Die Phantastik - Lesechallenge 2025

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Shock Wave Rider
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Shock Wave Rider »

Melde Vollzug für Kategorie 3.) ein Buch, das den Nebula Award gewonnen hat

Mein Take: Michael Bishop - "Nur die Zeit zum Feind"
Original: „No Enemy But Time”, 1982
Nebula Award Winner 1983
Michael-Bishop+Nur-die-Zeit-zum-Feind_s.jpg
Der Zeitreiseroman von Michael Bishop wurde in einer der letzten phantastisch!-Ausgaben besprochen. Deshalb fiel meine Wahl auf dieses Werk.
“Der Buchrücken“ hat geschrieben: John Monegal, Sohn einer stummen spanischen Prostituierten und eines farbigen Amerikaners, kommt in einem Elendsviertel bei Sevilla zur Welt. Schon als Kind zur Regression gezwungen, zieht er sich in seine Traumwelten zurück. Doch seine Träume sind anders als die anderer Menschen, sie sind konsistent, bilden ein zusammenhängendes Muster.
Doch dessen wird er viel später erst gewahr. Als Findelkind den Amerikanern der nahen Luftwaffenbasis ausgehändigt, kommt er in die Vereinigten Staaten und wächst in Florida und Kansas auf.
Als er älter wird, beginnt er seine Träume aufzuzeichnen: sie sind Berichte aus dem Innern Afrikas – doch nicht des Afrikas von heute, es sind Szenen aus dem Pleistozän, eine Million Jahre in der Vergangenheit, wie er anhand der Tierformen feststellen kann. Doch wie sind diese Bilder in seinen Kopf gelangt? Sind es Erinnerungen eines Zeitreisenden, der die Epoche besuchen wird? Sie besucht hat? Sind es seine – zukünftigen Erinnerungen?
Es gelingt ihm, Forscher für sein Problem zu interessieren. Er weiß nicht, daß ein Geheimprojekt der Regierung in dieser Richtung existiert, und daß ihr grüßtes Interesse Menschen wie ihm gilt, die solche Träume haben.
Und das Experiment gelingt – wenn auch nicht so, wie die Wissenschaftler sich das vorstellen.
Das Setting ist cool. In seinen Träumen erscheinen John-John, wie er mehr oder weniger liebevoll genannt wird, Bilder aus weiter prähistorischer Vergangenheit. Ich mag es, wenn Träume mehr sind und mehr bewirken als „nur“ Träume. Hier erweisen sie sich als Erinnerung an eine Zeitreise, die erst noch stattfinden wird. Aber diese Zeitreisen scheinen nur mit entsprechenden Träumer zu funktionieren.
Cool ist auch die Idee, einen modernen Menschen per Zeitreise zu den homines habiles zu schicken und sich auszumalen, wie diese Begegnung wohl verlaufen würde.
Cool ist zum dritten die Idee, Johns moderne Lebensgeschichte und seine Erlebnisse im Pleistozän in parallelen Erzählsträngen zu präsentieren.

Aber, ach, wie wenig macht Bishop letztendlich aus diesen großartigen Randbedingungen! Die Geschichte von Johns prekärer Geburt in Sevilla und wie er als Säugling einer jungen amerikanischen Frau angedreht wird, ist an sich stark, fügt sich aber letztlich nicht in die Gesamtkomposition des Romans ein. Gewiss, es wird noch einmal aufgegriffen, …
… als John-Johns Stiefmutter auf eigene Faust irgendwann seine echte Mutter in Spanien aufspürt.
Aber diese Seitengeschichte bleibt lauwarm und wirkt wie abgehakt statt organisch in die Handlung integriert.

