Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Science Fiction in Buchform
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Frank Böhmert

Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

... zu seinem neuen Buch, dessen Konzept allein schon provozierend klingt. Es heißt Adolf H. -- Zwei Leben und spielt mit der These: Was wäre geschehen, wenn die Kunstakademie Hitler aufgenommen hätte? Wie hätte das 20. Jahrhundert ausgesehen? Zwei Biografien werden sich verschränken, eine wahre und eine fiktive. Eine Gratwanderung. Aber auch eine Conclusio aus Schmitts literarischem Grenzgängertum an der Schwelle von Rassismus, Wahnsinn, Selbstzerstörung und Aggression. Letztlich, so meint er, gehe es immer um das Ungeheuer in jedem von uns.
Maxi Leinkauf in Cicero 11/07, S. 133

Ich sehe gerade, den Artikel gibts auch im Web: klick
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Gast

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nicht unbedingt neu, denn...

was hätte er geschrieben, wenn er Schundautor geworden wäre: siehe Norman Spinrad, "Der stählerne Traum"
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Frank Böhmert

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Anonymous hat geschrieben:nicht unbedingt neu, denn...

was hätte er geschrieben, wenn er Schundautor geworden wäre: siehe Norman Spinrad, "Der stählerne Traum"
Und Du meinst ernsthaft, das weiß hier keiner? *gähn*

Frank, der den Spinrad insgesamt reichlich schlapp findet und seinen "Traum" damals nur quergelesen hat
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Oliver
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Ungelesener Beitrag von Oliver »

Frank Böhmert hat geschrieben:Und Du meinst ernsthaft, das weiß hier keiner? *gähn*
Zumal sich der anonyme Spinrad-Verweis langsam zum Running Gag entwickelt. Mal sehen, in viele Threads der noch reinpasst. :smokin
Jorge
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Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Jorge »

Frank Böhmert hat geschrieben:
Was wäre geschehen, wenn die Kunstakademie Hitler aufgenommen hätte?
Vielleicht das:

Wir freuten uns, daß Kaiser Wilhelm, jetzt ziemlich weißhaarig, persönlich am Flugplatz anwesend war, als wir in Berlin landeten. Wir begleiteten ihn in einem offenen Fahrzeug, das anscheinend keine Räder hatte, durch die Straßen der Stadt; der Kaiser erzählte uns, es schwebe auf einem Kissen aus Luft, was Dark unwahrscheinlich vorkam. An einer Stelle, wo die Menge dicht war und unser Wagen daher etwas langsamer wurde, schoß ein dunkelhaariger Mann aus der Menge hervor, schob dem Kaiser einen Gegenstand in die Hand, rief etwas und zog sich wieder zurück. "Ha!" bemerkte der Kaiser. "Nicht schlecht. Er sagte, er wolle es Ihnen als Andenken geben - es wäre ein schöner Gedanke, daß sein Name und sein Werk zu anderen Welten reisten." Er reichte uns das Ding, damit wir es uns ansehen konnten. Es war ein detailliertes, wenn auch lebloses Portrait in farbiger Tusche von uns vieren, anscheinend strahlte von unseren Köpfen ein starkes Licht aus, das auf eine Darstellung des vor uns liegenden Planeten fiel.
"Ich habe seine Arbeiten gesehen", bemerkte der Kaiser. "Er macht Illustrationen für ein paar kitschige Magazine, die meine Enkel lesen. Nun, man darf wohl sagen, daß Sie die einzigen Forschungsreisenden sind, die einen echten Hitler für ihre Privatgalerie besitzen."
aus
Donald R. Bensen
"Zwischenhalt"(And having writ ...)

Vielleicht versagt er aber auch auf diesem Gebiet und findet statt dessen seine wahre Bestimmung in einem anderen Beruf:

