L.N. Muhr hat geschrieben: ...Das geht mir alles zu pauschal runter. Was du dabei ignorierst, ist die mehr oder minder starke Anbindung an die Realität. Hier wären James Bond und Akte X z.B. gut als Werk der Fiktion erkennbar, weil niemand je behauptet hat, es hätte die Herren Bond und Mulder je gegeben oder würde sie geben.
Jeder Bondfilm behauptet die Existenz Bonds, jede Akte-X-Folge die Existenz Mulders. Das Blair-Witch-Projekt behauptet die (frühere) Existenz eines (ehemaligen), inzwischen verschollenen, Filmteams, dessen Leichen zwar nie gefunden wurden, aber deren Filme (praktischerweise schon geschnitten). Anonymus behauptet, dass Shakespeare zwar gelebt habe, aber seine angeblichen Stücke nicht selber schrieb. Dass nichts von allem je in der Zeitung oder in den Nachrichten kam, ist jetzt noch kein Beweis, dass es Fiktion ist, aber als Indiz könnte man diesen Umstand wohl gelten lassen, oder?
Dass manche Fiktion besser als andere als Fiktion erkennbar ist, ist richtig, aber was soll's? Irgendeinen wird es
vermutlich immer geben, der die Fiktion für Fiktion hält und irgendeinen, der die Fiktion für wahr hält.
Jeder würde die Trennung woanders ziehen. *schulterzuck
Shakespeare dagegen steht in vielen Geschichtsbüchern
Wie Margret Thatcher, die in einem Bondfilm vorkam. Oder diverse US-Präsidenten, deren Bilder beim FBI an der Wand hängen.
und besitzt einen global hohen Bekanntheitsgrad. (Und sei es nur als Name.)
Wie Robin Hood und Sherlock Holmes. Ok, das kann jetzt dazu führen, dass man Shakespeare für eine komplett fiktive Person hält. Oder Robin Hood für historisch.
D.h. hier wird ganz bewusst mit einer deutlich stärkeren Anbindung an historisch allgemein bekannte Realität gespielt als z.B. bei den Bond-Romanen und -Filmen. Hier wird eine allgemein als real anerkannte historische Figur ins Zentrum des Geschehens gerückt, dabei aber, na sagen wir's mal vorsichtig, eher fiktiv dargestellt, aber eben unter dem Deckmantel der Historienerzählung.
Ja, und?
Um von "Schuld" zu sprechen, müsste Emmerich die Absicht verfolgen, seinem Publikum ein falsches Geschichtsbild einzuflößen. Was ich zwar nicht ganz ausschließen will, aber jetzt eher doch bezweifeln möchte.
Der Verwechslungsgrad ist angesichts dessen viel höher. Das blendest du einfach so aus? ...
Ausblenden? Das fragt der richtige. Wenn ich schreibe: "Die Versagen, etwas Fiktives für Realität zu halten, liegt in erster Linie beim Publikum." und Du dann fragst, ob der Macher denn keine Schuld trage, dann blendest Du erstens aus, dass ich "in erster Linie" geschrieben habe, zweitens, dass ich von "Versagen" schrieb, und nicht von "Schuld", oder aber Du verwechselst, was ich schrieb, mit etwas, was ich nicht schrieb, und machst weiterhin aus einer eher moderaten Aussage ein Extrem. Hör auf, Dein s-w-Denken auf andere zu übertragen.
Die Fiktion zielt auf ein voyeuristisch an Geheimnissen über eine drastisch populäre Person interessiertes Publikum ab, das vielleicht belogen werden will ...
So, wie ein Drogenhändler Drogen an Süchtige verkauft? Schlimmer fände ich, wenn Leute ins Kino gehen, um sich historisch zu bilden, und deshalb Anonymus für wahr halten.
Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass nur der Empfänger schuld ist, wenn er etwas nicht kapiert.
"NUR" habe ich nie behauptet. Aber wahrscheinlich habe ich zu wenig Fettdruck verwendet, als ich von "
in erster Linie" geschrieben habe. Mea culpa, jaja.
Es gibt Menschen, die nuscheln, endlose in sich verhedderte Bandwurmsätze bilden, viel zu leise oder viel zu laut reden und so die Kommunikation als Sender stören.
Jaja, ich habe Dich schon verstanden.
Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass jeder, der John Ashts Bücher nicht lesbar findet, einfach nur keine Ahnung von Literatur hat. Natürlich beeinflusst der Sender die Kommunikation,
Und? Habe ich das Gegenteil behauptet?
Dass ein fiktives Werk fiktiv ist, steht im Werk selber aber eigentlich selten oder nie. Es wird auch nicht im Konjunktiv oder so geschrieben. Die Hirnarbeit, mit der man Fiktion als Fiktion erkennt, kann also
i.d.R. nicht allein auf der Sprachebene funktionieren. Evt. kann man am Inhalt der Geschichte erkennen, dass diese nicht wahr sein kann oder zumindest nicht glaubhaft ist, aber das qualifiziert diese nicht als Fiktion. Sie könnte eine Lüge sein, oder aber sie könnte vom Erzähler für die Wahrheit gehalten werden, der sich aber leider irgendwo irrt. Oder sie ist tatsächlich wahr, und man selbst irrt sich irgendwo.
Umgekehrt gibt es Fiktionen, deren Wahrheitsgehalt vom Publikum nicht unmittelbar widerlegt werden kann. Dass es keinen Agent Mulder je gegeben hat, erscheint einen nicht so offensichtlich wie die Möglichkeit, dass Elisabeth I eine Reihe von Kindern bekommen hätte, ohne dass das selbst gerüchteweise bekannt geworden wäre.
Wenn man "Anonymus" in der Werbung als Dokumentation oder so bezeichnet hätte, würde ich Dir zustimmen. Dokumentationen müssen belegbar sein und sind keine fiktionale Werke. Alternativ wäre es Etikettenschwindel und somit eine Lüge.
gerade im Übrigen im Bereich der Fiktion - wo es ja so oder so darum geht, eine Illusion aufzubauen.
Eine Geschichte zu verstehen oder zu mögen ist aber etwas anderes als eine Geschichte als wahr oder fiktiv zu erkennen. Oder nur, weil man eine wahre Geschichte für fiktiv gehalten hat oder umgekehrt, heißt das nicht, dass man keine vernünftige Inhaltsangabe schreiben könnte.
*schulterzuck*