NOVA 11

Wir lesen gemeinsam ausgewählte Science Fiction-Bücher und diskutieren darüber!
Guido Seifert
Fan
Fan
Beiträge: 25
Registriert: 6. Mai 2007 15:32
Land: Deutschland
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Guido Seifert »

Jan Gardemann hat Folgendes geschrieben:
Ob ein Autor wirklich immer die Freiheit hat, den Protagonisten auszuwählen, der seine Geschichte erzählt? Manchmal diktiert die Geschichte, wo es langgeht.
Dann hätte der Autor immer noch die Freiheit, die Geschichte zu verwerfen.
In der Literaturkritik wird der Text eines Autors manchmal mit dem Autor gleichgesetzt.
In der Literaturwissenschaft hat sich allerdings inzwischen herumgesprochen, daß man da vorsichtig sein sollte. Thomas Mann war ganz offensichtlich nicht Felix Krull, obschon er "Ich" schreibt. Beim Ziljak VERMUTE ich nur etwas; dazu unten mehr.
Das schränkt einen Schriftsteller stark ein, würde er das immer im Hinterkopf haben. Er müsste dann höllisch aufpassen, was er schreibt, damit nicht irgendjemand eine Psychose bei ihm diagnostizieren kann.


Generell würde ich sagen, ein Autor tut gut daran, sich eine gewisse Wurschtigkeit zuzulegen, so daß er im Falle des Falles nicht einen f*ck darauf geben wird, was irgendein Tintenbube da hingeschmiert hat. Aber ebenso würde ich einem Autor empfehlen, kontrolliert zu arbeiten. Das "Aus-dem-Bauch-heraus-Schreiben", écrire automatique usw. führt doch nur selten zu überzeugenden Ergebnissen.
So etwas tun Schriftsteller für gewöhnlich aber nicht. Man schreibt die Geschichte so auf, wie man glaubt, es wäre sinnvoll. Und wenn man dafür einen verbrecherischen Protagonisten auswählen muss - okay. Dass man sich als Autor in die Lage dieses Kerls dann versetzen kann, zeugt eher von Phantasie und verrät nicht den potentiellen Ganoven, der in seinem Unterbewusstein schlummert.


1.) Ziljak wählt als alleinige Erzählperspektive seiner KG diejenige eines "unwürdigen" Menschen.

2.) Beleg der Unwürdigkeit des "Helden": Verletzung der Privatsphäre anderer Personen aus Gewinnsucht; Befriedigung perverser Interessen seiner Kunden; Inhumanität: Frauen sind Schnecken und Schlampen, mal mehr, mal weniger geil.

3.) Wie wäre es erklärbar, daß ein erwachsener, gereifter Mensch (Autor) eine Geschichte aus der Perspektive der Inhumanität erzählt? Doch nur so, daß seiner Motivation ein kritischer Impetus inhärent ist. Unterstellen wir einen solchen dem Autor, so sehen wir: Der längst angebrochene Abend des Abendlandes hat sich prospektiv zur Nacht vefinstert. Trauer und das Gefühl des Abschieds von einer langenlangen kulturellen Tradition; das Ideal der Aufklärung, der Emanzipation des Menschen geht zum Teufel.

4.) Für den erwachsenen, gereiften Menschen (Autor) kann dies nur ein Ernstes Thema sein. Dies verbietet meiner Ansicht nach nicht, komische oder sogar zynische Elemente in die literarische Ausführung zu mischen. Der erwachsene, gereifte Mensch (Leser) wird spüren, daß diese Elemente, die sich bis zum Grotesken steigen können, auf dem Boden von Trauer, Verlust, auch Wut erwachsen sind. Wo nicht, da findet man lediglich die Oberfläche von Comedy und stumpfer Degoutanz.

