[Übersetzungsfrage] "truthspeak"

Science Fiction in Buchform
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Frank Böhmert

[Übersetzungsfrage] "truthspeak"

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Hey-ho!

Vielleicht kann mir jemand rasch weiterhelfen: In Orwells 1984 kommt im Original der schöne Begriff "truthspeak" für das vor, was die Regierung so tut, wenn sie etwas verlautbart. Wie heißt der Begriff in der deutschen Ausgabe dafür?

Herzlichen Dank schon mal an die Fleißigen, die Neugierigen, die Ohneerstinsbuchzuguckenwissenden ...

Frank :wink:
Ulrich
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Ungelesener Beitrag von Ulrich »

Bin mir nicht sicher, ob du das meinst:

Die Umgestaltung des Wortschatzes/offizielle Amtssprache Ozeaniens wird in der
1. Übersetzung von Kurt Wagenseil als "Neusprache" bezeichnet
2. Übersetzung von Michael Walter als "Neusprech" bezeichnet.

Hast du eine Textstelle, dann kann ich in der deutschen Ausgabe nachschauen.
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Ulrich hat geschrieben:Hast du eine Textstelle, dann kann ich in der deutschen Ausgabe nachschauen.
Hey, Ulrich!

Nee, ne Textstelle hab ich leider nicht. Ich weiß auch nicht einmal genau, ob truthspeak im Original-Orwell wirklich vorkommt, habe nur entsprechende Hinweise im Internet gefunden, in einer Aufzählung von newspeak/Neusprech, doublethink/Doppeldenk usw. Aber "wahrsprech" ergibt einen einzigen Hit ... daher stehe ich blöd da - zumal ich beide Bücher gerade nicht greifbar habe. :oops:

"truthspeak" scheint mir einfach eine Anspielung auf Orwell zu sein, da im selben Buch (The Purple Emperor von Herbie Brennan) auch ein "Dr. Vapourer" vorkommt, und an das Vaporisieren erinnerte ich mich noch aus meiner Orwell-Lektüre, die ewig lang her ist. Erinnerte mich aber leider erst bei der Abschlussbearbeitung, über der ich gerade hocke - wie das manchmal so ist.

In der Brennan-Textstelle selbst gehts eher um "wahre rede" im philosphischen Sinne, aber wenn es sich um eine Orwell-Anspielung handelt, dann will ich die auch drin lassen, logisch.

Hetze, hetze

Frank
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Frank Böhmert hat geschrieben:Ich weiß auch nicht einmal genau, ob truthspeak im Original-Orwell wirklich vorkommt, habe nur entsprechende Hinweise im Internet gefunden, in einer Aufzählung von newspeak/Neusprech, doublethink/Doppeldenk usw.
Alles zurück auf Start.

Ja ja, das ewige Problem mit der Verlässlichkeit der Quellen im WWW! :laser: Alles Quatsch. In Orwells Roman kommt überhaupt kein truthspeak vor, habe ich gerade in einer Online-Bibliothek überprüft.

Dann kann ich also locker "wahrsprech" in die deutsche Sprache einführen. :wink:

Frank, hektisch :oops:
Ulrich
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Ungelesener Beitrag von Ulrich »

"wahrsprech" hört sich gut an. Die Wagenseil-Übersetzung halte ich insgesamt für besser. aber in deinem Fall würde ich Walter folgen und "speak" mit "sprech" übersetzen. In 1984 soll das Wort "Gedanke" später nicht mehr geben, nur noch "denk", das Substantiv und Verb zugleich ist. Ist jetzt von mir schnell zusammengereimt, aber unter anderem deswegen ist "sprech" vielleicht besser, d.h. "wahrsprech".

Im 1984 Original sollte es Newspeak heißen, also Neusprech oder Neusprache. Doppeldenk bedeutet etwas für wahr zu halten wie gleichzeitig auch das Gegenteil.
Fjunch-Klick
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Ungelesener Beitrag von Fjunch-Klick »

Frank Böhmert hat geschrieben: (The Purple Emperor von Herbie Brennan)
da du ja grad richtig viel zeit hast :smokin
ist obiges ein folgeband zum "elfenportal"? und: wieso die eile? bei amazon ist der erscheinungstermin mit mai 05 genannt.
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Fjunch-Klick hat geschrieben:ist obiges ein folgeband zum "elfenportal"?
Ja. Und ein guter. :biggrin:
Fjunch-Klick hat geschrieben:und: wieso die eile? bei amazon ist der erscheinungstermin mit mai 05 genannt.
:o Machst du Witze? Das ist doch nicht mehr lange hin, wenn man seine Bücher sorgfältig verlegt. Das Buch muss vor Weihnachten zumindest so weit lektoriert sein, dass sich Vorabexemplare für die Vertreter herstellen lassen, und je genauer die dem Endergebnis entsprechen, desto besser.

