Idee oder Schreibkunst: Was macht gute SF-Literatur aus?

Science Fiction in Buchform
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Shock Wave Rider
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Idee oder Schreibkunst: Was macht gute SF-Literatur aus?

Ungelesener Beitrag von Shock Wave Rider »

TT hat geschrieben:Und davon abgesehen, kommt es dann ganz besonders auf deine Schreibe an. Denn eines habe ich von Andreas (Eschbach) gelernt. Aus jeder noch so verrückten Ausgangssituation (Jesus-Video) läßt sich ein verdammt guter Roman machen. Wenn man's kann.
oder:

Es reicht nicht aus, nichts zu sagen zu haben. Man muß auch unfähig sein, es auszudrücken. :wink:

Das Zitat von Thomas Thiemeyer aus einem anderen Thread nehme ich mal als Aufhänger, um ein übergreifendes Thema anzuschneiden:

Was macht Eurer Meinung nach einen guten SF-Roman aus?
Sind es vorwiegend überraschende, gut durchdachte Ideen?
Oder sind die eher handwerklich-schreibtechnischen Fähigkeiten des Autors entscheidend?

Hier meine Beobachtungen an mir selbst:
Am besten ist es natürlich, wenn Ideen, Inhalt und guter Schreibstil zusammen kommen. Das ist stets das non-plus-ultra.
Aber wie sieht es aus, wenn nur eine Seite gut ausgeprägt ist?

Da sind meine Reaktionen seltsam klar und reproduzierbar:

Wenn einer gut schreiben kann, aber keine originellen Ideen hat, dann ertrage ich die Bücher i.d.R. als "gute Unterhaltung". Es kommen zwar keine Inhalte rüber, aber es reut mich auch nicht, das gelesen zu haben. Im Hinterkopf weiß oder hoffe ich, dass diese Autoren auch das Zeug haben, einen wirklich guten Stoff gut zu verarbeiten. Wenn ihnen denn mal ein wirklich guter Stoff über den Weg läuft.

Aber im umgekehrten Fall ärgere ich mich gewöhnlich maßlos. Der Autor hat eine Botschaft, er hat etwas zu sagen - aber er kann sich nicht ausdrücken. Zumindest nicht in lesbarer Form. Woher kommt der Ärger? Dahinter steckt letztendlich Traurigkeit über eine vergebene Chance.

Wie seht Ihr das?

Gruß
Ralf
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Kringel
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Ungelesener Beitrag von Kringel »

Zuallererst: Definiere "SF"! :wink:
"Gut" ist für mich ein Roman - unabhängig vom Genre - wenn er mich so sehr fesselt, daß ich ihn nicht wieder aus der Hand legen möchte. Wenn ich so sehr darin versinken kann, daß ich meine Umwelt (z.B. die anderen Fahrgäste im IC) nicht mehr wahrnehme. Wenn ich am Ende ein ähnliches Gefühl habe, wie es mich beim Abschied von einem guten Freund beschleicht.
Um das zu erreichen, brauche ich keine bis ins letzte durchdachten Ideen. Allerdings würden mich krasse Logikfehler oder sonstige Ungereimtheiten wiederum sehr stark stören.
Ich brauche auch keine überraschenden Ideen, wenn der Roman ansonsten spannend ist.
Die "Handwerkskunst" muß zumindest einen gewissen Standard haben. Allzu gedrechselte Formulierungen von Autoren, die in ihre eigene (echte oder vermeintliche) Genialität verliebt sind, nerven mich aber wiederum.
deval
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Ungelesener Beitrag von deval »

es muß eine gute idee vorhanden sein, der schreibstil muß passen und das ganze muß auf einem raumschiff oder fremden planeten spielen. ich muß staunen können und der sogenannte "sense of wonder" muß beschworen werden.

