Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

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Bully
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Bully »

Thomas Wawerka hat geschrieben:
Ming der Grausame hat geschrieben:Für Tolkien ist das Streben zum Guten immer nur das Streben zur Entsagung. Ich habe nie verstanden, dass ausgerechnet Linke dieses rückwärtsgewandte Märchen immer mit so großem Vergnügen gelesen haben.

Er propagiert z.B. die Entsagung der kleinen Leute, obwohl ein jeder weiß, dass dies die Basis des Wohlstandes der Mächtigen ist. Bei Tolkien sind manche Menschen böse, jedoch nicht als Endprodukt von ungerechten Verhältnissen, sondern weil sie per se böse sind. Er überhöht die Idylle, obwohl eine Idylle immer nur das Produkt von gegenseitiger Unterdrückung und Ungerechtigkeit sein kann.
:prima:

Das trifft kurz und knapp gesagt genau meine Analyse des HDR.

- Die Idylle ist The Shire ("Auenland"), der "Augapfel Gottes", der um keinen Preis angetastet werden darf. Mögen auch rundum Königreiche fallen und tausende Menschen niedergemetzelt werden, mögen auch Helden erstehen - ihre Siege sind nur von kurzer Dauer. Die Welt rundum ist ohnehin schon des Teufels. All die Kriege, Schlachten, Ereignisse sind nur Tropfen in einem Fluss, der ewig fließt. The Shire ist die vorindustrielle, vormoderne englische Dorfgemeinschaft - keine Gesellschaft mit austarierten Rechten und Pflichten, sondern eine Gemeinschaft, in der jeder seinen unveränderlichen Platz einnimmt. Eine Gemeinschaft ohne Entwicklung. Diese Gemeinschaft braucht auch keine Regierung, Polizei oder dergleichen, weil die Tradition absolute Geltung hat. Sowas gibt es sonst auch gern bei Sekten und/oder hermetischen Gemeinschaften. Lass die Welt also getrost untergehen - Hauptsache, The Shire wird gerettet!
- Die Reinheit dieser Idylle muss bewahrt werden. Der Ring bedroht sie. Der Ring ist die Versuchung, und diese muss ausgeschlossen, abgesondert, weggeschafft werden. Frodo übernimmt die Funktion des Sündenbocks, der das "Unreine" hinaus in die Wildnis schafft. In einem Bildungsroman würde es darum gehen, dass Frodo nun die Macht des Rings kennenlernt und mit ihr umzugehen lernt, sprich: Dass er die Versuchung erfährt, besteht oder auch nicht, aber sich die Fähigkeit aneignet, sie am Ende zu integrieren. Tolkien jedoch verweigert Frodo diese Entwicklung. Er darf sich nicht ändern. Er IST The Shire. Er muss rein bleiben, damit The Shire rein bleibt; er muss entsagen, leiden, auf sich nehmen - aber um Gottes Willen nicht einmal den Ring ausprobieren. Seine Wanderung zum Schicksalsberg ist eine Art Kreuzweg, der Roman ein Anti-Bildungsroman. Wer aber die Versuchung nicht annimmt (nicht: nicht auslebt), kann sich nicht entwickeln und wird immer ein "kleiner Hobbit" bleiben - ein "Hinterweltler", der nicht "groß werden", "erwachsen werden" darf ... deshalb sind die Hobbits auch so klein.
- Die Figuren - um Gottes Willen! Die einzig interessanten Charaktere sind Saruman und Gollum - Charaktere, die ausnahmsweise nicht von vornherein gut oder böse sind. Was gut oder böse ist, ist ebenfalls nicht diskutabel, es steht quasi fest. Taste den Ring an, und schwupps! bist du auf der anderen Seite. Gollum ist aber auch nur entweder gut oder böse, er hat beide Seiten in sich, aber beide Seiten streng voneinander abgegrenzt.

Ich könnte noch sehr viel dazu schreiben, aber das würde jeglichen Rahmen sprengen. Wenn man sich Tolkiens Arbeit näher anschaut, muss einem zwangsläufig deutlich werden, dass er mit dem HDR seine "dicke Bertha" gegen die Moderne in Stellung gebracht und abgefeuert hat. Der Mann vermittelt eine stockkonservative Botschaft, ich möchte sie gleichfalls reaktionär nennen. Die Vergötzung der Vergangenheit. Linke, genau - und vor allem auch die Hippies haben HDR zum Kultbuch gemacht. Leser, die Tolkien verachtete. Ich kapiers einfach nicht. Ich habe den Roman teilweise gelesen, bevor die Filme rauskamen, und ihn schon damals angewidert weggelegt. Es ist mir ein völliges Rätsel, was man daran gut finden kann. Ich finde ihn ehrlich gesagt noch nicht einmal sonderlich spannend.