So geht es mit vielen Geschehnissen in diesem Buch. Die einzelnen Szenen, die einzelnen Geschichten sind durchaus interessant und könnten ein schönes Mosaikstück in einem starken Roman bilden. Aber sie bleiben zu sehr vereinzelt und nebeneinander und bilden kaum ein rundes, einheitliches Kunstwerk. Anfang der 80er-Jahre sollte man dieser traditionellen Erzählweise von Abenteuer-Romanen entwachsen sein.
Zudem konnte ich nie eine echte Bindung zu John-John aufbauen. Auch wenn ich wegen vieler Schicksalsschläge mit ihm mitfühlen könnte (z.B. stirbt seine homo-habilis-Frau bei der Geburt der gemeinsamen Tochter) – seine Gefühle bleiben meist zu distanziert, zu viele Punkte hakt er viel zu leicht ab, zu viele Ansätze werden nicht genügend ausgearbeitet. Während der Lektüre mutmaßte ich wiederholt, ob die Übersetzung von Biggy Winter hier eine Rolle spielt.

„Nur die Zeit zum Feind“ will zu viel und schafft letztlich zu wenig. Hätte Bishop den Plot etwas zurechtgestutzt und einigen Wildwuchs beseitigt, und hätte er sich stattdessen stärker auf das innere Erleben seines Protagonisten konzentriert und selbiges auch stärker und intensiver ausgearbeitet, dann hätte das ein ganz großer Roman werden können. So bleibt eine Aneinanderreihung einzelner Ereignisse, starke Ideen, die nur oberflächlich ausgearbeitet werden (z.B. wie genau die Zeitreise technisch funktioniert), und einen sprachlich angenehmen Schreibstil, der den Leser aber zu sehr auf Abstand hält. Man kann das Buch lesen, und ich bereue auch nicht, es gelesen zu haben. Aber letztlich empfand ich es als vergebene Chance. Gab es 1982 wirklich keinen besseren Roman?

Mit dem vorliegenden Buch habe ich zum zweiten mal die diesjährige Lese-Challenge beendet. Ein umfassendes Schlussfazit über beide Challenges möchte ich in einem separaten Posting ziehen.
Nur so viel: ich hätte mir gewünscht, dass Teddy auch mit seiner zweiten Challenge vor mir fertig geworden wäre. Schließlich hat er als erster eine zweite Challenge in einem Jahr begonnen. Auf der anderen Seite sah ich aber auch nicht ein, bewusst langsam zu lesen.

Prähistorischer Gruß
Ralf

[X] original deutschsprachig, 2024 erschienen| p.machinery Verlag – NOVA 34
[X] Erstveröffentlichung vor 1963| Albert Daiber – Die Weltensegler (1910) und Vom Mars zur Erde (1914)
[X] Sieger Nebula Award| Michael Bishop – Nur die Zeit zum Feind (Nebula Award 1983)
[X] Nachname, in dem ein "l" vorkommt| Stephen R. DonaLdson – Ein dunkler hungriger Gott erwacht (Amnion 3)
[X] Handlung spielt auf Raumschiff| Stephen R. Donaldson – Heut sterben alle Götter (Amnion 5)
[X]"und" oder "oder" im Titel| Gabriele Behrend – Dornengras & Ginsterzweig
[X] Original weder deutsch noch englisch| Stanisław Lem – Solaris (poln. Original „Solaris“ von 1961)
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Sam Francisco »

Streber! *grins*
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Ender »

Hut ab, Shocky!
Vielleicht gibt's im nächsten Jahr noch eine "Lesechallenge GOLD"-Erweiterung für die unterforderten Teilnehmer ;)

Von Bishop habe ich noch nichts gelesen. Was könnt ihr empfehlen?
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Knochenmann »

Fertig! Letzes Buch: The Master and Margaritha für Kategorie 7 (wäre aber auch für Kategorie 6 oder 5 oder 2 gegangen, Zusatzziel für nächstes Jahr: jedes Buch muss zwei Kategorien umspannen)


[X] 1.) deutschsprachiges Buch aus 2024: Dirk van den Boom, Grabenwelt
[X] 2.) Roman, Erstveröffentlichung vor 1978: Ballard, High Rise
[X] 3.) Sieger Nebula Award: Naomi Novic, Uprooted
[X] 4.) Autor mit "L" im Nachnamen: Ada Palmer, Seven Surrenders
[X] 5.) Roman, der auf einem Raumschiff spielt: Ian M Banks, Bedenke Phlebas
[X] 6.) Buch, mit "und" oder "oder" im Titel: Cory Doctorow, Picks and Shovels
[X] 7.) Original nicht Deutsch oder Englisch: The Master and Margaritha
Als ich jung war, war der Pluto noch ein Planet