wenn ich nur auf eine gute idee oder den richtigen schreibstil schaue, muß ich keine sf lesen. dann tut es ein guter krimi, ein kriegsroman oder ein ausgesprochen gut geschriebener liebesroman auch.

manchmal frage ich mich vielmehr, warum ich überhapt sf lese. die non-sf-bücher die ich in letzter zeit gelesen habe, sprachen mich vielmehr an, als mancher sf roman. wenn ich mir heute anschaue war alles als der neue stern am sf himmel hochgejublet wird, müßte ich die ganze büchergattung komplett in den wind schreiben. kein wunder, das so viel alte bücher neu aufgelegt werden.
Jorge
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Re: Idee oder Schreibkunst: Was macht gute SF-Literatur aus?

Ungelesener Beitrag von Jorge »

Shock Wave Rider hat geschrieben: Was macht Eurer Meinung nach einen guten SF-Roman aus?
Eine gute Idee aus dem phantastischen Bereich, am besten etwas noch nie dagewesenes. Oder ein bewährtes Thema(sei es Zeitreise, Außerirdische, Invasion, Space Opera, Alternativwelt, Künstliche Intelligenz, Utopie/Dystopie, Inner Space) unter einem neuen Ansatzpunkt abseits der ausgetrampelten Pfade und Klischees.
Dann noch gut geschrieben ohne allzuviel blumenreiche Formulierungen, kurz, eine Geschichte, die einen packt, einen dazu bringt, das Buch noch am gleichen Tag bis zur letzten Seite zu lesen.
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TT

Re: Idee oder Schreibkunst: Was macht gute SF-Literatur aus?

Ungelesener Beitrag von TT »

Shock Wave Rider hat geschrieben:Es reicht nicht aus, nichts zu sagen zu haben. Man muß auch unfähig sein, es auszudrücken. :wink:
Geiles Zitat. Woher stammt das? Erinnert mich irgendwie an eine Kurzgeschichte von Wolfgang Hildesheimer aus der Sammlung: "Lieblose Legenden". Wer sie kennt, wird wissen, wovon ich rede, wer nicht, dem rate ich dringend an, sie sich zu besorgen. "1956-Ein Pilzjahr" - zum Schreien.
Shock Wave Rider hat geschrieben:Aber im umgekehrten Fall ärgere ich mich gewöhnlich maßlos. Der Autor hat eine Botschaft, er hat etwas zu sagen - aber er kann sich nicht ausdrücken. Zumindest nicht in lesbarer Form. Woher kommt der Ärger? Dahinter steckt letztendlich Traurigkeit über eine vergebene Chance.
Vollkommen d'accord. Es gibt nichts Schlimmeres. Besonders für einen Autor, der immer auf der Suche nach guten Ideen ist und mitansehen muß, wie selbige den Kanal runtergespült wird.

Gruß,

Thomas
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breitsameter
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Re: Idee oder Schreibkunst: Was macht gute SF-Literatur aus?

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

TT hat geschrieben:
Shock Wave Rider hat geschrieben:Es reicht nicht aus, nichts zu sagen zu haben. Man muß auch unfähig sein, es auszudrücken. :wink:
Geiles Zitat. Woher stammt das?
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Stefan Hoffmann
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Ungelesener Beitrag von Stefan Hoffmann »

Ich muß erst mal lauthalt protestieren: Wieso ist dieser Thread denn im "Off-Topic"? Wie "On-topic" muß man denn noch sein, um ins Hauptforum zu dürfen? :x

Ansonsten finde ich es gerade schwierig, diesem Thread noch was kontroverses beizusteuern. Ach, doch noch was: PKD ist so ein Autor, den ich zwar sehr mag, dessen Schreibkünste mir nicht gerade die Schuhe ausziehen. Also für mich eher ein Fall von "Die Idee rettet den Rest". Das gibts also auch.