5.) Ist der (humanoide) Sexualverkehr mit einem Baumstumpf, einem Strandball auf zwei Entenbeinen, kleinen grünen Männchen, einer Riesenschnecke oder einem kleinen rosa Elefanten komisch oder sogar grotesk? Zum Grotesken fehlt diesen Mätzchen die Tiefe der Erschütterung, die durch die disperaten Elemente bewirkt wird. Sex mit Aliens ist ein alter Hut und hat somit die Kraft des Grotesken eingebüßt. Sind diese Spielchen dann immerhin komisch? Würden wir die Frage nach Maßgabe der Wirkung - nämlich des Lachens - beantworten, so müßten wir sagen: Ja. Aber wer lacht denn da? Zum einen der bürgerliche Spießer, der sich habituell gerne die lauen Pikanterien aus dem TV einpfeift, feierabendlich schmunzelt oder sich feixend auf die Schenkel klopfend. Zum anderen -: der Jugendliche, der Pubertierende. Im Gegensatz zum bürgerlichen Spießer, der vielleicht eine Entwicklung zum Erwachsenen hätte nehmen können, ist ein Bedauern beim Jugendlichen ganz unangebracht: Das ist ja alles ganz "normal", die Hormone rasen mit 300.000 km/s durch dieses frische kleine Universum, die ästhetische Urteilsfähigkeit ist längst nicht entwickelt, überhaupt ist Alles noch nicht fertig. Es gibt einen sexuellen Humor, der eigentlich nur in dieser Lebensphase einsehbar ist: Die erwachende Sexualität ist das allesbeherrschende Thema, die permanente Anspannung sucht die permanente Abfuhr, und da reicht ein laues Witzchen, um loszuprusten. Wenn es aber zwischen dem Adoleszenten und dem Erwachsenen, der bloß so heißt, weil er Führerschein und Gehaltstreifen (bzw. Alg-II-Bewilligung) in der Tasche hat, eine Verbindungslinie gibt, so heißt sie wohl "Spätpubertät".

6.) Ziljak geht das Thema der gesellschaftlichen Degeneration aus der Perspektive eines verbrecherischen und spätpubertären "Helden" an. So weit, so schön. Wie sind aber diejenigen spätpubertären Erzähl-Elemente zu beurteilen, die "objektiv" auf die "Wirklichkeitsebene" der Fiktion gesetzt, und also nicht durch den Helden geschaffen werden? (Er begegnet ja dem ET-Gerammel, und denkt es sich nicht etwa aus). Oder anders gewendet: Teilt Ziljaks Immanenter Autor die Eigenschaft der Spätpubertät mit dem Ich-Erzähler?

7.) Diese Frage kann ich nicht beantworten. Denn es wäre immerhin denkbar, daß der Immanente Autor bewußt solche Erzähl-Elemente bringt, die nur dem adoleszenten Geschmack zugänglich sind. Warum - wüßte ich nicht zu sagen, einen Sinn könnte ich nicht darin erkennen. Deshalb schleicht sich bei mir die

8.) VERMUTUNG ein, daß der Immanente Autor schlicht die pubertäre Arretierung des physischen Autors - Ziljak - geerbt hat. Ich kann mich natürlich täuschen; und die Maxime, den Autor zunächst einmal für schlauer als man selbst zu halten, ist nicht die schlechteste.
Ein Vorteil ist aber auch, dass man schreibend seine Pubertät noch einmal in vollen Zügen hochkommen lassen kann, und nebenbei auchnoch eine gute Geschichte dabei erzählt.


Das mag ein Vorteil sein; der sich mir aber sofort in einen beschämenden Nachteil verwandeln würde, wenn ich mit meiner Regression an die Öffentlichkeit träte. Für die private Regression bräuchte sich - glaube ich - niemand zu schämen. Ich nehme mir gerne einen Karl May und setz´ mich in ein Eckchen. (Bis vor kurzem auch Perry Rhodan; Feldhoff gerne, aber Borsch?: NEIN!)

Gruß, Guido
Benutzeravatar
Jan Gardemann
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 117
Registriert: 13. November 2006 19:07
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Jan Gardemann »

@Guido

Eine interessante Auseinanderbreitung deiner (und bestimmt auch der vieler anderer Leser) Herangehensweise an einen Text und der inneren Spiegelung, in welcher Beziehung der Autor zu seinem Text steht oder stehen sollte.
Der Autor ist für den veröffentlichten Text verantwortlich und muss zu ihm stehen können - das muss man beim Schreiben natürlich unbedingt beachten! Dazu gehört auch, dass man einberechnet, der Text könne falsch verstanden oder ausgelegt werden. Damit muss man dann leben (oder sich im Stillen ärgern).
Auf jeden Fall ist deine Betrachtung klar und ehrlich!
Grüße
Jan
Benutzeravatar
Jan Gardemann
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 117
Registriert: 13. November 2006 19:07
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Jan Gardemann »