Ich bin gerade mit dem "Rundmachen" beschäftigt und maile die Chose in 100-Seiten-Blöcken ans Lektorat, damit sie dort noch Zeit haben. Und manche Sachen entdeckt man eben erst auf den letzten Metern ... Brennan kommt so locker daher, aber die meisten seiner "erfundenen" Begriffe hat er von irgendwoher, der Braten.

Frank
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Ungelesener Beitrag von Ulrich »

Dann viel Erfolg damit und dass die Weihnachtstage ruhiger verlaufen. vielleicht gibt es dazu auch später ein Hörbuch.
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Ulrich hat geschrieben:Dann viel Erfolg damit und dass die Weihnachtstage ruhiger verlaufen.
Danke! Und die Weihnachtstage verlaufen auf jeden Fall ruhiger. Sobald ich den Brennan fertig habe, wird ganz gemütlich bis Weihnachten geschrieben, und über den Jahreswechsel mache ich zum ersten Mal seit Jahren richtig frei. :D Ah, Luxus ...
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Khaanara
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Ungelesener Beitrag von Khaanara »

Frank Böhmert hat geschrieben:
Fjunch-Klick hat geschrieben:ist obiges ein folgeband zum "elfenportal"?
Ja. Und ein guter. :biggrin:
Cool, der erste hat mir schon sehr gefallen und im Mai hab ich Geburtstag, das passt 8)

Hier meine Eindrücke des ersten Bandes:
http://www.fictionfantasy.de/modules.ph ... e&sid=1535
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Susanne
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Ungelesener Beitrag von Susanne »

Frank Böhmert hat geschrieben:Brennan kommt so locker daher, aber die meisten seiner "erfundenen" Begriffe hat er von irgendwoher, der Braten.

Frank
Hallo Frank -

wieso nicht - in so konkreten Fällen - den Autor selbst fragen? Äh, ich meine, ob, und wenn ja, auf welches "irgendwoher" er anspielt ...
Lebendig isser ja noch, oder? ;) Oder verstößt das gegen irgendeinen ehernen Übersetzerehrenkodex? :D
Nur so als Gedanke: mir als Autorin wäre es wichtiger, dass meine Story mit nach Möglichkeit sämtlichen netten Anspielungen so gut wie es nur geht übersetzt würde, als wegen irgendwelcher Kodexe - oder weshalbauchimmer - nicht vom Übersetzer belämmert zu werden. ;)

Oder wie sehen das Autoren, deren Bücher schon übersetzt wurden?

LG Susanne
Verschiebe nicht auf morgen, was auch bis übermorgen Zeit hat. (Mark Twain)
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Ungelesener Beitrag von andy »

Frank Böhmert hat geschrieben: :o Machst du Witze? Das ist doch nicht mehr lange hin, wenn man seine Bücher sorgfältig verlegt. Das Buch muss vor Weihnachten zumindest so weit lektoriert sein, dass sich Vorabexemplare für die Vertreter herstellen lassen, und je genauer die dem Endergebnis entsprechen, desto besser.

Ich bin gerade mit dem "Rundmachen" beschäftigt und maile die Chose in 100-Seiten-Blöcken ans Lektorat, damit sie dort noch Zeit haben. Und manche Sachen entdeckt man eben erst auf den letzten Metern ... Frank
ich als außenstehender konsument wäre sicherlich sehr überrascht, wieviel arbeit in einem buch steckt bis es endlich auf meinem nachttisch liegt.
eine sehr interessante branche, in die ich leider kaum einblick habe.

eventuell können die experten hier im forum da etwas weiter helfen?
:wink:
andy
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Susanne hat geschrieben:wieso nicht - in so konkreten Fällen - den Autor selbst fragen? Äh, ich meine, ob, und wenn ja, auf welches "irgendwoher" er anspielt ...
Lebendig isser ja noch, oder? ;) Oder verstößt das gegen irgendeinen ehernen Übersetzerehrenkodex? :D
Die einfachste (und wohl nicht ernst gemeinte) Frage zuerst: Von so einem ehernen Übersetzerehrenkodex weiß ich nicht ...

Es ist, glaube ich, letztlich ne Mentalitätsfrage. Ich kenne Übersetzer, die suchen den Kontakt zu ihren Autoren, und ich kenne Übersetzer, die meiden den Kontakt zu ihren Autoren. Wie Du Dir denken kannst, zähle ich zu letzteren. :wink: Ich glaube, vor allem aus pragmatischen Gründen.