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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Shock Wave Rider »

Congrats@Knochi!

wünscht
Ralf
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Uschi Zietsch »

Congrats und Hut ab an SWR!
:bier:
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Teddy »

Shock Wave Rider hat geschrieben: 24. September 2025 13:05 Man kann das Buch lesen, und ich bereue auch nicht, es gelesen zu haben. Aber letztlich empfand ich es als vergebene Chance. Gab es 1982 wirklich keinen besseren Roman?
Bei mir ist es schon sehr lange her, dass ich den Roman gelesen habe, aber ich habe ihn deutlich besser in Erinnerung, als du ihn beschreibst. Beispielsweise fand ich gut, dass die Funktion der Zeitmaschine nicht erklärt wird. Darum geht es in dem Roman doch gar nicht und das wäre viel eher Wildwuchs geworden. Aber wie gesagt, ist lange her, dass ich Nur die Zeit zum Feind gelesen habe und vielleicht gefiele er mir heute auch nicht mehr so gut.
Den Hugo hat übrigens Asimov mit Foundation's Edge gewonnen. Da wäre Bishop auf jeden Fall meine erste Wahl.
Shock Wave Rider hat geschrieben: 24. September 2025 13:05 Nur so viel: ich hätte mir gewünscht, dass Teddy auch mit seiner zweiten Challenge vor mir fertig geworden wäre. Schließlich hat er als erster eine zweite Challenge in einem Jahr begonnen. Auf der anderen Seite sah ich aber auch nicht ein, bewusst langsam zu lesen.
Ist schon gut so. Ich habe mir die letzten beiden Bücher für die Herbstferien vorgenommen. Damit werde ich ziemlich sicher zweiter von denen, die die Challenge zweimal durchführen. Auch eine ordentliche Platzierung.
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Shock Wave Rider »

Teddy hat geschrieben: 24. September 2025 17:23 Bei mir ist es schon sehr lange her, dass ich den Roman gelesen habe, aber ich habe ihn deutlich besser in Erinnerung, als du ihn beschreibst. Beispielsweise fand ich gut, dass die Funktion der Zeitmaschine nicht erklärt wird. Darum geht es in dem Roman doch gar nicht und das wäre viel eher Wildwuchs geworden.
Ich habe beim Schreiben schon gemerkt, dass meine Rezi viel zu negativ rüberkommt. Ja, ich stehe zu meinen Kritikpunkten, aber ich habe immerhin das Buch zu Ende gelesen und fand einzelne Szenen, einzelne Bilder, einzelne Figuren, einzelne Ideen durchaus faszinierend. Die Feinstruktur ist großartig. Leider gelingt es Bishop nicht, seine feingesponnenen Einzelfäden zu einem prachtvollen Teppich zu verweben. Das Rohmaterial dafür hat er geschaffen.

Gruß
Ralf
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Naut »

Kaum ist man ein paar Tage offline, rennen massenhaft Leute über die Ziellinie! Mein Glückwunsch!
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Shock Wave Rider »

Hier kommt das versprochene persönliche Fazit:

First things first: Vielen Dank an Ender, dass du Jahr für Jahr eine neue Challenge ausrufst, dir neue inspirierende Kategorien ausdenkst und den Fortgang der Challenge wohlwollend aber mit der nötigen Strenge und Klarheit begleitest! Ohne deine Initiative hätten wir hier nicht diese Insel des gegenseitigen Austauschs.