Langsam ist der Vatertagskater abgeklungen - also lasst uns mal weitermachen!
Kirsten Küpers & Maximilian Vogel wären mit ihrer Story "Kontakt" vorige Woche drangewesen. Viel gibt es zu dieser dritten Ultra-Kurzgeschichte von meiner Warte aus aber nicht zu sagen. Die Story ist gut geschrieben und inhaltlich ebenfalls ansprechend. Der minimale Umfang ist der Idee angemessen. Ein kurzweiliger Text für zwischendurch!
Es hat den beiden bestimmt Spaß gemacht, diesen Text zusammen zu verfassen - so etwas habe ich selber noch nie ausprobiert.
Guido Seifert
Fan
Fan
Beiträge: 25
Registriert: 6. Mai 2007 15:32
Land: Deutschland
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Guido Seifert »

Ist "Kontakt" eine glaubwürdige Geschichte? Ich habe da ein Problemchen... Die Kolonisten zeigen nicht wenige anthropische Eigenschaften und Vorgehensweisen: eine vorgängige Forschungsmission, die wissenschaftliche Fähigkeit zum Sammeln klimatischer Informationen, Kartierung von Flora und Fauna, letztlich dient das Unternehmen der Erhaltung und Verbreitung der Art. VERSTAND und MOTIVATION, die uns geschildert werden, sind uns nur allzu bekannt: Die Kolonisten unterscheiden sich in diesen Aspekten nicht vom Menschen. Wie ist es dann zu erklären, dass sich die Kolonisten in direkter Nachbarschaft zu jenen Fabelwesen niederlassen, die 100 oder 200 Mal so groß wie sie selbst sind, und damit eine permanente Lebensbedrohung darstellen, ohne dass es notwendig wäre, auch nur die geringste aggressive Tendenz zu postulieren: Ein unabsichtlicher Wisch mit der Hand oder ein springender Ball reichen hin, eine Kolonistenfamilie ins Jenseits zu befördern.

Nun schrieb der (eine) Autor Maximilian Vogel im SF-Netzwerk, dass die dargestellte extraterrestische Spezies über einen besonderen Schutz vefügt. Mit Bezug auf Elena schreibt er: "Die Kollegen mit den vierzehn Beinen landen nicht im Putzeimer, sondern sorgen jeden Morgen dafür, dass das Tier mit dem Mopp sie wieder vergisst. Das haben wir zugegebenermaßen wohl etwas zu zart angedeutet." Ich sehe nicht mal eine Andeutung. Wo steckt sie?
Benutzeravatar
Jan Gardemann
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 117
Registriert: 13. November 2006 19:07
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Jan Gardemann »

Guido Seifert hat geschrieben: Nun schrieb der (eine) Autor Maximilian Vogel im SF-Netzwerk, dass die dargestellte extraterrestische Spezies über einen besonderen Schutz vefügt. Mit Bezug auf Elena schreibt er: "Die Kollegen mit den vierzehn Beinen landen nicht im Putzeimer, sondern sorgen jeden Morgen dafür, dass das Tier mit dem Mopp sie wieder vergisst. Das haben wir zugegebenermaßen wohl etwas zu zart angedeutet." Ich sehe nicht mal eine Andeutung. Wo steckt sie?
Obwohl ich das Posting von Fabian Vogel nicht kannte, habe ich, nachdem ich mir die Geschichte noch mal durch den Kopf gehen ließ, gedacht, dass die "Spinnen" wohl irgendwelche paranormalen Fähigkeiten (oder Techniken) besitzen müssen, die ihr Überleben in der Gegenwart dieser "Monster" sichert. Aber du hast Recht - es fehlt jedweder Hinweis auf derartiges, so dass man seine eigene Fantasie bemühen muss, was aber auch nicht unbedingt schlecht ist. :wink:
Ich fand es spannend, dass man erst nicht wusste, ob nun über eine menschliche Expesdition berichtet wird oder eine von Aliens.
Benutzeravatar
Olaf
SMOF
SMOF
Beiträge: 4604
Registriert: 27. Dezember 2001 00:00
Bundesland: By (aber im Herzen immer NRW)
Land: Deutschland
Liest zur Zeit: Wheel of Time 2, the Great Hunt
Herman Melville, Moby Dick
Matt Ruff, the Mirage
Wohnort: München