Noch ein kurzes Wort zu Star Wars, weil Ming das als positives Beispiel angeführt hat (während ich es immer in einem Atemzug mit HDR nannte): Ich finde diese zunehmende Blutmetaphorik (ist es noch Metaphorik?) bedenklich.
Zu Gedankenstrich eins:
Wenn das die Botschaft wäre, wäre es eine Botschaft gegen Königreich und Vasallenstaat. Weiterhin, eine Gesellschaft ohne austarierte Rechte und Pflichten, in der aber trotzdem jeder seinen festen Platz hat - wie soll das denn gehen? Drittens wird im HdR den Hobbits eine Menge gezeigt, was außerhalb ihres bisherigen Tellerrandes lag, und genauso Rettung verdient hat. Die Menschen, Elben und Zwerge kämpfen noch für anderes als für ein abgelegenes "Idyll", von dem kaum einer je gehört hat.
zu zwei:
Der Ring ist eben derartig gefährlich, dass schon sein Gebrauch dem Nutzer schadet. Tolkien hätte natürlich auch ein harmloseres Artefakt erfinden können, welches man tatsächlich gegen dessen Erschaffer und zum Wohle der Welt hätte einsetzen können. Dann wäre das Buch entweder deutlich kürzer, oder aber Sauron wäre zwar am Ende von Teil 1 besiegt worden und der Rest handelte von dem brutalen Krieg, den die übrigen Völker darum führten, wer denn dieses harmlosere Artefakt "zum Wohle Mittelerdes" benutzen dürfte. Wäre sicher auch eine spannende Geschichte, die vllt. ein anderer mal erzählen kann.
Dass Frodo keine Entwicklung durchmacht, stimmt auch nicht, aber er kann infolgedessen das idyllische Auenland nicht mehr genießen. Wahrscheinlich mögen die Linke das deswegen, weil die übrigen Hobbits für die Burgeosie stehen, die den Arbeiter Frodo ausnutzen. Oder Frodo ist der Bürger, der zur Abwechslung von der arbeitenden Bevölkerung ausgebeutet wird. Ja, das wird's sein.
zum dritenn Gedankenstrich:
ja, so richtig ausgefeilt sind die Figuren wirklich nicht. Mich stört das nicht, aber andere mögen Figuren mit mehr Charakterentwicklung, Charakterhintergrund und Charakterproblemen, die die Aufgaben der Charaktere zwar schwerer zu bewältigen machen, aber eben der ganzen Bande Tiefe verleihen.
Dass es modern sein soll, Versuchungen auszuleben statt ihnen zu widerstehen, ist jetzt Deine persönliche Auffassung. Dass dieses Nachgeben im RL zu Problemen von Übergewicht bis Drogensucht führen kann, oder im Kontext von Abenteuerromanen zu Feigheit und Verrat, muss ich wohl nicht weiter ausführen.
Wenn es schon eine Moral sein soll, dann suche ich mir folgende aus:
der Ring symbolisiert Drogen. :teufel:
Gollum hat alle Anzeichen eines hochgradig Suchtkranken, außer dass die normalerweise eine eher reduzierte Lebenserwartung haben. (Ja, der Tabak- und Bierkonsum im HdR läuft der Botschaft schon etwas zuwider. Ist aber auch nicht widersprüchlicher als das, was ihr Euch so zusammenreimt.)
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Thomas Wawerka
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

a3kHH hat geschrieben:
Thomas Wawerka hat geschrieben:Eine gut funktionierende Geschichte sollte beim Lesen überhaupt keiner Interpretation bedürfen - aber jede Geschichte, egal ob sie gut oder schlecht ist, lässt sich interpretieren. Jeder Autor - jeder Mensch - steht von Anfang an in einem vielfältigen Geflecht von Diskursen, und Geschichten sind deren verdichtete Wiedergabe aus der mehr oder weniger persönlichen Sicht des Autors.
Also da habe ich mit Deinem ersten Halbsatz Probleme, wie soll ich den verstehen ?
Richtig: Jegliches Lesen IST bereits Interpretation. Ich meinte, eine Geschichte sollte funktionieren, ohne dass ich als Leser permanent überlegen muss, was sie nun bedeuten soll. Das ist das Schmankerl, das Sahnehäubchen, die Kür - für den, der danach noch hinter den Vorhang schauen will. (Aber für den sollte es hinter diesem Vorhang auch etwas Bedeutungsvolles zu entdecken geben ...) - Ich persönlich mag ja rätselhafte Geschichten bzw. rätselhafte Kunst überhaupt, Franz Kafka, David Lynch, Neo Rauch. Aber das sind Beispiele, wo der "Text" trotz des Rätsels funktioniert. Wenig nervt mich mehr als Kunst, die Bedeutung vorgibt und keine Substanz hat - das ist so ähnlich wie die Typen, die Kaviar essen, weil sie meinen, jemand mit einem guten Geschmack müsse dies tun. Die also mit Kaviaressen die fehlende Substanz kaschieren, nämlich ihre eigene Geschmacklosigkeit oder -beliebigkeit. Ich denke, dass ich einen guten Geschmack habe - aber Kaviar mag ich gar nicht. Und in der Kunst mag ich Blender nicht. Deshalb sage ich, Kunst - im engeren Sinn: eine Geschichte - sollte auch funktionieren, wenn der Leser keine tieferen Diskursebenen ergründen will.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

Bully hat geschrieben: der Ring symbolisiert Drogen. :teufel:

Ist aber auch nicht widersprüchlicher als das, was ihr Euch so zusammenreimt.
Ist ja okay. Als Anhänger der Rezeptionsästhetik sehe ich es ohnehin so, dass jeder Leser durch sein interpretierendes Lesen den Sinn eines Textes überhaupt erst konstituiert. Aber mir Widersprüchlichkeit vorzuwerfen ist etwas billig. Dagegen gibt es keinerlei Hinweise auf einen Diskurs über Drogen.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Bully »