Vielen Dank an alle Mitlesenden! Dies Jahr können wir mutmaßlich eine Rekordbeteiligung verzeichnen: 15 Foristen haben bislang insgesamt 17 Challenges eröffnet, und alle (!) haben bereits mindestens 5 von 7 Büchern gelesen. Die allermeisten haben ihre Challenge sogar beendet! Allein diese zahlreiche und rege Beteiligung motiviert zum eigenen Lesen. Ich freue mich immer, wenn einer von euch hier ein neues Buch vorstellt. Daraus ziehe ich regelmäßig Empfehlungen für neue Leseerfahrungen. Aber ich schätze auch, wenn euer Urteil weniger begeistert ausfällt. Dann weiß ich, welches Buch ich eher nicht lesen sollte.

Vielen Dank auch an alle Mitdiskutierenden! Der Austausch von Leseerfahrungen, vor allem auch die manchmal abweichenden Eindrücke eines anderen Foristen eröffnen mir, welch unterschiedliche Perspektiven verschiedene Lesys auf ein und dasselbe Buch haben. Am meisten freut es mich, dass sich an diesen Diskussionen nicht nur die anderen Challenge-Teilnehmer beteiligen, sondern dass auch Foristen von „außerhalb“ hier reinschauen und ihre Meinung dazugeben. Die Challenge findet auch über den aktiven Zirkel hinaus Interesse – das freut mich sehr! Die externen Beiträge genieße ich in der laufenden 2025er-Auflage noch mehr als in vergangenen Challenges.


Nun aber zu meinen Leseerfahrungen. Ich habe die Challenge zweimal absolviert. Als ich im Januar begann, hätte ich mir das nicht träumen lassen. Es gab ja schon Jahre, in denen ich noch nicht mal eine Runde beendet habe. Quantitativ bin ich durchaus ein wenig stolz auf meine Leseleistung.
Aber keine Angst: Einen dritten Anlauf wird es von meiner Seite nicht geben!

Hier liste ich noch einmal alle Bücher auf, die ich für die zwei Challenges gelesen habe:

[X] original deutschsprachig, 2024 erschienen| Christian Endres - Wolfszone
[X] Erstveröffentlichung vor 1963| Stanisław Lem - Sterntagebücher (polnische EA erschienen 1957)
[X] Sieger Nebula Award| Paolo Bacigalupi - Biokrieg
[X] Nachname, in dem ein "l" vorkommt| Stephen R. DonaLdson – Verbotenes Wissen (Amnion 2)
[X] Handlung spielt auf Raumschiff| Stephen R. Donaldson - Die wahre Geschichte (Amnion 1)
[X]"und" oder "oder" im Titel| Stephen R. Donaldson – Chaos UND Ordnung (Amnion 4)
[X] Original weder deutsch noch englisch| Stanisław Lem – Die Stimme des Herrn (polnische EA erschienen 1968)
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
[X] original deutschsprachig, 2024 erschienen| p.machinery Verlag – NOVA 34
[X] Erstveröffentlichung vor 1963| Albert Daiber – Die Weltensegler (1910) und Vom Mars zur Erde (1914)
[X] Sieger Nebula Award| Michael Bishop – Nur die Zeit zum Feind (Nebula Award 1983)
[X] Nachname, in dem ein "l" vorkommt| Stephen R. DonaLdson – Ein dunkler hungriger Gott erwacht (Amnion 3)
[X] Handlung spielt auf Raumschiff| Stephen R. Donaldson – Heut sterben alle Götter (Amnion 5)
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[X] Original weder deutsch noch englisch| Stanisław Lem – Solaris (poln. Original „Solaris“ von 1961)



In früheren Jahren habe ich tatsächlich recherchiert und mir lange überlegt, welches Buch ich für welche Kategorie lesen wollte. Dabei habe ich die Challenges durchaus dafür genutzt, mich auf neue Wagnisse einzulassen und Bücher abseits des Scheinwerfers meines unmittelbaren Interesses zu lesen. Das hat mir stets zu neuen, interessanten Leseerfahrungen verholfen und meinen Lesehorizont erweitert.