Ungelesener Beitrag von Olaf »

Guido Seifert hat geschrieben: Nun schrieb der (eine) Autor Maximilian Vogel im SF-Netzwerk, dass die dargestellte extraterrestische Spezies über einen besonderen Schutz vefügt. Mit Bezug auf Elena schreibt er: "Die Kollegen mit den vierzehn Beinen landen nicht im Putzeimer, sondern sorgen jeden Morgen dafür, dass das Tier mit dem Mopp sie wieder vergisst. Das haben wir zugegebenermaßen wohl etwas zu zart angedeutet." Ich sehe nicht mal eine Andeutung. Wo steckt sie?
Muss ich noch mal nachschauen, wenn ich zuhaus bin, aber ich bilde mir ein sowas gelesen zu haben.
Guido Seifert
Fan
Fan
Beiträge: 25
Registriert: 6. Mai 2007 15:32
Land: Deutschland
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Guido Seifert »

Jan Gardemann hat Folgendes geschrieben:
nachdem ich mir die Geschichte noch mal durch den Kopf gehen ließ, gedacht, dass die "Spinnen" wohl irgendwelche paranormalen Fähigkeiten (oder Techniken) besitzen müssen, die ihr Überleben in der Gegenwart dieser "Monster" sichert. Aber du hast Recht - es fehlt jedweder Hinweis auf derartiges, so dass man seine eigene Fantasie bemühen muss, was aber auch nicht unbedingt schlecht ist.
Jetzt aus meiner Erinnerung, in etwa: Die "Spinnen" nehmen eine Gedankenwirrwarr bei in der Nähe befindlichen Menschen wahr. Telepathische Fähigkeit, die ihnen aber offenbar nichts nutzt (da ihnen die Menschen vielleicht noch zu fremd sind). Einen Hinweis auf die Fähigkeit der Manipulation sehe ich nicht. Und da muss ich dir widersprechen, Jan: Ich würde es unbedingt schlecht finden, wenn ein solcher Hinweis nicht aufzutreiben wäre, denn mit deinem Fantasie-Argument ließe sich ja jede schlechte Geschichte um ein paar Ränge nach oben schieben.

So, wie sich mir die KG jetzt darstellt, möchte ich meinen, dass eine Nachlässigkeit in der konsequenten Ausarbeitung der Idee vorliegt. Dem möglichen Gegenargument, nämlich, dass wir es ja immerhin mit einer nicht-menschlichen Spezies zu tun haben und insofern keine anthropischen Maßstäbe anlegen dürfen, würde ich wie folgt begegnen: Eine Spezies, die einerseits eine Kolonisation plant und wissenschaftlich vorbereitet, aber andererseits sich einen Teufel darum schert, durch einen dummen, aber vorhersehbaren und sogar wahrscheinlichen, Zufall ausgelöscht zu werden, muss uns so fremd und unverständlich bleiben, dass es erzählerisch geboten wäre, zumindest einige Hinweise auf diese extrem sonderbare Mentalität zu liefern. Da solche Hinweise in "Kontakt" fehlen, muss der Leser eine "menschennähere" Konstitution der "Spinnen" annehmen, die ja auch nahegelegt wird: Die "Spinnen" verfügen über einen dem Menschen vergleichbaren Lebenserhaltungstrieb.