Das Beispiel mit "truthspeak" ist für meine Haltung ein gutes: Ich gewinne reinweg gar nichts, wenn ich da den Autor frage.

a) Vielleicht ist es eine Anspielung auf Orwell. Dann kann er mir die Deutsch-Recherche trotzdem nicht ersparen.

b) Vielleicht ist es keine Anspielung auf Orwell. Dann schwingt Orwell da aber trotzdem immer noch mit.

c) Das wirst Du kennen, wenn Du selbst schreibst: Vielleicht hat der Autor es einfach nur unbewusst reingebracht, hat einfach nur aus dem Vollen dessen geschöpft, was er sich in seinem Leseleben so reingezogen hat. Dann kann er mir noch nicht mal die Frage beantworten.

Verschärfend kommt noch das Problem hinzu, dass ich als Übersetzer erst einmal eine Anspielungsvermutung haben muss. Kein Autor kann mir auf Anfrage eine Liste seiner Anspielungen mit Quellenangaben liefern. Sprich: Was ich nicht erkenne/vermute, fällt knallhart durch den Rost, selbst wenn ich mit dem Autor in Kontakt stehe.
Susanne hat geschrieben:Nur so als Gedanke: mir als Autorin wäre es wichtiger, dass meine Story mit nach Möglichkeit sämtlichen netten Anspielungen so gut wie es nur geht übersetzt würde, als wegen irgendwelcher Kodexe - oder weshalbauchimmer - nicht vom Übersetzer belämmert zu werden. ;)
Dann wärest Du gut beraten, Deine Agentur entsprechend zu instruieren. Und schwupp, schon würdest Du belämmert werden :biggrin: Es gibt durchaus Autoren, die an der Auswahl ihrer Übersetzer beteiligt sind. Es gibt sogar Autoren, die sich mit ihren Übersetzern treffen, um bestimmte Punkte durchzugehen. Geht alles.

Nur bekämst Du dann, also wenn Du auf englisch schreiben würdest jetzt, keinesfalls mich als Übersetzer. :wink: Ich betrachte mich als Nachdichter, ich nehme das Original als Arbeitsmaterial für ein deutsches Buch. Und so werden mir von meinen Verlagen die Projekte auch oft angeboten: "Herr Böhmert, für dieses Buch brauchen wir einen Autor, das kriegt ein Übersetzer nicht hin." (Letzteres bezweifle ich immer stark, aber wahrscheinlich hat ein reiner Übersetzer mehr Skrupel als ich, mit der Rohmasse dermaßen rumzukneten.)

In den gut zehn Jahren meiner übersetzerischen Tätigkeit habe ich jedenfalls erst ein einziges Mal den Autor kontaktiert. Das war bei einem Shakespeare-Zitat, das ich - noch vor den fetten Jahren der Internetrecherche, versteht sich - einfach keinem Stück zugeordnet bekam und demzufolge auch nicht schlegeltiecken konnte.
Susanne hat geschrieben:Oder wie sehen das Autoren, deren Bücher schon übersetzt wurden?
Von mir ist mal eine Kurzgeschichte übersetzt worden, "Das Loch/The Hole". Das wurde dann, da ich ja nun ein bisschen Englisch kann, eine Co-Übersetzung. Sehr lustige Erfahrung, denn jetzt kommt der Witz: Die englische Übersetzung ist später mal überarbeitet worden, von jemandem, der mich nicht kannte und nicht kontaktiert hat. Pointe: Seine Version war die treffendere.

Frank, der jetzt genug ge :lehrer: t hat!
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Susanne
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Ungelesener Beitrag von Susanne »

Hallo Frank,

Danke für diesen sehr interessanten und ausführlichen Einblick ins Belletristik-Übersetzerleben! Deine Motive, den Kontakt zu „deinen“ Autoren zu meiden, kann ich jetzt (teilweise) nachvollziehen. Gebe aber zu bedenken: Was erwarten Leser bei einer Übersetzung? _Ich_ jedenfalls erwarte die Story des Autors, der außen draufsteht auf dem Buchdeckel – nicht die des Übersetzers (überspitzt ausgedrückt.) Wenn ich Frank Böhmert lesen möchte, kaufe ich mir ein Buch, wo Frank Böhmert _außen_ draufsteht (gibt es ja ;)), nicht irgendwo drinnen. Mir ist schon klar, dass es einfache 1:1-Übertragungen von einer Sprache in die andere nicht gibt, dass jede Übersetzung immer auch eine Interpretation ist – und dass man natürlich nur fragen kann, was einem auffällt - trotzdem: ich zumindest erwarte so weitgehende Originaltreue, wie nur irgend möglich. Jedenfalls bei zeitgenössischer Literatur – und wenn da NICHT ausdrücklich irgend etwas von „in neuer Überarbeitung“ draufsteht. _Keine_ Verbesserung/Variation über ein Thema von XY – sondern möglichst genau XYs Gedankenwelt, seien Stil, u.s.w. Es ist das Werk des Autors – an dem viele hilfreiche Geister mitgewirkt haben: ganz besonders hervorzuheben die Lektoren, dann noch Korrektoren – Übersetzer zählen für mich in die gleiche Kategorie wie Lektoren. Ebenso wenig, wie ein Lektor den Text „seines“ Autors eigenhändig umschreibt und verbessert, sollte das meinem Verständnis nach ein Übersetzer tun. Es ist sicher verlockend, eigenhändig das Optimum (nach eigenem Gusto) aus einem Text herauszuholen - _richtig_ finde ich es nicht.