Ich wußte sofort, daß es sich um den deutschen Zeppelin Ostwald handelte, benannt nach dem berühmten Pionier auf dem Gebiet der physikalischen Chemie und der Elektrochemie. Es war das Prunkstück jener mächtigen Flotte von Leichtfrachtern und Luxuspassagierschiffen, die von Berlin, Bremerhaven und Baden-Baden aus die ganze Welt ansteuerten. Jene unvergleichliche Friedensarmada, deren titanische Schiffe die Namen von weltberühmten Wissenschaftlern trugen. Die Deutschen Mach, Nernst, Humboldt und Fritz Haber waren vertreten, der Franzose Antoine Henri Becquerel, der Amerikaner Edison und die Polin Sklodowska sowie deren Sohn T. Sklodowska-Edison und sogar ein Jude - Einstein. Die große humanitäre Flotte, in der ich als Verkaufsberater und Experte keinen unbedeutenden Platz innehatte! Ich dachte mit berechtigtem Stolz an die edle Leistung des Vaterlandes.
Ich wußte auch, ohne lange zu überlegen, daß die Länge der Ostwald mehr als die Hälfte des insgesamt 490 Meter hohen Empire State Building betrug. Und erneut schwellte Stolz in meiner Brust, als mir einfiel, daß der Berliner Zeppelinturm nur um ein paar Meter niedriger war. Deutschland, so sagte ich mir, hat es nicht nötig, nach primitiven Zahlenrekorden zu streben - seine glanzvollen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften sprechen auf der ganzen Welt für sich.
All dies ging mir blitzschnell durch den Kopf, und ich verlangsamte keine Sekunde meinen zackigen Schritt. Während mein Blick aus schwindelnden Höhen zurückkehrte, summte ich leise Deutschland, Deutschland über alles vor mich hin.
...
Der einzige Mißklang in diesem Bild war ein hochgewachsener, bleicher, hagerer Mann mit unbestreitbar hebräischen Zügen. Seine dunkle Kleidung wirkte zwar ordentlich, aber ein wenig schäbig, und seine Schultern fielen nach vorn. Er sah mich prüfend an, wandte sich jedoch sofort ab, als ich seinen Blick erwiderte. Ich schmunzelte ein wenig, weil mir einfiel, was mein Sohn über das City College von New York gesagt hatte: Eingeweihte legten die Abkürzung CCNY im Spaß als Neu-Yiddisch aus. Zu meiner Ehre muß ich betonen, daß ich keinerlei Bosheit empfand als ich lachte. Deutschland mit seiner sprichwörtlichen Toleranz und seinem Edelmut hat den beschämenden Antisemitismus von einst längst überwunden. Wenn wir fair sind, müssen wir sogar zugeben, daß etwa ein Drittel unserer großen Männer, darunter Haber und Einstein, Juden waren oder zumindest ein paar Tropfen jüdisches Blut in den Adern hatten. Allerdings lauern im Unterbewußtsein vor allem der älteren Leute die bösen Erinnerungen, und sie brechen gelegentlich an die Oberfläche durch wie U-Boote auf Feindfahrt.
Meine heitere Laune stellte sich rasch wieder ein. Ich strich mit einer knappen, fast militärischen Geste den kurzen Oberlippenbart glatt und schob mechanisch die schwarze Haarsträhne (ich leugne nicht, daß ich sie färbe) zurück, die mir immer wieder in die Stirn fällt.
aus
Fritz Leiber
"Versäum nicht den Zeppelin!"(Catch that Zeppelin)

Zurück zum ursprünglichen Thema: Interessant, das sich neben Philip Roth nun ein zweiter Literat in die "Niederungen" der SF(Alternativwelt) wagt :wink: .
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Frank Böhmert

Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Jorge hat geschrieben:Zurück zum ursprünglichen Thema: Interessant, das sich neben Philip Roth nun ein zweiter Literat in die "Niederungen" der SF(Alternativwelt) wagt :wink: .
Inzwischen wird das Buch beworben, angekündigt für den 12. Februar bei Ammann.

Im neuen Cicero gibt es einen Vorabdruck, der mich aber nicht überzeugt hat. Aus stilistischen Gründen:
"Adolf H.: bestanden."
Eine Hitzewelle durchlief den jungen Mann. In ihm wogte das Glück, es pulste in seinen Schläfen, rauschte in seinen Ohren, weitete ihm die Lungen und wühlte sein Herz auf. Es war ein lang anhaltender Augenblick, erfüllt und angespannt, die Muskeln hart, ein ekstatischer Krampf, eine reine Lust wie der erste unwillkürliche Orgasmus mit dreizehn Jahren.
Bei so viel, hrm, ausführlicher Gefühlsbebilderung wird mir immer ganz blümerant. Wobei das zugestandenermaßen auch eine Anlehne an Hitlers knorzig-hysterische Sprache sein könnte.