Es bleibt dabei: Die Qualtität der Geschichte hängt für mich von dem hypothetischen Hinweis auf die Manipulationsfähigkeit der Kolonisten ab. Eine Geschichte, die ein für sie konstituives Element auschließlich in die Einbildungskraft des Rezipienten verlagert, halte ich schlicht für schlecht gebaut.
Benutzeravatar
Jan Gardemann
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 117
Registriert: 13. November 2006 19:07
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Jan Gardemann »

Guido Seifert hat geschrieben: Eine Geschichte, die ein für sie konstituives Element auschließlich in die Einbildungskraft des Rezipienten verlagert, halte ich schlicht für schlecht gebaut.
In diesem Punkt muss ich dir natürlich Recht geben. Das Autorenteam hat sich in diesem Punkt vermutlich auch nicht auf die Einbildungskraft des Lesers verlassen, sondern schlichtweg etwas vergessen oder sogar einen Fehler gemacht. Jetzt sind die beiden aber bestimmt sensibilisiert :wink: .
Ich neige bei den Nova-Stories manchmal dazu, ein Auge zuzudrücken, da es sich bei dieser Publikation auch um eine Experimentierplattform handelt.
Aber eigentlich ist es gerade deshalb wichtig, dass es Leute gibt, die das Experiment gründlich überprüfen! :prima:
Benutzeravatar
Shock Wave Rider
Statistiker des Forums!
Statistiker des Forums!
Beiträge: 11437
Registriert: 20. Juli 2003 21:28
Bundesland: Bayern
Land: Deutschland
Liest zur Zeit: J. Ehmke, S. Alagöz (Hg.) "Das Erbe der Astronautengötter"
R. Erler "Das blaue Palais"
Wohnort: München

Ungelesener Beitrag von Shock Wave Rider »

Jan Gardemann hat geschrieben:Ich neige bei den Nova-Stories manchmal dazu, ein Auge zuzudrücken, da es sich bei dieser Publikation auch um eine Experimentierplattform handelt.
Als Abonnent sehe ich das deutlich anders!
Es sei denn, ich erhalte einen Beta-Tester-Rabatt. :wink:

Gruß
Ralf
Shock Wave Riders Kritiken aus München
möchten viele Autor'n übertünchen.
Denn er tut sich verbitten
Aliens, UFOs und Titten.
Einen Kerl wie den sollte man lünchen!
Benutzeravatar
Jan Gardemann
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 117
Registriert: 13. November 2006 19:07
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Jan Gardemann »

Fandet ihr die Story von Christian Weis nicht weiter erwähnenswert?
Es ist schon einige Tage her, als ich sie gelesen habe - und ich muss gestehen, dass ich mich nur noch schwach an die Handlung erinnern kann. Insgesamt ist bei mir der Eindruck geblieben, eine eher unspektakuläre Geschichte gelesen zu haben. Das Vorgehen der Protagonisten kam mir irgendwie bürokratisch vor. Vermutlich verlaufen viele Ermittlungen der Polizei tatsächlich ähnlich, wie in der Story beschrieben. Spuren führen zu nichts, und am Ende ist man machtlos.
Die Story selbst war nicht unbedingt vorhersehbar, mit überraschenden Wendungen hatte sie aber auch nicht gerade aufzuwarten.

Als nächstes werde ich mir die´c´t Story von Chrisatian Weis durchlesen, die in den kommenden beiden Ausgaben der Computerzeitschrift erscheint. Mal sehen, was Christian sonst noch so drauf hat ...
Benutzeravatar
Mammut
SMOF
SMOF
Beiträge: 2445
Registriert: 16. Januar 2002 00:00
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Mammut »

Ist zwar schon eine zeitlang her, aber mir hat sie nicht gefallen. Dafür war in Exodus 20 eine tolle Geschichte von Christian enthalten. Kann ich nur empfehlen.
Benutzeravatar
ChristianW
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 323
Registriert: 13. März 2005 18:30
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von ChristianW »

Oh, beinahe übersehen ... hatte schon gedacht, das plätschert hier so aus.