Das Nachfragen: wenn ein ‚Braten’ sich an seine eigenen Wortspiele auch nicht mehr erinnern kann, Pech gehabt :lol: - stunden- oder tagelang rumgrübeln und suchen kann man ja immer noch ... ;)

Na, vielleicht ändert sich meine Meinung noch – einstweilen habe ich jedenfalls noch keinerlei Gründe für irgendwelche Befürchtungen. :D Es bleibt aber für mich eine Gruselvorstellung, was ich an andere Stelle hier mal gelesen habe: da wurde ein Autor für irgendwelche Raffinessen (in der übersetzten Version) eines seiner Werke bejubelt – und konnte damit überhaupt nichts anfangen. Weil diese tollen Kunstgriffe nämlich ausschließlich in der Übersetzung zu finden waren, und keine Entsprechung im Original hatten. Habe leider Autor und Titel vergessen. :D

Nichtsdestotrotz - toitoitoi, dass alles glattläuft bis zur Deadline - und einem ruhigen, erhohlsamen Jahreswechsel nichts entgegensteht :bier:

LG Susanne
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Susanne hat geschrieben:ich zumindest erwarte so weitgehende Originaltreue, wie nur irgend möglich.
Und ich behaupte, dass - mit einer Ausnahme, wo der Verlag mich ausdrücklich gebeten hat, das Buch "schön zu schreiben" und ich auch fand, dass dies mehr als nötig war, denn es handelte sich um ein unredigiertes Originalmanuskript einer wenig geübten Person - sämtliche meiner Übersetzungen sehr originalgetreu sind. :wink:
Susanne hat geschrieben:Ebenso wenig, wie ein Lektor den Text "seines" Autors eigenhändig umschreibt und verbessert
Ähem. :biggrin: Pardonnez moi.
Susanne hat geschrieben:Es ist sicher verlockend, eigenhändig das Optimum (nach eigenem Gusto) aus einem Text herauszuholen - _richtig_ finde ich es nicht.
Ich auch nicht. Dafür kann ich selber Bücher schreiben. Und, wie ich auch von anderen Autoren weiß: Es ist sehr anregend, die schlechte Umsetzung einer brauchbaren Idee zu lesen. Das führt oft à la "Das kann ich aber besser!" zu einer neuen, eigenen Geschichte, an die man bis dahin noch gar nicht gedacht hatte.

Nee, um das genauer einzugrenzen zwei Kernsätze:

1. "Die Geschichte zählt, nicht der Erzähler." (Stephen King)

2. Ich versuche als Übersetzer nicht, der einzelnen Textstelle gerecht zu werden, sondern dem Geist eines Buches. Oder, was ich bevorzuge, dem Klang eines Buches.

Und zu meiner Verantwortung als Übersetzer zählt natürlich auch, Aufträge abzulehnen, bei denen ich mit den Autoren und Lektoraten wegen dieser Haltung in Konflikt käme, klar. Und das tue ich auch. Habe erst vor ein paar Monaten knapp zweitausend Euro in den Sand gesetzt, weil ich ein Buch nach über 100 Seiten Übersetzung wegen unterschiedlicher Auffassungen dann lieber doch nicht machen wollte (und auch nicht später meine verstümmelten Seiten im Buch vorfinden wollte - sie also nicht geliefert habe). So what. So kamen die werten Perry-Rhodan-Leser dann in den vorzeitigen, teils zweifelhaften Genuss eines Böhmert-Gastromans ... :wink:


Und um abschließend noch mal auf die Eingangsfrage des Threads zurückzukommen, denn dieses total kleine, banale Beispiel "truthspeak" ist einfach wunderbar zur Illustration aller möglichen Übersetzungsproblematiken:

Beim Redigieren der Übersetzung habe ich die Orwell-Anspielung bzw. das Orwell-Mitschwingen wieder rausgeschmissen. Aus "truthspeak" wurde jetzt nicht ein orwelleskes "wahrsprech", sondern eine "Wahrrede". Unter anderem deshalb, weil Brennan nämlich ein unglaublich lockerer Autor ist, und "wahrsprech" sich aus dem Mund der Figur, die das sagt, völlig krampfig angehört hat, wohingegen die "Wahrrede" aus dem Mund derselben Figur brennanmäßig locker daherkommt.

Frank, seit Montag feddich damit - bis die Fahnen kommen :bier:
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