Diesmal war das anders. Beide Challenges standen unter dem Motto „SUB-Abbau“; eigentlich war das bislang das Motto des gesamten Lesejahrgangs. In der Tat ist mir die Corona-Zeit stark auf die Leselust geschlagen. Eine statistische Auswertung ergab: Während ich in den Jahren 2015-2019 im Schnitt 80,4 Bücher und Zeitschriften pro Jahr gelesen habe, sank die Quote während der Jahre 2020-2024 auf 37,0. Natürlich habe ich weniger Bücher gekauft, aber dennoch hatte sich zum Jahresbeginn 2025 ein eindrucksvoller SUB angestaut.

Die Aktion „SUB-Abbau“ habe ich nun nahezu beendet (= den SUB auf ein erträgliches Maß reduziert; ein SUB mit null Büchern wäre deutlich schrecklicher als z.B. einer mit 150 Büchern), und dazu haben die beiden Lesechallenges wesentlich beigetragen.
Aber tatsächlich habe ich mir nur die beiden Nebula-Award-Preisträger (Paolo Bacigalupis „Biokrieg“ und Michael Bishops „Nur die Zeit zum Feind“) extra für diese Challenge beschafft. Alle anderen Bücher lagen vorher schon auf meinem SUB. Die Challenge hat also „nur“ dafür gesorgt, dass ich diese Bücher vielleicht etwas früher gelesen habe als ohne Challenge.

Ein Backbone war Donaldsons „Amnion“-Zyklus: ein dicker Packen mit fünf Büchern, eine gigantische Space Opera mit über 3700 Seiten, von vielen hoch gelobt, anderen war die Gewalt und der Bodycount zu hoch. Ich bin froh, diesen Meilenstein hinter mich gebracht zu haben. Mein Fazit fällt ähnlich aus wie zu den beiden Nebula-Preisträgern: faszinierende Welt(en), faszinierende Charaktere, teilweise umwerfende Ideen – aber in allen Büchern hätte man die spezifischen Konsequenzen für meinen Geschmack stärker ausarbeiten können. Der große Handlungsbogen war den Autoren wichtiger als die detaillierte Ausgestaltung der Einzelheiten. Vielleicht ist das amerikanische Schreibtradition, denn bei all diesen Büchern lief vor dem inneren Auge ein Film ab. Aber gerade dieses „Schreiben für Hollywood“ hat unterschwellig meinen Lesegenuss geschmälert.

Insgesamt dreimal habe ich zu Büchern des polnischen Autors Stanisław Lem gegriffen. Für mich eine echte Wiederentdeckung, weil ich vor mehr als 30 Jahren einige seiner Bücher gelesen habe. Der hervorragende Eindruck, an den ich mich erinnere, hat sich mehr als bestätigt. Bei der Challenge durfte ich auch den komischen Lem kennen- und durchaus auch schätzen lernen. Da ich noch einige ungelesene Lems rumzuliegen habe, werde ich wohl öfter mal zugreifen.

Mit Donaldson und Lem habe ich bereits 8 von 14 Einträgen abgedeckt; plus die beiden Nebula-Award-Gewinner macht 10. Die übrigen im Schnelldurchlauf:
  • Christian Endres „Wolfszone“: routiniert geschriebener Near-Future-Thriller über nanotechnisch manipulierte Wölfe, der bei mir gepunktet hat, weil ich Wölfe mag. Unterhaltsam, aber bedient sich konventioneller Handlungs- und Figurenmuster
  • Albert Daiber „Die Weltensegler“ und „Vom Mars zur Erde“: ich stöbere ja gern mal ältere SF-Bücher aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg auf. In diesen Fall war es eine Wiederholungslektüre wegen der Hirnkost-Ausgabe, ein Buch (eigentlich zwei) mit pazifistischer Botschaft und der Entstehungszeit geschuldeten Kuriositäten. Vergnüglich und auch heute noch wert, gelesen zu werden!
  • „NOVA 34“: gelesen, weil eine Story in einen anderen Lesezirkel passte. Solide Anthologie mit bewährten Verfassys deutschsprachiger SF-Kurzgeschichten.
  • Gabriele Behrend „Dornengras & Ginsterzweig“: Mein absolutes Highlight beider Challenges! Gabi fügt der deutschen SF-Landschaft eine ganz eigene Stimme voller Feinfühligkeit, Emotionalität und facettenreichen Charakteren zu, verwebt diese Qualitäten aber immer mit echten SF-Elementen. Im vorliegenden Buch ist ihr das wieder hervorragend gelungen.
Unterm Strich gab es keine richtige Enttäuschung, viel Mittelmaß und Ernüchterung, aber auch zwei oder drei Highlights. Das war aufgrund des Ansatzes (Greif zu den Büchern, die du eh schon gekauft hast!) vorhersehbar.