@Jan
Ich hatte eigentlich gedacht, der Hintergrund wär das Spektakuläre, aber das kam wohl nicht ganz so rüber. Die tatsächliche Polizeiarbeit dürfte in sehr vielen Fällen recht bürokratisch verlaufen, aber für eine Story oder einen Film wird das meist ausgeblendet. Vielleicht hab ich das Gewicht zu sehr darauf gelegt.
Die c't-Story dürfte weniger bürokratisch sein. :D

@Michael
Danke für die Blumen zur EXODUS-Story!
Guido Seifert
Fan
Fan
Beiträge: 25
Registriert: 6. Mai 2007 15:32
Land: Deutschland
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Guido Seifert »

Fandet ihr die Story von Christian Weis nicht weiter erwähnenswert?
Kann ich leider nicht im Brustton der Überzeugung verneinen. Und es ist schon ein bisschen schwierig: Kritik sollte unerbittlich und destruktiv sein, um das Schlechte wegzuräumen und Platz für das Gute zu schaffen. Seit ich meine Nase aber ein bisschen in die deutschsprachige SF-Szene gesteckt habe, merke ich, dass da etwas Familiäres und Vertrautes mitspielt, die Autoren nehmen an der Diskussion ihrer Werke teil usw. Das macht mich schon ein wenig befangen, und ich muss es mir zweimal überlegen, ob ich die Keule herausziehen soll. Zumindest muss mit dem Hämmerchen ein wenig abgeklopft werden.

Vielleicht stimmt mir der Ein oder Andere zu, wenn ich fordere, dass eine Story einen "Haken" braucht, der geeignet ist, den Leser zu angeln. Haben wir es mit Werken hoher literarischer Qualität zu tun, wird es auch für den Geübten Leser schwierig, die Attraktion genau zu fassen: Der Haken läßt sich nicht mehr als ein rein formales oder rein inhaltliches Moment beschreiben. Auch für die SF, als ein literarisches Genre unter anderen, wäre eine hohe literarische Qualität wünschenswert. Doch traditionell bewegen wir uns hier eher im Bereich der Gebrauchs- und Unterhaltungsliteratur, was überhaupt nicht schlecht ist, auch das muss und soll es geben (kürzlich sprachen wir noch über wohlige Regression...). Viele SF-Stories pochen nun auf ihre Daseinsberechtigung, indem sie in der Hauptsache ein inhaltliches Moment vorweisen: die originäre Idee, bzw. die originelle Variation einer solchen Idee. Wenn der Autor nun auch ein geübter oder talentierter Sprach-Handwerker ist - er braucht kein Artist zu sein -, möchte ich sagen, gelingt die Story, da sie keinen Anspruch erhebt, der über die inhaltliche Originalität hinausgeht. Aber der Haken ließe sich - ich glaube, wir sprachen hier auch schon einmal drüber - auch ganz woanders montieren, so dass die Qualität der Geschichte nicht mehr von der Originalität ihrer Erfindung abhängt. Eine unoriginelle oder unspektakuläre Grundidee verhindert nicht zwangsläufig eine gute Geschichte, möchte ich behaupten (im übrigen ist ja auch nichts neu unter Sol). Es käme auf die Fähigkeit des Autors an, eine Fokussierung auf bestimmte Aspekte der Geschichte vorzunehmen und sich von der reinen Fabel-Erzählung wegzubewegen. Freilich wird hier in zunehmendem Maße die Artistik des Autors gefordert...

Christian Weis nun gibt sich selbst keine Zeit, die möglichen Nebenwege seiner Fabel zu erkunden. Auf 10 Druckseiten kriegen wir nichts als geballte Handlung. Puh! Ein Kurz-Krimi, situiert in der nahen Zukunft, ohne SF-Invention: Die Flachbildschirme in der berliner U-Bahn existieren definitiv jetzt, es bleibt die Multifunktionswand... Die Story kriegt mich nicht an den Haken. Hätte sich Weis für den doppelten Umfang entschieden, würde er die Möglichkeit gehabt haben, Atmosphäre und Charaktere zu beleuchten. So aber bleibt "Bergers Bericht" recht blass und gleicht fast selbst einem Bericht. Weis hat einfach auf beschränktem Raum zu viel mitzuteilen, und darunter leidet die erzählerische Prägnanz.
Benutzeravatar
ChristianW
True-Fan
True-Fan
Beiträge: 323
Registriert: 13. März 2005 18:30
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von ChristianW »