Thomas Wawerka hat geschrieben:
Bully hat geschrieben: der Ring symbolisiert Drogen. :teufel:

Ist aber auch nicht widersprüchlicher als das, was ihr Euch so zusammenreimt.
Ist ja okay. Als Anhänger der Rezeptionsästhetik sehe ich es ohnehin so, dass jeder Leser durch sein interpretierendes Lesen den Sinn eines Textes überhaupt erst konstituiert. Aber mir Widersprüchlichkeit vorzuwerfen ist etwas billig. Dagegen gibt es keinerlei Hinweise auf einen Diskurs über Drogen.
Erstens: wenn Du der Ansicht bist, dass der Sinn eines Textes erst durch interpretierendes Lesen entsteht, einverstanden, aber dann solltest Du Tolkien komplett daraus entkoppeln. Der Sinn oder die Botschaft des Textes ist dann entweder eine Eigenschaft des Textes selbst, oder eine Vorstellung des Lesers. Vorwürfe wie die, dass Tolkien seine "Dicke Berta" ausgerichtet hätte, haben dann sowas von: "Behalten Sie Ihren blöden Hammer!"
Vor diesem Hintergrund ist Widersprüchlichkeit tatsächlich der harmloseste Vorwurf.

Zweitens: ich habe nicht behauptet, dass es einen Diskurs gibt oder geben soll. Ich habe gesagt, wenn man unbedingt eine Moral aus dem Buch ziehen will (was man nicht muss), dann wäre "Drogenmissbrauch ist böse" meine Wahl. Gollum hat kein normales Sozialverhalten, isst nur noch unzubereitete Nahrung, lebt als Obdachloser und Krimineller, hat ein extrem zwanghaftes Verhalten und eine Persönlichkeitsstörung, ist abgezehrt und ungepflegt. Und für seinen Stoff geht er durchs Feuer.
Auf welchen RL-Personenkreis trifft sowas sonst noch zu? (Nur dass echte Junkies wie gesagt nicht hunderte von Jahren alt werden....)

Alternativ könnte der Ring auch als Symbol für die Atombombe stehen. Coolerweise kann man sich das aussuchen. 8-)
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

Bully hat geschrieben:wenn Du der Ansicht bist, dass der Sinn eines Textes erst durch interpretierendes Lesen entsteht

Coolerweise kann man sich das aussuchen. 8-)
Die Sinngebung einer Geschichte im Akt des Lesens ist das eine, etwas anderes die nachträgliche literarische Analyse eines Textes. Auf der ersten Ebene kannst du es dir tatsächlich aussuchen, auf der zweiten Ebene gibt es Regeln und Kriterien. Ich möchte dir weder Drogen noch Atombomben wegnehmen, wenn sie dir Spaß machen - auf der ersten Ebene kein Thema. Ich habe mich jedoch auf die zweite Ebene bezogen und kam zu meinen Ergebnisse anhand von Aussagen Tolkiens selbst und aus dem Gesamtzusammenhang seines Werkes (wovon ja HDR nur ein kleines Nebenprodukt ist).
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Doop »

Bully hat geschrieben:...damals gab es noch nicht so viel Fantasytradition (Conan, der Wurm Ouroboros, Barsoom und sonst???).
Das kann ich so unkommentiert nicht stehen lassen... Hier ein kurzer Abriss der Geschichte der Fantasy in ungeordneter Reihenfolge prä-Tolkien (prä-Hobbitt, prä-Inklings, also vor 1937) und ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

L.Frank Baums Oz-Geschichten (die erste 1900)
Lewis Carroll's "Alice in Wonderland" (1865) (da mag man streiten, ob es Fantasy ist, ähnlich wie bei Frankensteins Einsortierung in die SF)
William Morris: "The Well At the World's End" (1896) "The Wood beyond the World" (1894) und einiges mehr [Morris, ein utopischer Sozialist, gilt auch als der Gründervater des Genres Fantasy, ähnlich wie Verne es für die SF ist.]
Fritz Leiber: "Fafhrd and Grey Mouser"-Geschichten (die erste, "Two Sought Adventure" erschien zwar erst 1939, also zwei Jahre nach dem Hobbitt - war aber wohl kaum durch Tolkien beeinflusst)
H.P. Mirrlees: "Lud-In-the-Mist" (1926)
George Macdonald (1824-1905): "Phantastes", "The Princess and the Goblin" und mehr
A. Merritt: "The Ship Of Ishtar" (1924) und anderes
Lord Dunsany: viele Fantasy-Erzählungen und "The King of Elfland's Daughter" (1924)
C.L. Moore "Jirel of Joiry"-Geschichten (1934-1939)
Henry Rider Haggard (1856-1925), unzählige Romane, am bekanntesten "Allan Quatermain", She" "King Solomon's Mines"
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

Edwin Abbott "Flächenland": (1884) - schönes Beispiel auch für SF.
"Hilfreich wäre es, wenn wir die, die sich dem Leistungsdruck widersetzen, bewundern, anstatt sie als Loser anzusehen." -
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Bully »

Thomas Wawerka hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:wenn Du der Ansicht bist, dass der Sinn eines Textes erst durch interpretierendes Lesen entsteht

