Frank Böhmert hat geschrieben:Ich für meinen Teil kann gern regelmäßig posten, was im aktuellen LITERATUREN so an einschlägigen Büchern auftaucht,
siehe oben. Ich habe die Zeitschrift ohnehin abonniert.
So. Die
"No. 103 Oktober/November 2011" ist hinreichend gelesen, um einen Überblick zu geben. An folgenden Stellen geht es ausdrücklich um SF/Fantastik/Utopisches:
In der Rubrik "Fotografie" wird ein opulenter Bildband über
Pedro Almodóvar vorgestellt. Zu seinem neuen Film DIE HAUT, IN DER ICH WOHNE heißt es:
"... handelt von sexueller Überspannung und dem utopischen Projekt, die Tragödie des Tods zu überwinden." (S. 10)
Die Rubrik "Portrait" widmet sich
Walter Moers und vor allem seinen Mythenmetz-Romanen (S. 13-18).
Unter "Der Text" findet sich ein Auszug aus dem neuen Buch von Sigrid Nunez, die über ihre Zeit mit/bei
Susan Sontag schreibt. Sontag hat nicht nur sehr gern Stanislaw Lem gelesen, sondern bot auch eine sehr charmante Definition von SF. Bitteschön:
"Jede Art erfindungsreichen, Form- oder Genre-verändernden Schreibens bezeichnete sie als Science Fiction, im Gegensatz zum banalen zeitgenössischen amerikanischen Realismus." (S. 23)
Titelheldin der neuen Ausgabe ist
Sibylle Lewitscharoff. Die deutsch-bulgarische Autorin schreibe
"Abenteuerroman[e] mit ausgeprägter Lust am Nonsens", manche könne
"nur genießen, wer auch an gröberen Humor-Taten Vergnügen findet". Helden kommen
"aus dem Totenreich zurück",
"Popgeschichte wie griechische Mythologie werden beim Leser als spezifische Interessensgebiete vorausgesetzt und genüßlich bedient".
"Alles gerät hier ins Schweben - biederer Realismus war Sibylle Lewitscharoffs Sache nie." (S. 28-34)
Lewitscharoff selbst schreibt in einem Essay über die Darstellung der Armut in der Literatur:
"Die Nöte der Armen heute zu erhellen, die naturgemäß in einer reichen Gesellschaft grundverschieden sind vom Elend der Armen im 19. Jahrhundert, das wäre eine ehrenvolle Aufgabe für die Literatur. Doch was für eine Literatur könnte das sein? Dem zementierenden Realismus sollte sie jedenfalls nicht frönen, diesem menschenverachtenden So und nicht Anders. Vielmehr sollte sie sich von Lüpfungsenergien tragen lassen und fest am Möglichkeitssinn hangen, damit sich der Leser hinter einem verschütteten, elenden Leben sehr wohl ein anderes vorstellen kann." (S. 44)
Ansonsten wird noch der neue Roman des SF-affinen
Douglas Coupland besprochen -- die Rezensentin war allerdings eher gelangweilt (S. 90).
Man kann also wieder mal festhalten: Der sogenannte Mainstream hat die Fantastik und die SF im Blick bzw. benutzt sie als durchaus positive Metaphern -- von alten 70er-Jahre-Vorwürfen wie "Fluchtliteratur", die in der SF-Szene immer noch rumgeistern, keine Spur.
Besten Gruß,
Bö.