2.) ein Roman, dessen Erstveröffentlichung vor dem eigenen Geburtsjahr lag
Olaf Stapledon - Die letzten und die ersten Menschen
In diesem 1930 erschienenen Buch wird die Geschichte der Menschheit von der (damaligen) Gegenwart bis in die ferne Zukunft beschrieben. Und zwar in die SEHR ferne Zukunft, denn wir reden hier von vielen Millionen, letztlich sogar Milliarden Jahren.
Das Ganze ist dann auch mehr oder weniger wie ein historisches Sachbuch aufgebaut, und das ist auch schon das erste Problem. Es gibt hier also keine Handlungsstränge, keinen Spannungsbogen, keine Haupt- oder Nebenfiguren und somit insgesamt keinen "Roman" im klassischen Sinn. Dadurch liest sich das alles extrem trocken und bisweilen mühsam.
Ich persönlich lese eigentlich ganz gerne in Geschichtsbüchern, deshalb kam ich mit dem Aufbau noch ganz gut zurecht. Aber nichtsdestotrotz waren mir manche Passagen dann doch zu zäh und langweilig, und wer prinzipiell keinen Spaß an historischen Sachtexten hat, sollte lieber die Finger davon lassen.
In den ersten Kapiteln geht es noch um die nahe Zukunft, also das 20. und 21. Jahrhundert. Aus heutiger Sicht liegt vieles davon ja nun schon in der Vergangenheit und kam logischerweise ganz anders ... so konnte der Autor damals vom 2. Weltkrieg, dem sog. Dritten Reich oder dem Kalten Krieg noch nichts wissen. Mehrere unmittelbar bevorstehende europäische und weltweite Kriege hat er aber trotzdem schon kommen sehen (wobei interessanterweise ausgerechnet Deutschland zunächst die gemäßigte Partei darstellte).
Aber wie der Autor selbst im Vorwort (und Klaus N. Frick im Nachwort) betont, konnte und sollte es nie das Ziel dieses Buchs sein, möglichst präzise und realistische Voraussagen zu treffen. Es sind einfach Gedankenexperimente, was rein theoretisch denkbar wäre ... und das führt bewusst auch in Bereiche, die heutzutage noch unvorstellbar erscheinen.
So blickt das Buch dann auch mit fortschreitender Dauer immer weiter und weiter in die Zukunft, zunächst in Jahrhunderte- später dann Jahrtausende und Jahrmillionen umfassenden Schritten.
Einerseits gefielen mir die späteren Epochen besser, weil sie natürlich immer abgefahrener und fantastischer wurden. Andererseits hatte ich mehrfach Probleme mit Sätzen wie "In den nächsten 30 Millionen Jahren entwickelte sich die Zivilisation nicht nennenswert weiter."
Solche Sprünge finde ich nicht nur intellektuell schwer zu fassen, sondern irgendwie auch ziemlich unrealistisch. Ich meine - wie lange gibt es den Homo Sapiens jetzt? 300.000 Jahre? Völlig unvorstellbar, wie die Entwicklung in der 100-fachen Zeit aussehen könnte (aber okay, dafür lesen wir ja ein fiktives Buch), aber v.a. meiner Meinung nach NOCH unvorstellbarer, dass sich in einer solchen Zeitspanne nicht viel tun sollte. Und gemessen am gesamten Buch ist das nur ein mittelgroßer Zeitsprung ...
Aber trotz aller Mühen und Zweifel beim Lesen bin ich bis zuletzt dran geblieben, denn Stapledon präsentiert hier eine Fülle an originellen und fantasievollen Ideen, die einfach Spaß machen. Alleine schon die evolutionären Veränderungen, die die Menschheit durchlebt (und die sie z.T. auch aktiv selbst herbeiführt) sind so interessant, dass sich das Lesen gelohnt hat.
So richtig weiterempfehlen würde ich es aber trotzdem nicht, denn ich kann jeden verstehen, der sich bei der Lektüre langweilen würde. Was ich ja teilweise auch getan habe ...
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