Coolerweise kann man sich das aussuchen. 8-)
Die Sinngebung einer Geschichte im Akt des Lesens ist das eine, etwas anderes die nachträgliche literarische Analyse eines Textes. Auf der ersten Ebene kannst du es dir tatsächlich aussuchen, auf der zweiten Ebene gibt es Regeln und Kriterien. Ich möchte dir weder Drogen noch Atombomben wegnehmen, wenn sie dir Spaß machen - auf der ersten Ebene kein Thema. Ich habe mich jedoch auf die zweite Ebene bezogen und kam zu meinen Ergebnisse anhand von Aussagen Tolkiens selbst und aus dem Gesamtzusammenhang seines Werkes (wovon ja HDR nur ein kleines Nebenprodukt ist).
Wenn wir schon Äußerungen des Autoren hinzuziehen: Ich meine, eine Aussage Tolkiens gelesen zu haben, wo er Allegorien ablehnt und "Anwendbarkeiten" befürwortet. Sprich, er wollte keine reaktionäre Lehren verbreiten, hat aber nichts dagegen, dass jemand etwas aus seinen Büchern ins richtige Leben mitnimmt.
Das ist das eine.
Das andere: wenn eine wie auch immer gedachte Botschaft, Moral oder Ideologie, die ein Buch vermitteln soll, erst dadurch ankommt, dass der Autor sich hinterher hinstellt und sagt: "Leute, ich habe das so und so gemeint!", dann ist die Botschaft zu subtil. Ist mir dann lieber als das moralisieren.
Das dritte: dass das Auenland ein idyllischer Ort ist, wo man (oder meinethalben: Tolkien) gerne leben würde, will ich jetzt nicht bezweifeln, aber dass das Auenland seine "Reinheit" bewahren muss, egal, was drumrum passiert, ergibt sich eigentlich trotzdem nicht. An einer Stelle wünscht Frodo seinen bequemen Landsleuten eine Katastrophe an den Hals. Bruchtal, Lorien, Rohan und Gondor werden als recht lebenswert, auch für idyllverwöhnte Hobbits, geschildert. Umgekehrt werden die Verluste von Menschen auch nicht irgendwie heruntergespielt.
Ob man aus Frodos Schicksal die Lehre ziehen kann: "Du musst Dich für die Welt opfern!" oder "Irgendwer wird sich schon für die Welt opfern!", ist auch nicht zu entscheiden.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Bully »

Doop hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:...damals gab es noch nicht so viel Fantasytradition (Conan, der Wurm Ouroboros, Barsoom und sonst???).
Das kann ich so unkommentiert nicht stehen lassen... Hier ein kurzer Abriss der Geschichte der Fantasy in ungeordneter Reihenfolge prä-Tolkien (prä-Hobbitt, prä-Inklings, also vor 1937) und ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

L.Frank Baums Oz-Geschichten (die erste 1900)
Lewis Carroll's "Alice in Wonderland" (1865) (da mag man streiten, ob es Fantasy ist, ähnlich wie bei Frankensteins Einsortierung in die SF)
William Morris: "The Well At the World's End" (1896) "The Wood beyond the World" (1894) und einiges mehr [Morris, ein utopischer Sozialist, gilt auch als der Gründervater des Genres Fantasy, ähnlich wie Verne es für die SF ist.]
Fritz Leiber: "Fafhrd and Grey Mouser"-Geschichten (die erste, "Two Sought Adventure" erschien zwar erst 1939, also zwei Jahre nach dem Hobbitt - war aber wohl kaum durch Tolkien beeinflusst)
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George Macdonald (1824-1905): "Phantastes", "The Princess and the Goblin" und mehr
A. Merritt: "The Ship Of Ishtar" (1924) und anderes
Lord Dunsany: viele Fantasy-Erzählungen und "The King of Elfland's Daughter" (1924)
C.L. Moore "Jirel of Joiry"-Geschichten (1934-1939)
Henry Rider Haggard (1856-1925), unzählige Romane, am bekanntesten "Allan Quatermain", She" "King Solomon's Mines"
James Branch Cabell (1879-1958), "Biography of the Life of Manuel"
Ok, danke!
Dass Fafhrd und der graue Mausling schon so alt ist, wusste ich nicht - ich kann mich aber nicht an eine Republik erinnern, außer vllt. die Stadt, die von den Ratten unterlaufen wird. Mit Alice und Oz hast Du natürlich Recht, da hätte ich auch drauf kommen können. :oops: Oz hatte mehr einen Diktator als einen König, aber das Wunderland hat die Königin der Herzen.

Den Rest kenne ich zu meiner Schande nicht, aber gehe ich recht mit meiner Vermutung, dass in "Die Prinzessin und der Kobold" und "Des Königs von Elfenland Tochter" auch Monarchien vorkommen.
Ist also möglich, dass Tolkiens Mittelalter-Setting mit Monarchie und Vasallentum tatsächlich keiner Tradition folgte, sondern mehr eine in die Welt setzte. Andererseits muss das dann trotzdem nicht heißen, dass er seine Leser von der Monarchie überzeugen wollte, da er erstens keine nicht-funktionierende Demokratie einführte, und möglicherweise einfach nur deshalb über mittelalterliches schrieb, weil er sich damit am besten auskannte.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Ming der Grausame »

