwoleit hat geschrieben: Aber was soll's. Ich kann mittlerweile verstehen, warum Kollege Frank Haubold in Diskussionen in SF-Foren immer wieder entnervt die Brocken hinwirft. Das hat schon vor fünfzig Jahren Damon Knight in seinen SF-Kritiken festgestellt: Komm SF-Lesern bloß nicht mit Literatur, die meisten wissen gar nicht, worüber Du redest. Sparen wir
uns das, es ist hoffnungslos.
Viele Grüße
Fat
- Oliver
- SMOF
- Beiträge: 1782
- Registriert: 18. Januar 2003 18:29
- Bundesland: Niedersachsen
- Land: Deutschland
Warum sollte ich? Du argumentierst nicht sachlich.Michael Iwoleit hat geschrieben:lange Tirade über "Der Schwarm", sondern es stehen noch andere Dinge drin, auf die Du nicht mal reagierst.
Das stimmt.Soll ich Dir sagen, was wirklich traurig ist? Daß aufgrund aufgeblasener Bestseller wie "Der Schwarm" oder "Sakrileg" oder weiß der Teufel in großen Verlagen immer mehr dumme Jungs, die auf amerikanischen Managerschulen gelernt und selbst nie was
Vernünftiges gelesen haben, mit dem Rotstift durch die Verlagsprogramme gehen und alle guten Autoren rausstreichen, die nicht gleich 50.000 Exemplare verkaufen.
Diese Meinung würde ich nicht als mehrheitsfähig ansehen. K&W hat ja nun tunlichst alles getan, um den Roman nicht als SF zu verkaufen.und wenn dann ausgerechnet ein Kommerzschreiber wie Schätzing als der Messias präsentiert wird, der die SF aus dem Ghetto führen soll, kann einem die Galle überkochen.
Wäre Deine in diesen Zeilen geäußerte Hybris nicht so unsachlich und lachhaft, müsste man sich fast darüber ärgern. So ist das zum Glück nicht einlassungsfähig.Komm SF-Lesern bloß nicht mit Literatur, die meisten wissen gar nicht, worüber Du redest. Sparen wir uns das, es ist hoffnungslos.