Sollte es im kommenden Jahr wieder eine Lesechallenge geben (bitte, bitte, Ender!), werde ich wieder versuchen, mich von den Kategorien zu Lektüren abseits des SUBs inspirieren zu lassen. Der Stapel wird bis dahin so weit reduziert sein, dass er Neukäufe verträgt.

(Uff, ist das lang geworden! Doch wes das Herz voll ist, des geht bekanntlich der Mund über. Oder die Tastatur.)

Ich wünsche mir, dass alle Teilnehmer, die ihre Challenge noch nicht beendet haben, das bis zum Jahresende zu erledigen. Damit wir in den Wintermonaten hier noch etwas zu reden haben. 😉

Gruß
Ralf
Zuletzt geändert von Shock Wave Rider am 25. September 2025 17:59, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Naut »

Vielen Dank, Ralf, für diese unterhaltsame und umfassende Zusammenfassung! Ich genieße diese Einblicke sehr, ebenso wie Deine Statistiken zur Challenge.

Ich habe tatsächlich auch die letzten beiden Challenges genutzt, um meinen SUB abzubauen, mit dem Effekt, dass nun kaum noch Phantastik darin ruht, sondern fast nur noch Krimis und allgemeine Belletristik - was meine Liebste eben so kauft, wenn ich sie nicht beschenke.
Daher werde ich wohl beim nächsten Mal ebenfalls auf ein paar Neukäufe setzen, abhängig von Enders hoffentlich wie gewohnt kreativen Kategorienideen.

Den Einfall, eine Bonusmedaille einzuführen, finde ich großartig, etwa, dass zwei Romane in jeweils einer anderen Kategorie passen müssen. Das sollte aber nur ein Bonus sein!

Für nächstes Jahr würde sich ja auch die Kategorie "nicht original deutsch- oder englischsprachige Anthologie" anbieten, da sind ja, wie Mammut auf seinem Blog zusammengetragen hat, dieses Jahr etliche erschienen.
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Shock Wave Rider »

Naut hat geschrieben: 25. September 2025 09:32 Vielen Dank, Ralf, für diese unterhaltsame und umfassende Zusammenfassung! Ich genieße diese Einblicke sehr, ...
Immerhin einer, der sich für meinen Sermon interessiert! :-D Dank dir dafür!
Naut hat geschrieben: 25. September 2025 09:32 ... ebenso wie Deine Statistiken zur Challenge.
Die nächste kommt in wenigen Tagen. ;-)

Gruß
Ralf
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von aquarius »

Glückwunsch an Shock Wave Rider (zum zweiten Mal) :respekt:
und Knochenmann :ola:

Wie immer einige interessante Bücher, Rezensionen und Diskussionen :bier:
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Sam Francisco »

Shock Wave Rider hat geschrieben: 25. September 2025 10:11
Immerhin einer, der sich für meinen Sermon interessiert! :-D Dank dir dafür!
Ich fand dein Fazit auch sehr aufschlussreich und interessant.
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Re: Die Phantastik - Lesechallenge 2025

Beitrag von Shock Wave Rider »

Sam Francisco hat geschrieben: 25. September 2025 10:34
Shock Wave Rider hat geschrieben: 25. September 2025 10:11
Immerhin einer, der sich für meinen Sermon interessiert! :-D Dank dir dafür!
Ich fand dein Fazit auch sehr aufschlussreich und interessant.
Danke, Sam!
Das beruht auf Gegenseitigkeit (nicht nur wegen Fazit, sondern allgemein).

Gruß
Ralf
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