a3kHH hat geschrieben:Und wegen solcher Überinterpretationen kann ich Geisteswissenschaftler nie richtig ernst nehmen.
Das hat mit Überinterpretation nichts am Hut, sondern ist schnödes kapitalistisches Basiswissen: Der Gewinn des Einen ist immer der Verlust des Anderen. Und exakt deswegen kann es niemals Gerechtigkeit in dieser Welt geben. Weil man niemals allen gegenüber gerecht sein kann.
Bully hat geschrieben:
...Was allerdings zwingend voraussetzt, dass es so etwas wie eine sogenannte Tradition von Fantasyautoren überhaupt gibt – was ich allerdings bestreite. Der schnöde Umstand, dass Fantasy in der Regel rückwärtsgewandt ist, ist keine Tradition, sondern eben bereits ein Teil der Botschaft.
Was allerdings zwingend voraussetzt, dass alle Fantasy-Autoren eine sogenannte Botschaft übermitteln wollen.
Eine Botschaft ist eine von einem Sender an einen Empfänger überbrachte Mitteilung oder Information. Eine Geschichte ist immer eine real überbrachte Mitteilung bzw. Information über bestimmte Ereignisse, seien sie real oder fiktional. Ergo hat ein Autor, sobald er auch nur zum Schreiben ansetzt immer eine Botschaft, die eine interpretative Reaktion hervorrufen soll – das ist schon informationstheoretisch auch gar nicht anders denkbar. Man mag über den zugehörenden Subtext oder sonstige Konnotationen streiten, aber niemals darüber, dass sie schlicht eine kommunikationstheoretische Botschaft ist. Wer all dies bestreitet, hat schlicht bezüglich Semiotik, Informationstheorie, Kommunikationswissenschaften, Nachrichtentechnik und Verhaltensforschung einfach nur keine Ahnung. Sprache kann nicht anders, als eine Botschaft zu überbringen.
Bully hat geschrieben:
Wenn man gutwillig ist, kann man dahin gehend argumentieren, dass es sich um einen Akt der Kritik an die Realität sei. Allerdings muss schon die Frage gestellt werden, warum ausgerechnet eine noch schlechtere Alternative als die Demokratie in den Mittelpunkt gesetzt wird.
Das kann verschiedene Gründe haben: manche halten die Demokratie vllt. wirklich für schlechter, so, wie Du das Tolkien unterstellen willst.
Ich habe niemals John Ronald Reuel Tolkien unterstellt, dass er die Demokratie für etwas Schlechtes hält, weil das schlicht unwahr wäre. Sein Weltbild ist zwar höchst reaktionär, aber ganz sicher nicht undemokratisch, schließlich ist das Auenland AFAIR die einzige demokratisch strukturierte Gesellschaftsstruktur im Herr der Ringe.
Bully hat geschrieben:finden aber wie L.N. Muhr, dass diese im jeweiligen Szenario (eine Epoche irgendwo zwischen Antike und Renaissance) ein Anachronismus wäre oder einfach nicht richtg funktionieren würde
Ich denke nicht, dass L.N. Muhr dieser Ansicht ist. Zumindest kann ich besagte Interpretation nicht aus seine hier getätigte Aussagen herausdestillieren.
Bully hat geschrieben:Eine dritte Möglichkeit ist, dass die sich da gar nicht so viele Gedanken drüber machen, sondern eben Traditionen folgen.
Wer sich die Gedanken anderer unreflektiert zu eigen macht, verschiebt dadurch nicht die Verantwortung dafür. Er beweist dadurch nur, dass er zu faul oder zu dämlich zum Nachdenken ist.
Bully hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:müssten Deiner Theorie zufolge all diese Fantasyautoren feudale Strukturen für überlegen halten
Autoritäre Systeme sind zumindest in der Lage schneller als Demokratien zu reagieren, weshalb immer wieder Wirtschaftsanalysten propagieren, dass China uns deswegen überlegen sei. Ich teile zumindest letzte Ansicht nicht, kann jedoch Ersteres nicht widersprechen.
China ist erstens kein Feudalsystem mehr
Deshalb schrieb ich ja auch ganz explizit von autoritären Systemen. Feudalismus ist nämlich immer ein autoritäres System, weil es schließlich auf Hörigkeit basiert.
Bully hat geschrieben:zweitens geht es jetzt nicht um Deine Ansichtren, sondern um die von Fantasy-Autoren.
Meine Gedanken dazu sind nichts anderes als das Endprodukt einer interpretativen Reaktion auf die Botschaft besagter Autoren. Wer eine Botschaft bzw. Ansicht kommuniziert, aus welchen Gründen auch immer, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er besagte Botschaft bzw. Ansicht kommuniziert und er muss sich auch entsprechende Interpretationen auf seine Botschaften bzw. Ansichten gefallen lassen. C'est la vie.
Bully hat geschrieben:
Er überhöht die Idylle, obwohl eine Idylle immer nur das Produkt von gegenseitiger Unterdrückung und Ungerechtigkeit sein kann. Et cetera ad nauseam.
Ob Idylle nur das Produkt von gegenseitiger Unterdrückung sein kann, wage ich mal sehr zu bezweifeln
Bezweifeln kannst du es natürlich, was aber nichts an der sozialwissenschaftlichen Tatsachen ändert. Eine Idylle ist nämlich immer nur ein Produkt einer Verklärung, also eine schnöde Chimäre, welche die zugrundeliegende Herrschafts- und Machtstrukturen beschaulich und friedlich wirken lassen soll – ein simpler Euphemismus also, nichts weiter als eine vertuschende Verbrämung, welche die realexistierende Praxis beschönigen soll.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Ming der Grausame »