Ansonsten gibt der Vorabdruck auch leider nicht viel Interessantes dazu her, wie Schmittens alternativer Geschichtsentwurf denn nun so aussieht: es geht auf den doch nicht wenigen Seiten allein um den Moment der Abspaltung. Schade. Mich hätten die ersten wahrnehmbaren Andersartigkeiten NACH der Aufnahme in die Akademie interessiert ...
Zuletzt geändert von Frank Böhmert am 30. Januar 2008 10:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Frank Böhmert

Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Frank Böhmert hat geschrieben:Inzwischen wird das Buch beworben, angekündigt für den 12. Februar bei Ammann.
Zwei Termine in Berlin und Köln, zitiert von der Ammann-Seite:
14.2.2008 Eric-Emmanuel Schmitt
Podiumsdiskussion

Cicero-Galerie für politische Fotografie, Rosenthaler Strasse 38, Berlin
20:00 Uhr

Anlässlich des Erscheinens von Eric-Emmanuel Schmitts neuem Roman "Adolf H. Zwei Leben" diskutieren Daniel Cohn-Bendit, Franziska Augstein, Jürgen Busche, Frank A. Meyer, Egon Ammann und der Autor selbst u.a. über folgende Fragen: Wieviel Spielraum lässt die Moral der Kunst? Wie gelassen können wir uns sechzig Jahre nach Kriegsende einen humanen Adolf Hitler phantasieren? Welche Imperative stecken das Terrain ab?

Der Eintritt ist frei.
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5.3.2008 Eric-Emmanuel Schmitt
Lesung aus ADOLF H. ZWEI LEBEN

Lit. Cologne, Schauspielhaus Köln
19:30 Uhr

Deutsche Übersetzung: Tobias Eisermann
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Oliver
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Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Oliver »

Frank Böhmert hat geschrieben:Bei so viel, hrm, ausführlicher Gefühlsbebilderung wird mir immer ganz blümerant. Wobei das zugestandenermaßen auch eine Anlehne an Hitlers knorzig-hysterische Sprache sein könnte.
Davon gehe ich eigentlich fest aus, das war mein erster Gedanke als ich diese Passage las.
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Frank Böhmert

Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Oliver hat geschrieben:Davon gehe ich eigentlich fest aus, das war mein erster Gedanke als ich diese Passage las.
Ich habe noch nichts von Schmitt gelesen, mir fehlen also die Vergleichsmöglichkeiten, deshalb bin ich da ein bisschen vorsichtiger. Schon bei seinen Titeln wurde mir bisher immer blümerant.

Aber lustig wäre es natürlich.
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Frank Böhmert

Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Frank Böhmert hat geschrieben:
... zu seinem neuen Buch[...]
Maxi Leinkauf in Cicero 11/07, S. 133
Was Cicero da im November so projektartig anlässlich eines Besuchs in seiner Bibliothek "verkauft" hat, ist in Frankreich übrigens schon im Jahre des Herrn 2001 erschienen, wie ich gerade sehe: La Part de l'autre lautet der Originaltitel. Es ist also, danach kamen mehrere andere Titel heraus, schon ein etwas älteres Werk, das eben erst jetzt auf deutsch erscheint.

Die Übersetzung ist wohl von Klaus Laabs.
hawaklar
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Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

Ungelesener Beitrag von hawaklar »

Frank Böhmert hat geschrieben: Ich habe noch nichts von Schmitt gelesen, mir fehlen also die Vergleichsmöglichkeiten, deshalb bin ich da ein bisschen vorsichtiger. Schon bei seinen Titeln wurde mir bisher immer blümerant.
Dann empfehle ich Dir auf jeden Fall Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran zu lesen. Das Buch ist erfrischend kurz und geht einem ans Herz - und dabei bin ich wirklich kein sentimentaler Typ. Ich habe das Buch gelesen, das Hörbuch, von Matthias Ponnier gelesen, gehört und den Film mit Omar Sharif gesehen. Alle drei Versionen des Stoffs haben mich irgendwie in der Seele berührt. Das hört sich vielleicht kitschig an, ist aber sehr ernst gemeint.
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Fan-Tom
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Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

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Im neuen Stern steht was zu EES ...
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Jorge
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Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

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TV-Tipp

Heute abend in "ttt": "Wäre Hitler ein Künstler geworden..." http://www.daserste.de/ttt/
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Bungle
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Liest zur Zeit: Torsten Scheib "Götterschlacht"
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Re: Eric-Emmanuel Schmitts aktuelles Romanprojekt

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In KulturZeit auf 3Sat gab es auch einen Beitragb über "Adolf H.". Hier verteidigt Daniel Kohn-Bendit das Buch mit dem Argument, dass es keine "Deutungshoheit" über die Figur Hitler geben sollte. Will heißen, Hitler soll jeder interpretieren dürfen, und nicht nur Historiker, die sich auf Fakten und Dokumente stützen.

Es ist aber ein schwaches Fundament für einen Charakterwandel bei Hitler, allein die Aufnahme in die Kunstakademie.
MB
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