Handwerklich wirklich herausragende Romane scheinen mir hingegen etwas rarer gesät. Ich muß gestehen, richtig gut erzählte Geschichten liebe ich, da könnte ich auch über einen gewissen Ideenmangel hinwegsehen. Schließlich sollte ja ein guter Erzähler einen alten Hut im strahlendstem Glanz erscheinen lassen können, sonst ist er wohl doch als Erzähler nicht ganz so überragend...


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Ungelesener Beitrag von Fjunch-Klick »

Stefan Hoffmann hat geschrieben:Ich muß erst mal lauthalt protestieren: Wieso ist dieser Thread denn im "Off-Topic"? Wie "On-topic" muß man denn noch sein, um ins Hauptforum zu dürfen?
ja, ins hauptforum mit ihm! :dafuer:
Ansonsten finde ich es gerade schwierig, diesem Thread noch was kontroverses beizusteuern. Ach, doch noch was: PKD ist so ein Autor, den ich zwar sehr mag, dessen Schreibkünste mir nicht gerade die Schuhe ausziehen. Also für mich eher ein Fall von "Die Idee rettet den Rest". Das gibts also auch.
wo du PKD nennst: ich kenne jetzt nicht viele werke von ihm, aber nur als beispiel do androids dream... ist absolut genial erzählt! sowas ist eigentlich das, warum ich SF lese.
aber ganz genau fassen kann ich das auch nicht, da zB Dan Simmons' Hyperion-Gesänge auch ganz weit oben auf meiner lieblingsliste stehen, und er völlig anders schreibt.

gruß, Fjunch-Klick heute mal mit viel kursiv und ob seiner letzten entdeckung etwas ratlos
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Re: Idee oder Schreibkunst: Was macht gute SF-Literatur aus?

Ungelesener Beitrag von Rumata »

breitsameter hat geschrieben:
TT hat geschrieben:
Shock Wave Rider hat geschrieben:Es reicht nicht aus, nichts zu sagen zu haben. Man muß auch unfähig sein, es auszudrücken. :wink:
Geiles Zitat. Woher stammt das?
Schande über Euch alle. Das ist von Karl Kraus.
Dann aber auch richtig zitieren :)

"Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken."

So steht es bei Karl Kraus.
Man verlangte von mir, Hingespinste von endloser Großartigkeit gegen Realitäten von geringem Wert einzutauschen.

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Nepharite
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Ungelesener Beitrag von Nepharite »

@SWR, e.a.
Helft mir mal auf die Sprünge: Wo beginnt die Idee eines Romans?

In dem von mir präferierten Genre des RPG-/TT-Romans sind der Kreativität des Autors ohnehin natürliche Beschränkungen auferlegt (ein Verfasser, der das Zerbröseln eines Battlemechs mittels eines thaumaturgischen Rituals für originell hält, dürfte sich unmittelbar einem Lynchmob aus BT-Spielern gegenüber sehen). Insofern reichen mir i.a. ein (mir) gefälliger Stil, eine gefangennehmende Atmosphäre und starke, vielschichtige Charaktere ... Wenn diese Dinge stimmen, kann sich der Autor meinetwegen auf 250 Seiten über das Nasebohren auslassen ...
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Stefan Hoffmann
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Ungelesener Beitrag von Stefan Hoffmann »

Fjunch-Klick hat geschrieben:wo du PKD nennst: ich kenne jetzt nicht viele werke von ihm, aber nur als beispiel do androids dream... ist absolut genial erzählt! sowas ist eigentlich das, warum ich SF lese.
Hust, ausgerechnet dieses Buch steht hier immer noch ungelesen rum. :o Aber ich habe diverse Bücher von ihm gelesen, wo ich gedacht habe, daß es mir mit einer anderen Umsetzung besser gefallen hätte. Ich hab beispielsweise gern ein bißchen mehr Atmo drum herum. Ich denke mal, PKD hatte wirklich meist in erster Linie seine Ideen im Fokus und danach lange nichts. Daß ich die resultierenden Werke trotz gewisser Schreib/Lese-Inkompatibilitäten trotzdem gerne lese, spricht immerhin außerordentlich für die Ideen des PKD-Kosmos, finde ich. :)
Fjunch-Klick hat geschrieben:aber ganz genau fassen kann ich das auch nicht, da zB Dan Simmons' Hyperion-Gesänge auch ganz weit oben auf meiner lieblingsliste stehen, und er völlig anders schreibt.
Ich denke eh, daß jeden Autoren, den man mag, am Ende andere Dinge auszeichnen. Da würde ich neben den genannten Ideen und Schreibkunst auch Stil und den persönlichen Gedanken-Kosmos des Autoren, den er auf Papier (oder Word :) ) projiziert, nicht unterschätzen.