Bully hat geschrieben:Wenn das die Botschaft wäre, wäre es eine Botschaft gegen Königreich und Vasallenstaat.
Ist es ja auch. John Ronald Reuel Tolkien war kein Freund von autoritären Systemen, wenn sie nicht von Gott persönlich etabliert wurden.
Bully hat geschrieben:Weiterhin, eine Gesellschaft ohne austarierte Rechte und Pflichten, in der aber trotzdem jeder seinen festen Platz hat - wie soll das denn gehen
Durch nicht hinterfragbare Traditionen?
Bully hat geschrieben:Drittens wird im HdR den Hobbits eine Menge gezeigt, was außerhalb ihres bisherigen Tellerrandes lag, und genauso Rettung verdient hat.
Ja, es gibt durchaus Rassen, die an bestimmte Wesenszüge und Charaktereigenschaften gekoppelt sind, welche ebenfalls gerettet werden sollten, aber eben nur aufgrund besagte feststehenden Wesenszügen und Charaktereigenschaften. Gewöhnlich nennt man so etwas Rassismus.
Bully hat geschrieben:Wahrscheinlich mögen die Linke das deswegen, weil die übrigen Hobbits für die Burgeosie stehen, die den Arbeiter Frodo ausnutzen. Oder Frodo ist der Bürger, der zur Abwechslung von der arbeitenden Bevölkerung ausgebeutet wird. Ja, das wird's sein.
Nein, die übrigen Hobbits stehen nicht für die Bourgeoisie, sondern für das (spießige) Kleinbürgertum, welche bekanntlich der untersten Schicht des Bürgertums angehört. Und das Bürgertum ist nicht identisch mit der Bourgeoisie. Die Bourgeoisie gehört nämlich eher zur reichen Oberschicht, welche zuzüglich auch noch über eine höchst konservative oder reaktionäre Gesinnung aufweist. Wenn du die entsprechenden soziologischen Begrifflichkeiten nicht kennst, solltest du sie auch nicht verwenden.
Bully hat geschrieben:Dass es modern sein soll, Versuchungen auszuleben statt ihnen zu widerstehen, ist jetzt Deine persönliche Auffassung.
Nein, der Hedonismus kann zwar bis auf Aristippos von Kyrene, der von 435 v. Chr. bis ca. 355 v. Chr. lebte, zurückverfolgt werden, aber die Entsagung ist tatsächlich eine weit ältere religiöse Konzeption. Sie ist nicht einmal eine christliche Konzeption, obwohl das Christentum sie seit jeher propagiert, vor allem im Mittelalter, sondern weit älteren Ursprunges. Aber, dass nur derjenige, der sündigt, auch der Sünde vergeben werden kann, ist ebenfalls eine uralte religiöse Konzeption.
Bully hat geschrieben:Dass dieses Nachgeben im RL zu Problemen von Übergewicht bis Drogensucht führen kann, oder im Kontext von Abenteuerromanen zu Feigheit und Verrat, muss ich wohl nicht weiter ausführen.
Ebenso wenig wie der schnöde Umstand, dass nur so der Mensch anhand seiner Fehler lernen kann und so über sich hinaus wachsen kann.
Bully hat geschrieben:Erstens: wenn Du der Ansicht bist, dass der Sinn eines Textes erst durch interpretierendes Lesen entsteht, einverstanden, aber dann solltest Du Tolkien komplett daraus entkoppeln. Der Sinn oder die Botschaft des Textes ist dann entweder eine Eigenschaft des Textes selbst, oder eine Vorstellung des Lesers.
Eventuell ist er einfach nur der Meinung, dass der Sinn eines Textes sich schlicht aus der Kombination aus Rezeption und der Ursprungstext ergibt? Das ist zumindest mein Verständnis der Rezeptionsästhetik. Der Rezipient kann nicht aus sich selbst heraus etwas interpretieren, ebenso wenig wie der Ursprungstext aus sich selbst heraus für sich sprechen kann. Das Eine gibt es einfach nicht ohne das Andere.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

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Ming der Grausame hat geschrieben:Eventuell ist er einfach nur der Meinung, dass der Sinn eines Textes sich schlicht aus der Kombination aus Rezeption und der Ursprungstext ergibt? Das ist zumindest mein Verständnis der Rezeptionsästhetik. Der Rezipient kann nicht aus sich selbst heraus etwas interpretieren, ebenso wenig wie der Ursprungstext aus sich selbst heraus für sich sprechen kann. Das Eine gibt es einfach nicht ohne das Andere.
Wenn "er" ich ist, dann: Ja.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Bully »

