"
Undendlichkeit" (Alastair Reynolds)
Zwischenfazit nach einem Drittel des Buches (200 Seiten):
Im 26. Jahrhundert hat die Menschheit die Galaxie besiedelt – allerdings nicht als geeinte Spezies, sondern als zersplitterte, misstrauische Zivilisation, die in zahlreichen rivalisierenden Kulturen mit unterschiedlichen Technologien und Ideologien existiert. Das Buch folgt drei Hauptfiguren in zunächst getrennten Handlungssträngen, die alle um Themen wie Archäologie, Vergangenheit, künstliche Intelligenz, Krankheit und Vergänglichkeit kreisen. Die Zusammenhänge sind anfangs locker und verdichten sich nur langsam zu einer Geschichte.
Auf dem Planeten Resurgam erforscht der Archäologe Dan Sylveste die Ruinen einer untergegangenen Alien-Zivilisation, der Amarantin. Ihr plötzlicher Untergang gibt Rätsel auf und könnte ein düsteres Echo auf das Schicksal der Menschheit selbst sein. Während Sylveste nach Antworten sucht, kreist in der Tiefe des Alls ein uraltes Raumschiff: die Sehnsucht nach Unendlichkeit. Dessen kybernetisch veränderte Crew ist auf der Suche nach einem Mann wie Sylveste. Gleichzeitig gerät die Auftragsmörderin Ana Khouri in einer weit entfernten Kolonie in eine Intrige, die sie schließlich mit den anderen Figuren verbindet.
Diese drei Handlungsstränge unterscheiden sich nicht nur thematisch, sondern auch in ihrem Erzählstil. Die Geschichte um Dan Sylveste wird im Stil klassischer Science-Fiction erzählt. Es geht um Forschung und Ideologie mit Blick auf das Große und Ganze der Menschheit und deren Zukunft. Die Geschichte um Ilia Volyova, ein Mitglied der Crew der "Sehnsucht nach Unendlichkeit", wird dagegen düster und geheimnisvoll, beinahe im Stil des Gothic-SF, erzählt. Die Handlung um die Attentäterin Ana Khouri ist emotionaler, mystischer und nahezu noir-artig.
Diese bunte Genremischung ist nicht nur anspruchsvoll; auch die Erzählweise verlangt dem Leser einiges ab. Was Reynolds hier macht, ist eher ein Mosaik als eine lineare Handlung. Innerhalb eines Kapitels springt er fast ohne Punkt und Komma von einem Handlungsstrang zum nächsten. Nicht nur thematisch, sondern auch zeitlich. Wer hier nicht aufmerksam ist, verliert schnell den roten Faden. Die Geschichte wirkt auf den Leser wie ein Medley aus Klassik, Space Metal und Noir-Jazz. Das ist spannend, aber auch gewöhnungsbedürftig.
Die Handlung ist noch völlig unvorhersehbar. Obwohl sich die drei Handlungsstränge langsam annähern, bleiben die Motive der einzelnen Protagonisten unklar. Es geht um zerstörte Zivilisationen – so viel ist klar. Auch, dass Sylveste sein Lebenswerk diesem Geheimnis widmet. Warum man ihm nach dem Leben trachtet und welche Rolle die "Sehnsucht nach Unendlichkeit" dabei spielt, bleibt jedoch geheimnisvoll. Zumindest bis hier hin.
Insgesamt ist es ein anspruchsvoller Roman, bei dem ich mich hin und wieder selbst motivieren muss, um dranzubleiben. Ich bin hin- und hergerissen zwischen Neugier und der Frage, warum ich mir das antue. Die zum Teil langatmigen Situationsbeschreibungen unterschiedlichster Couleur bauen jedoch einen Spannungsbogen auf, dem man weiter nachgehen möchte. Das habe ich selten erlebt. Ich bleibe dran, stay tuned...