Stefan
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RealS
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Ungelesener Beitrag von RealS »

für mich steht während des Lesens der Stil etc. im Vordergrund, nach dem Lesen aber die Idee. Wenn das Buch gut geschrieben ist, stört es mich nicht so, wenn die Idee nicht genial ist.
Aber ich finde die Idee eigentlich wichtiger, weil ich will, dass der Roman mich auch nach dem Lesen noch beschäftigt.
Solange es nicht völlig unlesbar ist, ziehe ich also die gute Idee vor, weil die dann über die reine Lesezeit hinaus wirkt.
Früher habe ich auch gerne Krimis gelesen, aber auch die gutgeschriebenen wurden mit der Zeit halt langweilig, weil das Schema so gleich war.
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Christof

Ungelesener Beitrag von Christof »

Nepharite hat geschrieben:@SWR, e.a.
Helft mir mal auf die Sprünge: Wo beginnt die Idee eines Romans?

In dem von mir präferierten Genre des RPG-/TT-Romans sind der Kreativität des Autors ohnehin natürliche Beschränkungen auferlegt (ein Verfasser, der das Zerbröseln eines Battlemechs mittels eines thaumaturgischen Rituals für originell hält, dürfte sich unmittelbar einem Lynchmob aus BT-Spielern gegenüber sehen). Insofern reichen mir i.a. ein (mir) gefälliger Stil, eine gefangennehmende Atmosphäre und starke, vielschichtige Charaktere ... Wenn diese Dinge stimmen, kann sich der Autor meinetwegen auf 250 Seiten über das Nasebohren auslassen ...
Gerade in den BT ist die Idee das BT Universum. Wobei ich mich schon ärgern würde 250 Seiten über das Nasebohren zu lesen :roll:
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Knochenmann
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Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

In einen guten SF Roman müssen Menschen rein. Eine "technische" Idee allein reicht einfach nicht (Sogesehen ist die okulte Zerstörung eines Battlemechs sogar eine ziemlich gute Idee).

Wenn ich an das ganze Zeug zurückdenke, was ich so gelesen hab, dann ist es offensichtlich das in den guten Romanen (die, die ich dafür halte) Personen im Mittelpunkt stehen: Was tuen sie, wie wirkt es sich auf sie aus, was wollen sie usw... Dabei ist eigendlich egal ob die Idee kreativ und andersartig ist oder eingefahren und linear.

Um Beispiel zu geben: "Das Darwin Virus" von Bear. Das läuft absolut an den Menschen vorbei. Es tobt zwar eine grauenhafte Krankheit, die die ganze Menschheit "ausrottet", aber auf betroffene Personen wird absolut nicht eingegangen. Für die Protagonisten ist es ein Job wie jeder andere, das Buch hätte genauso gut die Bekämpfung von Schnupfen schildern können.
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Christof

Ungelesener Beitrag von Christof »

Dann könnte man ja die Mechs weglassen und verlegt die Story z.B. ins Universum von Weber oder sonstwohin.
Natürlich sind die Charaktere und deren Entwicklung wichtig. Aber erst in ihrem besonderen Universum werden sie interesant. Und genau dieses Universum ist imo die große Idee.
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