Ming der Grausame hat geschrieben:
a3kHH hat geschrieben:Und wegen solcher Überinterpretationen kann ich Geisteswissenschaftler nie richtig ernst nehmen.
Das hat mit Überinterpretation nichts am Hut, sondern ist schnödes kapitalistisches Basiswissen: Der Gewinn des Einen ist immer der Verlust des Anderen. Und exakt deswegen kann es niemals Gerechtigkeit in dieser Welt geben. Weil man niemals allen gegenüber gerecht sein kann.
Kann sein, dass das in unserer Welt so ist. Aber vllt. stellt sich Tolkien seine Welt anders vor.
Bully hat geschrieben:...Was allerdings zwingend voraussetzt, dass alle Fantasy-Autoren eine sogenannte Botschaft übermitteln wollen.
Eine Botschaft ist eine von einem Sender an einen Empfänger überbrachte Mitteilung oder Information. ... Sprache kann nicht anders, als eine Botschaft zu überbringen.
Schon, aber das heißt nur, dass Tolkien nicht notwendigerweise diese Absicht hatte. Vllt. hat er die Botschaft (welchen Inhalts auch immer) versehentlich übertragen.
Bully hat geschrieben: ... Das kann verschiedene Gründe haben: manche halten die Demokratie vllt. wirklich für schlechter, so, wie Du das Tolkien unterstellen willst.
Ich habe niemals John Ronald Reuel Tolkien unterstellt, dass er die Demokratie für etwas Schlechtes hält, weil das schlicht unwahr wäre. Sein Weltbild ist zwar höchst reaktionär, aber ganz sicher nicht undemokratisch, schließlich ist das Auenland AFAIR die einzige demokratisch strukturierte Gesellschaftsstruktur im Herr der Ringe.
Sorry, das kam anders rüber. Was ist denn dann reaktionär? Patronyme sind für mich Epochenkolorit.
Bully hat geschrieben:finden aber wie L.N. Muhr, dass diese im jeweiligen Szenario (eine Epoche irgendwo zwischen Antike und Renaissance) ein Anachronismus wäre oder einfach nicht richtg funktionieren würde
Ich denke nicht, dass L.N. Muhr dieser Ansicht ist. Zumindest kann ich besagte Interpretation nicht aus seine hier getätigte Aussagen herausdestillieren.
Ok, Sorry L.N., für etwaige Missverständnisse!
Dessenungeachtet halte ich es für möglich und plausibel, dass es Fantasy-Autoren gibt, die so denken.
Bully hat geschrieben:Eine dritte Möglichkeit ist, dass die sich da gar nicht so viele Gedanken drüber machen, sondern eben Traditionen folgen.
Wer sich die Gedanken anderer unreflektiert zu eigen macht, verschiebt dadurch nicht die Verantwortung dafür. Er beweist dadurch nur, dass er zu faul oder zu dämlich zum Nachdenken ist.
Schon richtig, ist aber trotzdem was anderes.
Bully hat geschrieben:
... Autoritäre Systeme sind zumindest in der Lage schneller als Demokratien zu reagieren, weshalb immer wieder Wirtschaftsanalysten propagieren, dass China uns deswegen überlegen sei. Ich teile zumindest letzte Ansicht nicht, kann jedoch Ersteres nicht widersprechen.
China ist erstens kein Feudalsystem mehr
Deshalb schrieb ich ja auch ganz explizit von autoritären Systemen. Feudalismus ist nämlich immer ein autoritäres System, weil es schließlich auf Hörigkeit basiert.
Meinst Du jetzt "Hörigkeit" im historischen Sinn? Davon war im HdR nichts zu lesen.
Dass der Feudalismus ein autoritäres System ist, will ich nicht bestreiten, aber dieses autoritäre System ist nicht unbedingt für schnelle Reaktionen berühmt (was natürlich auch am Mittelalter liegt).
Bully hat geschrieben:zweitens geht es jetzt nicht um Deine Ansichtren, sondern um die von Fantasy-Autoren.
Meine Gedanken dazu sind nichts anderes als das Endprodukt einer interpretativen Reaktion auf die Botschaft besagter Autoren. Wer eine Botschaft bzw. Ansicht kommuniziert, aus welchen Gründen auch immer, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er besagte Botschaft bzw. Ansicht kommuniziert und er muss sich auch entsprechende Interpretationen auf seine Botschaften bzw. Ansichten gefallen lassen. C'est la vie.
Prinzipiell ja, aber nicht jeden Mist.
Bully hat geschrieben:
Er überhöht die Idylle, obwohl eine Idylle immer nur das Produkt von gegenseitiger Unterdrückung und Ungerechtigkeit sein kann. Et cetera ad nauseam.
Ob Idylle nur das Produkt von gegenseitiger Unterdrückung sein kann, wage ich mal sehr zu bezweifeln
Bezweifeln kannst du es natürlich, was aber nichts an der sozialwissenschaftlichen Tatsachen ändert. Eine Idylle ist nämlich immer nur ein Produkt einer Verklärung, also eine schnöde Chimäre, welche die zugrundeliegende Herrschafts- und Machtstrukturen beschaulich und friedlich wirken lassen soll – ein simpler Euphemismus also, nichts weiter als eine vertuschende Verbrämung, welche die realexistierende Praxis beschönigen soll.
Oder Tolkien dachte wirklich, dass Idyllen ohne Ausbeutung zustande kämen - ob zu recht oder unrecht, sei mal dahingestellt - und die Botschaft wäre "gegen Unterdrückung sein". Oder es ist die Botschaft, dass Idyllen ohne Unterdrückung so realistisch wie Drachen, Unsterblichkeit und sprechende Bäume sind.
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von Bully »