Guido Seifert hat geschrieben: Seit ich meine Nase aber ein bisschen in die deutschsprachige SF-Szene gesteckt habe, merke ich, dass da etwas Familiäres und Vertrautes mitspielt, die Autoren nehmen an der Diskussion ihrer Werke teil usw. Das macht mich schon ein wenig befangen, und ich muss es mir zweimal überlegen, ob ich die Keule herausziehen soll. Zumindest muss mit dem Hämmerchen ein wenig abgeklopft werden.
Wenn ein Text veröffentlicht wird, muss sich der Autor auch der Kritik stellen (zumindest sich selbst gegenüber im stillen Kämmerlein) und sich auch darauf einstellen, dass sie negativ oder gar harsch ausfallen kann. Und im anonymen Raum, irgendwo in einer Zeitung oder Zeitschrift z.B., wird selten Rücksicht genommen. Letztlich ist das okay und als Autor muss man sich damit auseinandersetzen.
Ob Keule oder Hämmerchen - das muss derjenige entscheiden, der eine Kritik verfasst. :wink:
In jedem Fall ist eine Rückmeldung besser als keine - also besten Dank dafür!

Auf 10 Druckseiten kriegen wir nichts als geballte Handlung.
... Die Story kriegt mich nicht an den Haken. Hätte sich Weis für den doppelten Umfang entschieden, würde er die Möglichkeit gehabt haben, Atmosphäre und Charaktere zu beleuchten. So aber bleibt "Bergers Bericht" recht blass und gleicht fast selbst einem Bericht. Weis hat einfach auf beschränktem Raum zu viel mitzuteilen, und darunter leidet die erzählerische Prägnanz.
Ich hatte mal 3 oder 4 Versionen von der Story. Die in Nova erschienene ist die kürzeste davon, aus der ich das meiste an "Beiwerk" entfernt habe. Zum einen, weil mir die anderen Versionen zu lang erschienen, zum anderen, weil der eine oder andere Vorableser dieses Beiwerk (mehr Charakterisierung und Hintergrund, das eine oder andere "Gimmick") als im Grunde unnötig angesehen hat. Vielleicht hab ich die falschen Sachen rausgestrichen, vielleicht fehlte mir auch das Vertrauen, den einen oder anderen Absatz doch drin zu lassen, um etwas mehr Fleisch an die Sache zu bringen, auch mit dem Risiko, eine längere Geschichte abzuliefern.
Guido Seifert
Fan
Fan
Beiträge: 25
Registriert: 6. Mai 2007 15:32
Land: Deutschland
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Ungelesener Beitrag von Guido Seifert »

Christian Weis hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte mal 3 oder 4 Versionen von der Story. Die in Nova erschienene ist die kürzeste davon, aus der ich das meiste an "Beiwerk" entfernt habe. Zum einen, weil mir die anderen Versionen zu lang erschienen, zum anderen, weil der eine oder andere Vorableser dieses Beiwerk (mehr Charakterisierung und Hintergrund, das eine oder andere "Gimmick") als im Grunde unnötig angesehen hat.
Tja, die Ansprüche sind unterschiedlich, so banal wie wahr. Ihre Herausbildung hat mit vielem zu tun, auch so banal wie wahr. "Argumentieren" lässt sich hier nur schwer, man kann nichts "beweisen"... Das extreme Beispiel, das mir im Kopf hängen geblieben ist, stammt aus der Zeit meiner Perry-Rhodan-Lektüre. Ein Leser (sei´s in der LKS oder in einem Forum, ich weiß es nicht mehr) teilte mit, das es für ihn des ganzen Beiwerks nicht bedürfte: Er würde die Serie noch mehr lieben, wenn sie sich auf das Erzählen der reinen Handlung beschränkte, so dass er möglichst rasch sehe, "wie´s weitergeht". Nicht undenkbar, dass er PR im Telegrammstil, jedes Heft auf 1/3 des Umfangs gerafft, als noch besser und SF-gemäßer empfindet. Da bin ich altmodisch und suche das Literarische auch in der SF. Deshalb lässt mich z.B. Stross´ hochgelobtes "Accelerando" über weite Passagen kalt. Und das Gegenteil hiervon, nämlich Sch(w)ätzings "Der Schwarm", ist in den Nebenhandlungen so verkitscht, dass man den Gedanken kaum abwehren kann, dies hypertrophierte Romanmonster sei bereits mit Blick auf Hohlywutt geschrieben.

Gruß, Guido
Antworten