Ming der Grausame hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:Wenn das die Botschaft wäre, wäre es eine Botschaft gegen Königreich und Vasallenstaat.
Ist es ja auch. John Ronald Reuel Tolkien war kein Freund von autoritären Systemen, wenn sie nicht von Gott persönlich etabliert wurden.
Von Gott persönlich? Aha.
Bully hat geschrieben:Weiterhin, eine Gesellschaft ohne austarierte Rechte und Pflichten, in der aber trotzdem jeder seinen festen Platz hat - wie soll das denn gehen
Durch nicht hinterfragbare Traditionen?
Die würden aber irgendwelche Rechte und Pflichten regeln, vermutlich sogar austarierte Rechte und Pflichten.
Bully hat geschrieben:Drittens wird im HdR den Hobbits eine Menge gezeigt, was außerhalb ihres bisherigen Tellerrandes lag, und genauso Rettung verdient hat.
Ja, es gibt durchaus Rassen, die an bestimmte Wesenszüge und Charaktereigenschaften gekoppelt sind, welche ebenfalls gerettet werden sollten, aber eben nur aufgrund besagte feststehenden Wesenszügen und Charaktereigenschaften. Gewöhnlich nennt man so etwas Rassismus.
Irgendwie fällt mir kein Volk ein, was nicht gerettet werden soll. Selbst die Orks werden nicht am Ende ausgerottet oder so.
Bully hat geschrieben:Wahrscheinlich mögen die Linke das deswegen, weil die übrigen Hobbits für die Burgeosie stehen, die den Arbeiter Frodo ausnutzen. Oder Frodo ist der Bürger, der zur Abwechslung von der arbeitenden Bevölkerung ausgebeutet wird. Ja, das wird's sein.
Nein, die übrigen Hobbits stehen nicht für die Bourgeoisie, sondern für das (spießige) Kleinbürgertum, welche bekanntlich der untersten Schicht des Bürgertums angehört. Und das Bürgertum ist nicht identisch mit der Bourgeoisie. Die Bourgeoisie gehört nämlich eher zur reichen Oberschicht, welche zuzüglich auch noch über eine höchst konservative oder reaktionäre Gesinnung aufweist. Wenn du die entsprechenden soziologischen Begrifflichkeiten nicht kennst, solltest du sie auch nicht verwenden.
Sollte auch eine ironische Überspitzung sein, aber egal. Frodo kann man jedenfalls recht gut der Reichen Oberschicht zuordnen, Sam wäret ziemlich genau das, was man einen Kleinbürger nennt.
Ob das den Linken wohl gefallen hat?
Bully hat geschrieben:Dass es modern sein soll, Versuchungen auszuleben statt ihnen zu widerstehen, ist jetzt Deine persönliche Auffassung.
Nein, der Hedonismus kann zwar bis auf Aristippos von Kyrene, der von 435 v. Chr. bis ca. 355 v. Chr. lebte, zurückverfolgt werden, aber die Entsagung ist tatsächlich eine weit ältere religiöse Konzeption. Sie ist nicht einmal eine christliche Konzeption, obwohl das Christentum sie seit jeher propagiert, vor allem im Mittelalter, sondern weit älteren Ursprunges. Aber, dass nur derjenige, der sündigt, auch der Sünde vergeben werden kann, ist ebenfalls eine uralte religiöse Konzeption.
:lol: YMMD!
Bully hat geschrieben:Dass dieses Nachgeben im RL zu Problemen von Übergewicht bis Drogensucht führen kann, oder im Kontext von Abenteuerromanen zu Feigheit und Verrat, muss ich wohl nicht weiter ausführen.
Ebenso wenig wie der schnöde Umstand, dass nur so der Mensch anhand seiner Fehler lernen kann und so über sich hinaus wachsen kann.
Frodo hatte die Lektion: "Benutze IHN nicht wieder, aus welchem Grunde auch immer!" eigentlich ziemlich früh gelernt; auf die harte Tour sogar (wäre an dem Fehler fast gestorben). Am Ende gibt er dieser Versuchung doch noch nach und wäre fast gescheitert.
Bully hat geschrieben:Erstens: wenn Du der Ansicht bist, dass der Sinn eines Textes erst durch interpretierendes Lesen entsteht, einverstanden, aber dann solltest Du Tolkien komplett daraus entkoppeln. Der Sinn oder die Botschaft des Textes ist dann entweder eine Eigenschaft des Textes selbst, oder eine Vorstellung des Lesers.
Eventuell ist er einfach nur der Meinung, dass der Sinn eines Textes sich schlicht aus der Kombination aus Rezeption und der Ursprungstext ergibt? Das ist zumindest mein Verständnis der Rezeptionsästhetik. Der Rezipient kann nicht aus sich selbst heraus etwas interpretieren, ebenso wenig wie der Ursprungstext aus sich selbst heraus für sich sprechen kann. Das Eine gibt es einfach nicht ohne das Andere.
Ja, eben. Was sollen dann die Vorwürfe gegen Tolkien?
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L.N. Muhr
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Re: Heyne Science-Fiction-Vorschau 11/12 bis 4/13

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Ich finde Debatten, in denen sich statt ausformulierter Argumente nur noch Satzfetzen und deren Erwiderung um die Ohren gehauen werden, zutiefst hermetisch und für Außenstehende undurchschaubar.

So wie ein gutes Argument durch einen schlechten redner gekillt werden kann, kann eine Forendebatte durch eine Diskussion im Hackmesserstil gekillt werden.

Ich habe übrigens keine Ahnung, wer was in meine Worte reininterpretiert, weil ich euch beiden Hackmessern einfach nicht mehr folgen kann. Das ist eure Privatdebatte.
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